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BFH 13.01.2011 - VI R 64/09
BFH 13.01.2011 - VI R 64/09 - Keine Bindungswirkung der Anrufungsauskunft für das Veranlagungsverfahren - keine Beschränkung des Vorbehalts der Nachprüfung durch Hinweise zu fehlenden Unterlagen - Prinzip der Abschnittsbesteuerung - Lohnsteuerabzugsverfahren als Vorauszahlungsverfahren
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 164 Abs 2 AO, § 165 AO, § 76 FGO, § 42d Abs 3 S 4 EStG 2002, § 42e EStG 2002
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 5. November 2009, Az: 11 K 1577/09 E, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Der Inhalt einer im Lohnsteuerabzugsverfahren dem Arbeitgeber erteilten Anrufungsauskunft bindet die Wohnsitzfinanzämter bei der Einkommensteuerveranlagung der Arbeitnehmer nicht.
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2. NV: Die Beschränkung der Arbeitnehmer-Haftung im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG steht der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im Veranlagungsverfahren nicht entgegen.
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3. NV: Der Umfang des Vorbehalts der Nachprüfung ist nicht deswegen eingeschränkt, weil das FA in den Erläuterungen zum Bescheid auf fehlende Unterlagen hinweist.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Angestellter der A-GmbH. Er wurde im Streitjahr 2006 zusammen mit seiner Ehefrau (Klägerin und Revisionsklägerin --Klägerin--) zur Einkommensteuer veranlagt. Der Einkommensteuerbescheid für 2006 wurde am 4. April 2007 erklärungsgemäß erlassen. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--). In den Erläuterungen bat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) um Stellungnahme zur Höhe der gewerblichen Einkünfte der Klägerin.
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Die A-GmbH war zunächst Mitglied der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt X. Mit der Mitgliedschaft verfolgte sie den Zweck, ihren Arbeitnehmern beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen zusätzlichen Versorgungsanspruch zu verschaffen. Entsprechend einer am 10. Januar 2001 abgeschlossenen Vereinbarung übernahm die Zusatzversorgungskasse Y (YZVK) das Vermögen der ZVK. Die bisherigen Mitglieder der ZVK wurden mit Wirkung ab 1. Januar 2001 Mitglieder der YZVK. Sie hatten an die YZVK zum Ausgleich der mit der Übernahme für die YZVK verbundenen Nachteile eine Ausgleichszahlung zu leisten. Der Nachteilsausgleich belief sich für die A-GmbH auf 49 Mio. DM. Der Betrag war ab 2001 in 15 gleichen Raten zu zahlen. Die A-GmbH behandelte die Zahlungen des Nachteilsausgleichs als erhöhte Umlage und erhob die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz gemäß § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Soweit die Zahlungen die Pauschalierungsgrenze überstiegen, unterwarf die A-GmbH die entsprechenden Beträge dem Regelbesteuerungsverfahren.
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Im Anschluss an die Entscheidung des Senats vom 14. September 2005 VI R 148/98 (BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532) teilte die A-GmbH dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 mit, dass sie eine "Stornierung der zu Unrecht versteuerten geldwerten Vorteile aus Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 - 2005" beabsichtige. Sie beantragte eine Auskunft gemäß § 42e EStG beim Betriebsstättenfinanzamt in der Weise, sämtliche zu Unrecht versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen im laufenden Lohnzahlungszeitraum in Form negativer Einnahmen korrigieren zu dürfen. Diesem Antrag entsprach das zuständige Finanzamt im Juni 2006. Die A-GmbH machte in der Lohnabrechnung für September 2006 von der Zusage Gebrauch und verrechnete die laufenden Bruttoarbeitslöhne ihrer Mitarbeiter mit negativen Einnahmen im Umfang der jeweils auf die Nachteilsausgleichszahlungen abgeführten Lohnsteuer. Im September 2006 wurde diese Anrufungsauskunft widerrufen. Die dagegen von der A-GmbH erhobene Klage war letztlich erfolgreich (BFH-Urteil vom 2. September 2010 VI R 3/09, BFHE 230, 500) und der Widerruf der Anrufungsauskunft wurde aufgehoben.
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Im November 2008 erhielt das FA eine Kontrollmitteilung der Zentralen Außenprüfungsstelle Lohnsteuer (ZALST). Die ZALST informierte das FA darüber, dass die A-GmbH als Arbeitgeberin des Klägers im Lohnzeitraum September 2006 den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 1.925,90 € gemindert hat. Die A-GmbH sei von negativen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in dieser Höhe ausgegangen. Allerdings entspreche dieser Betrag der Summe, welche die A-GmbH für den Kläger in den Jahren 2001 bis 2005 zu Unrecht als Arbeitslohn erfasst habe.
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Das FA erließ am 16. Dezember 2008 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2006 für die Kläger und erhöhte den Bruttoarbeitslohn des Klägers um 1.925,90 €.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
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Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Die Kläger beantragen,
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1. das Urteil des FG Düsseldorf, ergangen aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5. November 2009 unter dem Az. 11 K 1577/09 E, aufzuheben,
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2. den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 16. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. März 2009 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
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1. a) Die im Schriftsatz der Kläger vom 18. Februar 2010 erhobene Rüge, das FG habe den Sachverhalt im Hinblick auf den Vorbehalt der Nachprüfung und dessen Reichweite nicht ausreichend ermittelt, führt nicht zum Erfolg. Das FG ist dieser aus § 76 FGO folgenden Pflicht hinreichend nachgekommen. Denn es hat festgestellt, dass der zu ändernde Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand und in den Erläuterungen zum Bescheid das FA um ergänzende Angaben gebeten habe. Es ist weder ersichtlich, dass der Sachverhalt unvollständig ist, noch haben die Kläger in der Revisionsschrift dargetan, in welcher Weise weitere Ermittlungen notwendig gewesen wären. Im Kern wenden sich die Kläger gegen die vom FG vorgenommene rechtliche Würdigung, dass der Vorbehalt der Nachprüfung uneingeschränkt bestehe. Damit wird indes kein Verfahrensfehler, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler gerügt.
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b) Entgegen der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht ist auch ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt worden.
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Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann.
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Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, wenngleich es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Dieses Recht wird auch nicht dadurch verletzt, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten nicht folgt. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt daher nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Das ist hier nicht der Fall.
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2. Zutreffend hat das FG entschieden, dass die vom FA vorgenommene Änderung des Einkommensteuerbescheids der Kläger für 2006 nach § 164 Abs. 2 EStG rechtmäßig war. Nach dieser Vorschrift kann eine Steuerfestsetzung geändert werden, solange der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam besteht.
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a) Zu Recht hat das FG § 164 Abs. 2 AO als Rechtsgrundlage für die Änderung angewendet. Der geänderte Einkommensteuerbescheid der Kläger vom 4. April 2007 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Dieser Vorbehalt war entgegen der Auffassung der Kläger wirksam und nicht eingeschränkt. Die von den Klägern in der Revisionsbegründung angeführte Passage aus den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid bezieht sich eindeutig nur auf die Vorläufigkeit nach § 165 AO. Der Bescheid stand nicht nur unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, sondern war im Hinblick auf anhängige Verfahren auch teilweise vorläufig. Diese Beschränkungen der Vorläufigkeit lassen die Reichweite des Vorbehalts der Nachprüfung unberührt. Auch der Hinweis des FA auf noch beizubringende Unterlagen schränkt den Umfang des Vorbehalts der Nachprüfung nicht ein.
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b) Die vom FA vorgenommene Erhöhung des Bruttoarbeitlohns des Klägers um 1.925,90 € war materiell zutreffend. Die von der A-GmbH vorgenommene Verrechnung des Bruttoarbeitslohns mit negativen Einnahmen in dieser Höhe war rechtswidrig. Der Kläger hatte im Veranlagungsjahr 2006 weder negative Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit noch Werbungskosten. Beide Tatbestände setzen voraus, dass beim Arbeitnehmer Güter abfließen oder Aufwendungen entstehen (Senatsurteile vom 12. November 2009 VI R 20/07, BFHE 227, 435, BStBl II 2010, 845; vom 17. September 2009 VI R 17/08, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299; Senatsbeschluss vom 10. August 2010 VI R 1/08, BFHE 230, 173, BStBl II 2010, 1074). Beim Kläger war dies nach den Feststellungen des FG im Jahr 2006 nicht der Fall.
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Entgegen der Auffassung der Revision ist der tatsächliche Abfluss von Gütern auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Besteuerung der Zusatzbeiträge in den Vorjahren auf fiktiven Einnahmen beruht habe. Die Auffassung der Kläger basiert auf der Annahme, dass zu Unrecht versteuerte Einnahmen bei späterer (besserer) Erkenntnis zu Ausgaben oder negativen Einnahmen desselben Steuerpflichtigen führen müssen. Dies würde ein allgemeines Korrespondenzprinzip voraussetzen, welches eine von Zu- und Abfluss losgelöste Gesamtbetrachtung eines Vorganges ermöglichen müsste. Indes ist ein solches generelles Korrespondenzprinzip dem Einkommensteuergesetz im Allgemeinen (BFH-Urteil vom 26. Februar 2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796) und zur Beurteilung von Arbeitslohn im Besonderen fremd (Senatsbeschluss vom 19. Februar 2004 VI B 146/02, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 560). Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung erfordert eine Jahresbetrachtung. Enthalten Bescheide aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen materielle Fehler, können diese keinesfalls dadurch korrigiert werden, dass in dem nächsten noch offenen Jahr ein weiterer materieller Fehler --als Ausgleich-- bewusst eingearbeitet wird (BFH-Urteil in BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796). Die Abgabenordnung regelt mit ihren Änderungsvorschriften, wann der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor dem Rechtsfrieden einzuräumen ist. Kann eine Änderung bestandskräftiger Bescheide nicht mehr erfolgen, so mag dies unbillig erscheinen. Jedoch rechtfertigt dies keinen neuen materiellen Fehler.
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c) Die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, die der A-GmbH vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt erteilt wurde, steht einer Änderung des bisher falschen Ansatzes des Bruttoarbeitslohns durch das FA nicht entgegen. Denn das FA ist an die Inhalte dieser Anrufungsauskunft nicht gebunden. Die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG, die nach der neueren Senatsrechtsprechung ein feststellender Verwaltungsakt ist (Urteil vom 30. April 2009 VI R 54/07, BFHE 225, 50, BStBl II 2010, 996), bindet ausschließlich das erteilende Betriebsstättenfinanzamt im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens (Senatsurteil vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90, BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166; Senatsbeschluss vom 22. Mai 2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658). Hieran ändert die Qualifikation der Anrufungsauskunft als Verwaltungsakt nichts (vgl. Blümich/Heuermann, § 42e EStG Rz 30, 38). Auch als Verwaltungsakt wird die Anrufungsauskunft ohne Mitwirkung des Wohnsitzfinanzamts erteilt. Hätte der Gesetzgeber eine über das Betriebsstättenfinanzamt hinausgehende Bindungswirkung herbeiführen wollen, dann hätte er entweder die für die Arbeitnehmer zuständigen Wohnsitzfinanzämter in das Verfahren der Anrufungsauskunft einbeziehen oder die Anrufungsauskunft selbst als Grundlagenbescheid ausgestalten müssen. Zudem ist das Lohnsteuerabzugsverfahren ein Vorauszahlungsverfahren (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1), dessen Besonderheiten und Regelungen nicht in das Veranlagungsverfahren hineinwirken (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 38 Rz A 7).
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d) Schließlich steht § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG der Änderung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer für seine Lohnsteuer nur in bestimmten Fällen als Gesamtschuldner neben dem Arbeitgeber in Anspruch genommen werden. Es kann offenbleiben, ob der Kläger vorliegend als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden könnte. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass diese Vorschrift trotz ihres irreführenden Wortlauts keine Auswirkungen auf das Veranlagungsverfahren hat (Urteil vom 17. Mai 1985 VI R 137/82, BFHE 144, 217, BStBl II 1985, 660). Es handelt sich um eine Regelung des Lohnsteuerabzugsverfahrens. Damit gelten die Beschränkungen für eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nur innerhalb dieses Verfahrens. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diesen Grundsatz durchbrechen wollte und die Vorschrift zur gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme des Arbeitnehmers lediglich systematisch unzutreffend eingeordnet hat, sind nicht erkennbar. Daher kann der Arbeitnehmer im Veranlagungsverfahren uneingeschränkt in Anspruch genommen werden.
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e) Zu Recht ging das FG auch davon aus, dass das FA nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben an einer Änderung nach § 164 Abs. 2 AO gehindert war. Der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Steuerrecht anzuwenden ist, kann zwar einer Steuernachforderung und damit auch einer Änderung zu Lasten eines Steuerpflichtigen entgegenstehen. Dies setzt aber voraus, dass die Nachforderung dem vorausgegangenen Verhalten der Verwaltung widerspricht und der Steuerpflichtige im berechtigten Vertrauen auf dieses Verhalten vermögensrechtliche Dispositionen getroffen hat, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen (BFH-Urteile vom 5. Februar 1980 VII R 101/77, BFHE 130, 90; vom 11. August 1972 VI R 262/69, BFHE 107, 127, BStBl II 1973, 35). Solche Dispositionen haben die Kläger nicht getroffen. Sie haben auch keinen Vermögensschaden dadurch erlitten, dass sie nachträglich zu der gesetzlich geschuldeten Steuer herangezogen wurden (Senatsurteil vom 10. Juli 1964 VI 299/63 U, BFHE 80, 314, BStBl III 1964, 587).
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Im Streitfall fehlt es bereits an einem vom FA gesetzten Vertrauenstatbestand. Denn das FA hat nicht zu erkennen gegeben, dass es die Einkommensteuerfestsetzung der Kläger später nicht noch einmal ändern wird. Auch das Verhalten der OFD, die den Sachverhalt nicht aufgeklärt und die Wohnsitzfinanzämter nicht entsprechend informiert hat, begründet keinen Vertrauenstatbestand, auf den sich die Kläger gegenüber dem FA berufen könnten.
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