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BFH 17.04.2013 - II R 59/11
BFH 17.04.2013 - II R 59/11 - Anlaufhemmung der Feststellungsfrist für Bedarfsbewertung bei Anforderung einer Feststellungserklärung
Normen
§ 138 BewG 1991 vom 20.12.1996, § 153 BewG 1991 vom 13.12.2006, § 1 Abs 1 Nr 3 GrEStG 1997, § 18 GrEStG 1997, § 19 GrEStG 1997, § 170 Abs 2 S 1 Nr 1 AO, § 171 Abs 10 S 1 AO, § 181 AO, § 20 Abs 1 Nr 1 UmwG
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 3. November 2011, Az: 11 K 1849/10 BG, Urteil
Leitsatz
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Fordert das Lagefinanzamt vom Steuerpflichtigen innerhalb der Feststellungsfrist eine Feststellungserklärung für Zwecke der Grunderwerbsteuer an, führt dies unabhängig vom Zeitpunkt der Erstattung der Anzeige nach §§ 18 und 19 GrEStG zu einer Anlaufhemmung der Feststellungsfrist .
Tatbestand
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I. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 20. Juli 2005 wurde die Verschmelzung der I-GmbH, die Eigentümerin zahlreicher Grundstücke war, auf die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, vereinbart. Die Verschmelzung wurde am 21. Juli 2005 für die Klägerin in das Handelsregister eingetragen. Die Klägerin zeigte den mit der Verschmelzung verbundenen Übergang der Grundstücke der I-GmbH auf sie im Jahr 2005 der Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts an.
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Die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) im April 2009 angeforderte Erklärung zur Feststellung u.a. des Grundbesitzwerts für das Grundstück ... gab die Klägerin im November 2009 ab. Den Grundbesitzwert für dieses Grundstück stellte das FA durch Bescheid vom 5. Januar 2010 auf den 21. Juli 2005 für Zwecke der Grunderwerbsteuer in der von der Klägerin erklärten Höhe gesondert fest. Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA die Feststellung des Grundbesitzwerts in Bezug auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Heranziehung des Grundbesitzwerts als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung (AO) für vorläufig erklärte.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 908 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, die Feststellungsfrist sei entgegen der Ansicht der Klägerin beim Erlass des Bescheids vom 5. Januar 2010 noch nicht abgelaufen gewesen.
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Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Feststellungsbescheid vom 5. Januar 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2010 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsfrist beim Erlass des Bescheids vom 5. Januar 2010 noch nicht abgelaufen war.
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1. Nach § 138 Abs. 5 Satz 1 des Bewertungsgesetzes in der im Jahr 2005 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 36 des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 vom 20. Dezember 1996 --BewG-- (BGBl I 1996, 2049) sind die Grundbesitzwerte (§ 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 BewG) gesondert festzustellen, wenn sie für die Erbschaftsteuer oder Grunderwerbsteuer erforderlich sind (Bedarfsbewertung).
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a) Für die Feststellung von Grundbesitzwerten gelten gemäß § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG die Vorschriften der AO über die Feststellung von Einheitswerten des Grundbesitzes sinngemäß. Das für die Feststellung von Grundbesitzwerten zuständige Finanzamt kann nach § 138 Abs. 6 BewG von jedermann, für dessen Besteuerung eine Bedarfsbewertung erforderlich ist, die Abgabe einer Feststellungserklärung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist, die mindestens einen Monat betragen muss, verlangen.
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b) Die Frist für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist unabhängig von der Festsetzungsfrist für die Folgesteuern zu ermitteln (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 1993 VIII R 27/92, BFHE 171, 392, BStBl II 1994, 3; vom 12. Juli 2005 II R 10/04, BFH/NV 2006, 228, und vom 25. November 2008 II R 11/07, BFHE 223, 326, BStBl II 2009, 287; BFH-Beschluss vom 5. August 2004 II B 26/04, BFH/NV 2005, 7). Sie kann später beginnen als die Festsetzungsfrist für die Folgesteuern und daher noch laufen, nachdem die reguläre Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist. Für einen solchen Fall sieht § 171 Abs. 10 Satz 1 AO eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist für die Folgesteuern vor.
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c) Diese Grundsätze gelten auch für die Frist für die gesonderte Feststellung von Einheitswerten. Diese Feststellungsfrist beginnt nach § 181 Abs. 3 Satz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, die Fortschreibung, die Nachfeststellung oder die Aufhebung eines Einheitswerts vorzunehmen ist. Ist eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Einheitswerts abzugeben, beginnt die Feststellungsfrist gemäß § 181 Abs. 3 Satz 2 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen oder aufzuheben ist.
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d) Aufgrund der gemäß § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG gebotenen sinngemäßen Anwendung dieser Vorschriften auf die Bedarfsbewertung beginnt die Frist für die Feststellung eines Grundbesitzwerts für die Erbschaftsteuer oder Grunderwerbsteuer grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in das der Bewertungsstichtag fällt. Auf den Beginn der Festsetzungsfrist für die Folgesteuer(n) kommt es nicht an (BFH-Urteil in BFHE 223, 326, BStBl II 2009, 287).
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Hat das Lagefinanzamt nach § 138 Abs. 6 BewG von einem Steuerpflichtigen eine Feststellungserklärung angefordert, führt dies nach Maßgabe des § 181 Abs. 3 Satz 2 AO diesem Steuerpflichtigen gegenüber zu einer Anlaufhemmung der Feststellungsfrist (BFH-Urteil in BFHE 223, 326, BStBl II 2009, 287; Hartmann in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 153 BewG Rz 113 f.). Die Feststellungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Wertfeststellung vorzunehmen ist. Es genügt dabei, wenn das Finanzamt die Feststellungserklärung verlangt, bevor die Feststellungsfrist abgelaufen ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 2000 II R 50/98, BFHE 193, 48, BStBl II 2001, 14). Die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet den Steuerpflichtigen gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 149 Abs. 1 Satz 2 AO zur Abgabe der Erklärung.
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e) Die Anforderung einer Feststellungserklärung führt unabhängig davon, wann die in §§ 18 und 19 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) vorgeschriebene Anzeige erstattet wurde, zur Anlaufhemmung der Feststellungsfrist für die Bedarfsbewertung für Zwecke der Grunderwerbsteuer. § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG knüpft aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 181 Abs. 3 Satz 2 AO hinsichtlich der Anlaufhemmung an den Zeitpunkt der Abgabe der angeforderten Feststellungserklärung und nicht an den Zeitpunkt der Erstattung der Anzeige nach §§ 18 und 19 GrEStG an. Der Gesetzgeber sieht in § 138 Abs. 6 BewG die Möglichkeit vor, über die Anzeige nach §§ 18 und 19 GrEStG hinaus eine Feststellungserklärung als Grundlage für die Bedarfsbewertung zu verlangen. Die durch dieses Verlangen begründete Handlungspflicht des Steuerpflichtigen beruht darauf, dass die Anzeige nach §§ 18 und 19 GrEStG gemäß § 20 GrEStG nicht alle Angaben zu enthalten braucht, die für die Feststellung von Grundbesitzwerten regelmäßig erforderlich sind. Dem für die Bedarfsbewertung zuständigen Finanzamt soll aufgrund der vom Zeitpunkt der Abgabe der Feststellungserklärung abhängigen Anlaufhemmung eine ausreichende Frist für die Bedarfsbewertung zur Verfügung stehen. Dieses Ziel erreicht der Gesetzgeber dadurch, dass er für die Feststellungsfrist eine vom Zeitpunkt der Erstattung der Anzeige nach §§ 18 und 19 GrEStG unabhängige Anlaufhemmung vorsieht. Das von der Klägerin angeführte Urteil des FG Hamburg vom 18. Juli 2007 3 K 70/07 (EFG 2007, 1978) hatte keinen Bestand. Es wurde durch das BFH-Urteil vom 29. Oktober 2008 II R 9/08 (BFH/NV 2009, 1832) aufgehoben.
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f) Dieses Verständnis des § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG i.V.m. § 181 Abs. 3 Satz 2 AO entspricht den Wertungen, die der Rechtsprechung zur Anlaufhemmung bei der Schenkungsteuer zugrunde liegen. Fordert die Finanzbehörde nach Anzeigeerstattung gemäß § 30 Abs. 1 und 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) die Einreichung einer Schenkungsteuererklärung (§ 31 Abs. 1 ErbStG), endet die Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nach den BFH-Urteilen vom 27. August 2008 II R 36/06 (BFHE 222, 83, BStBl II 2009, 232) und II R 37/06 (BFH/NV 2009, 173) erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Steuerentstehung. Die bloße Erstattung der Anzeige führt noch nicht zu einer endgültigen Beendigung der Anlaufhemmung. Die Schenkungsteuererklärung dient nämlich weiter gehenden Zwecken als die Anzeige nach § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG.
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2. Entgegen der von der Klägerin im Klageverfahren vertretenen Ansicht ergibt sich aus der Neuregelung des Verfahrens bei der Feststellung von Grundbesitzwerten durch Art. 18 JStG 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) nichts anderes. Zum einen ist die Neuregelung gemäß § 158 Abs. 1 BewG i.d.F. des Art. 18 Nr. 9 JStG 2007 (BewG n.F.) erstmals für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2006 anzuwenden und somit im Streitfall nicht maßgeblich. Zum anderen hat sich durch die Neuregelung im vorliegenden Zusammenhang keine Änderung ergeben. Nunmehr ist die Befugnis des für die Feststellung des Grundbesitzwerts zuständigen Finanzamts, von jedermann, für dessen Besteuerung eine gesonderte Feststellung von Bedeutung ist, die Abgabe einer Feststellungserklärung zu verlangen, in § 153 Abs. 1 Satz 1 BewG n.F. vorgesehen. Gemäß § 153 Abs. 5 BewG n.F. ist § 181 Abs. 1 und 5 AO entsprechend anzuwenden. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO ordnet seinerseits die sinngemäße Geltung der Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen an. Dies gilt auch für die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung gemäß §§ 169 ff. AO und damit u.a. für die Regelung in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteil in BFHE 171, 392, BStBl II 1994, 3; BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 7). Steuererklärung i.S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ist gemäß § 181 Abs. 1 Satz 2 AO die Erklärung zur gesonderten Feststellung.
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Ist aufgrund des Verlangens des für die Feststellung zuständigen Finanzamts gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 BewG n.F. eine Feststellungserklärung einzureichen, beginnt somit die Frist für die Feststellung eines Grundbesitzwerts in sinngemäßer Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Feststellungserklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Feststellungsfrist in sinngemäßer Anwendung des § 170 Abs. 1 AO später beginnt. Wenn die Anzeige nach §§ 18 und 19 GrEStG bereits in einem früheren Jahr erstattet worden war, ist dies auch insoweit unerheblich (Hofmann in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 153 BewG Rz 14; Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 153 Rz 25; zur Schenkungsteuer vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 83, BStBl II 2009, 232; Hartmann, a.a.O., § 153 BewG Rz 109 f.).
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3. Die Feststellungsfrist war somit bei Erlass des Feststellungsbescheids vom 5. Januar 2010 noch nicht abgelaufen. Sie beträgt gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre und hat nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, begonnen. Die Steuer ist mit Eintragung der Verschmelzung der I-GmbH in das Handelsregister für den Sitz der Klägerin am 21. Juli 2005 entstanden; denn die Eintragung führte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes zum Übergang der der I-GmbH gehörenden Grundstücke auf die Klägerin und somit zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG (BFH-Urteil vom 29. September 2005 II R 23/04, BFHE 210, 531, BStBl II 2006, 137). Da das FA im Jahr 2009 und somit noch vor dem Ablauf der Frist die Abgabe einer Feststellungserklärung verlangt hat, kam es rückwirkend zu einer Anlaufhemmung von drei Jahren. Der Ablauf der Feststellungsfrist verschob sich somit auf das Ende des Jahres 2012. Der angefochtene Feststellungsbescheid vom 5. Januar 2010 wurde demnach innerhalb der Feststellungsfrist erlassen.
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