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BFH 29.05.2012 - IV B 111/11
BFH 29.05.2012 - IV B 111/11 - Fehlende Klärungsfähigkeit einer konkreten Rechtsfrage, die ihrerseits von der vorgreiflichen Klärung weiterer Rechtsfragen abhängt - Bestimmung des Teilwerts eines Grundstücks bei Vorliegen eines Einheimischen-Modell-Vertrags
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG München, 12. Juli 2011, Az: 2 K 769/08, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Einer Rechtsfrage fehlt es schon deshalb an der Klärungsfähigkeit, wenn sie ihrerseits von der vorgreiflichen Klärung weiterer Rechtsfragen abhängt, die nur den vorliegenden konkreten Einzelfall betreffen.
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2. NV: Der in einem Vertrag nach dem Einheimischen-Modell vereinbarte Ankaufswert ist für die Ermittlung des Teilwerts eines Grundstücks nicht heranzuziehen, wenn alle Beteiligten davon ausgegangen sind, dass das Grundstück nach den einschlägigen Bauvorschriften bereits bebaubar war.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) sind Ehegatten, zu deren Gesamtgut ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gehört. Sie beantragten im April 2000 beim Landratsamt einen baurechtlichen Vorbescheid zur Errichtung von zwei Einfamilienhäusern auf den bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücken Flurstück … (im Weiteren: Grundstücke).
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Das Landratsamt empfahl den Klägern mit Schreiben vom 14. Juni 2000, den Antrag auf Erteilung des Vorbescheids zurückzunehmen, da keine Aussicht auf eine positive Entscheidung bestünde. Das Bauvorhaben sei nicht privilegiert. Es liege im Außenbereich und widerspreche den Darstellungen im Flächennutzungsplan. Gleichzeitig empfahl es den Klägern, sich mit der Gemeinde B zwecks Änderung des Flächennutzungsplans und der Erweiterung des angrenzenden Bebauungsplans H ins Benehmen zu setzen.
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In der bereits zuvor stattgefundenen Gemeinderatssitzung beschloss die Gemeinde B, dass dem Antrag der Kläger auf Erteilung des Vorbescheids unter der Voraussetzung zugestimmt werde, dass der Flächennutzungsplan entsprechend geändert und der Bebauungsplan H entsprechend erweitert werde.
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In der Gemeinderatssitzung vom 13. Juli 2000 leitete die Gemeinde B die Änderung des Flächennutzungsplans und die Erweiterung des Bebauungsplans H ein. Mit Beschluss vom 14. September 2000 wurde die entsprechende Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen. Die Änderung des Flächennutzungsplans und die Erweiterung des Bebauungsplans waren mit der Auflage verbunden, dass über die Grundstücke ein Vertrag mit der Gemeinde B nach dem sog. Einheimischen-Modell abgeschlossen wird.
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Entsprechend diesen Vorgaben schlossen die Kläger mit der Gemeinde B am 13. September 2001 einen Vertrag über die Einräumung eines Ankaufsrechts für die Grundstücke ab (Einheimischen-Modell-Vertrag, im Weiteren: EM-Vertrag). In den einleitenden Erläuterungen zum EM-Vertrag wird unter anderem ausgeführt, dass die Ankaufsrechtsvereinbarung die landesplanerischen Zielvorstellungen der Gemeinde B sichere, wonach eine Baugebietsausweisung nur für den örtlichen Bedarf (Eigenentwicklung) zulässig sei. Im Weiteren verpflichteten sich die Kläger, die Grundstücke nur an Personen zu veräußern, die von der Gemeinde B benannt werden. Für die Erwerber wurde eine Verpflichtung zur Bebauung der Grundstücke nach Maßgabe des Bebauungsplans vereinbart. Zudem räumten die Kläger der Gemeinde B ein durch Vormerkung gemäß § 883 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gesichertes Ankaufsrecht auf die Dauer von 15 Jahren für die Grundstücke nebst darauf errichteter Gebäude ein, das sich bei Verkauf bis zum Ablauf von zehn Jahren um weitere 15 Jahre verlängern sollte. Das Ankaufsrecht kann nach dem EM-Vertrag unter anderem ausgeübt werden, wenn die Grundstücke an Personen verkauft werden, die nicht die im Vertrag im Einzelnen benannten Kriterien (z.B. mindestens zehnjährige Ortsansässigkeit und deutsche Staatsangehörigkeit) erfüllen, oder wenn die Grundstücke zu einem Kaufpreis von höher als 160 DM/m2 verkauft werden. Der Kaufpreis bei Ausübung des Ankaufsrechts wurde in Anlehnung an diese Klausel ebenfalls auf 160 DM/m2 festgelegt. Die Ausübung des Ankaufsrechts ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Grundstücke von dem Grundstückseigentümer an den Ehegatten, an einen Abkömmling und/oder dessen Ehegatten veräußert werden.
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In dem am 1. März 2002 in Kraft getretenen Bebauungsplan, der die Grundstücke sowie ein angrenzendes Nachbargrundstück umfasste, wurden die Flächen als allgemeines Wohnbaugebiet ausgewiesen.
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Mit notariellem Vertrag vom 7. Mai 2002 übertrugen die Kläger die Grundstücke unentgeltlich an zwei ihrer Kinder.
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Die Kläger erfassten den Entnahmewert der Grundstücke mit einem Bodenwert von 160 DM/m².
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Demgegenüber ging der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) in den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2001 und 2002 von einem Entnahmewert für die Grundstücke von 210 €/m² bzw. 220 €/m² aus.
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Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich das FA mit der vorliegenden Beschwerde.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist teils unzulässig, teils jedenfalls unbegründet, so dass sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Oktober 2010 VI B 91/10, BFH/NV 2011, 280, m.w.N.).
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1. Soweit das FA wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) eine höchstrichterliche Entscheidung für erforderlich hält, genügt die Beschwerde den Darlegungsanforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht.
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a) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten abstrakten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Die Bedeutung der Rechtsfrage darf sich aber nicht nur auf den konkreten Einzelfall erstrecken, sondern muss eine Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen. Der Beschwerdeführer muss sich im Rahmen der Darlegung insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (BFH-Beschluss vom 30. Januar 2008 V B 57/07, BFH/NV 2008, 611). Zudem sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837, und vom 22. Januar 2008 X B 185/07, BFH/NV 2008, 603).
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b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Insoweit fehlt es bereits an der Darlegung einer hinreichend bestimmten und klärbaren Rechtsfrage, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle haben könnte.
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aa) Das FA hält die Rechtsfragen für grundsätzlich bedeutsam,
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(1) ob bei der Ermittlung des im Entnahme-Zeitpunkt eines Wirtschaftsguts anzusetzenden Teilwertes vor der Entnahme vorgenommene, vertraglich eingegangene Beschränkungen der Verkehrsfähigkeit dieses Wirtschaftsguts wertmindernd auch dann zu berücksichtigen sind, wenn die wertmindernde Maßnahme willkürlich und vorsätzlich getroffen worden ist (wobei die Aussage der willkürlich und vorsätzlich getroffenen Maßnahme nach Auffassung des FA auch den Fall einschließt, dass diese Maßnahme im Hinblick auf die beabsichtigte Verwendung des Wirtschaftsguts nach dessen Entnahme und damit aus privater Veranlassung und freiwillig getroffen worden ist) und --bejahendenfalls--
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(2) ob es ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 der Abgabenordnung ist, wenn eine Gemeinde und ein Land- und Forstwirt über zwei zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücke, für die bereits ohne Bebauungsplan ein Baurecht besteht, einen Vertrag mit Beschränkungen nach dem Einheimischen-Modell abschließen und anschließend die Gemeinde im Wesentlichen nur hinsichtlich dieser beiden Grundstücke einen Bebauungsplan erstellt und der Land- und Forstwirt im Anschluss die Grundstücke zum Zweck der Bebauung durch seine Kinder entnimmt.
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bb) Den so formulierten Rechtsfragen fehlt es schon deshalb an der Klärungsfähigkeit, weil sie ihrerseits von der vorgreiflichen Klärung weiterer Rechtsfragen abhängen, die nur den vorliegenden konkreten Einzelfall betreffen. Zudem basieren die vom FA aufgeworfenen Rechtsfragen auf der Annahme von Tatsachen, die das Finanzgericht (FG) nicht festgestellt hat und gegen deren Nichtfeststellung keine zulässige und begründete Verfahrensrüge erhoben worden ist.
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So geht das FA in der unter (1) aufgeworfenen Rechtsfrage davon aus, dass die wertmindernde Maßnahme --gemeint ist ersichtlich der Abschluss des EM-Vertrags-- willkürlich und vorsätzlich getroffen worden sei. Dass der Vertragsabschluss willkürlich erfolgt ist, hat das FG weder seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt, noch hat es dazu entsprechende Feststellungen getroffen. Die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage wäre daher nur dann in einem Revisionsverfahren klärungsfähig, wenn seine Rechtsauffassung zum Vorliegen der Willkür zutreffend wäre. Die Rechtsfrage, ob ein willkürliches Verhalten der Kläger vorliegt, bezieht sich aber ersichtlich nur auf den konkreten Streitfall. Es ist daher nicht zu erkennen, inwieweit deren Klärung über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben könnte.
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Gleiches gilt für die unter (2) aufgeworfene Rechtsfrage. Diesbezüglich unterstellt das FA, dass die Grundstücke bereits ohne Bebauungsplan bebaubar waren, es mithin des Abschlusses des EM-Vertrags mit der Gemeinde nicht bedurft hätte. Auf die Bebaubarkeit des Grundstücks kam es indes nach der Lösung des FG nicht an, weshalb es auch diesbezüglich keinerlei Feststellungen getroffen hat. In Bezug auf die Feststellung dieses Sachverhaltes sind auch keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden. Letztlich kommt der Frage der Bebaubarkeit eines konkreten Grundstücks ebenfalls keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
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cc) Im Übrigen weist der Senat angesichts der Besonderheiten des Streitfalls darauf hin, dass nach seiner Auffassung der Teilwert des entnommenen Grundstücks unter Außerachtlassung der im EM-Vertrag genannten Verkaufs- bzw. Ankaufswerte zu bestimmen wäre, wenn nach dem vom FG tatsächlich festgestellten Sachverhalt feststünde, dass
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das entnommene Grundstück nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften auch ohne Abschluss des EM-Vertrags bereits bebaubar war (was im Streitfall nach den in Bezug genommenen Bebauungsplänen nahe liegt), und
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die Kläger sowie die zuständige Baugenehmigungsbehörde davon auch sicher ausgegangen sind, und
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sich die Kläger in der Annahme eines bestehenden Baurechts und im Zusammenwirken mit der Gemeinde gleichwohl zu dem Abschluss des EM-Vertrags entschlossen haben, und
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beide Vertragsbeteiligten davon ausgegangen sind, dass das Ankaufs- bzw. Vorkaufsrecht de facto nicht ausgeübt wird oder --wie im Streitfall-- nach den Vertragsbedingungen bei der beabsichtigten Übertragung des Grundstücks an nahe Angehörige ohnehin nicht ausgeübt werden kann.
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Hier hat das FG aber insbesondere zu einem Zusammenwirken zwischen den Klägern, der Baugenehmigungsbehörde und der Gemeinde B keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Auch hat das FA diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben.
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2. Die vom FA gerügte Abweichung der Vorentscheidung von den Urteilen des FG München vom 15. Dezember 2003 2 K 4189/02 und vom 19. September 2005 2 K 1592/05 liegt nicht vor, weil es an dem gleichen bzw. vergleichbaren festgestellten Sachverhalt fehlt. Den beiden Divergenzentscheidungen liegt jeweils die Feststellung des FG zu Grunde, dass das dort streitgegenständliche Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des EM-Vertrags bereits nach den öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften bebaubar war. Feststellungen zu der Bebaubarkeit des Grundstücks in dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit der Gemeinde hat das FG im Streitfall jedoch nicht getroffen.
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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
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