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BFH 16.12.2010 - V B 66/10
BFH 16.12.2010 - V B 66/10 - (Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Beschluss vom 26.11.2010 V B 59/10 - Keine Korrektur bestandskräftiger Steuerbescheide bei nachträglich erkannter fehlerhafter Richtlinienumsetzung - Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung bei voraussichtlichem Vorabentscheidungsersuchen)
Normen
§ 347 Abs 1 AO, § 172 AO, § 355 Abs 1 S 1 AO, Art 267 AEUV, §§ 172ff AO
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 26. Mai 2010, Az: 14 K 4239/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Es ist geklärt, dass das Unionsrecht bei nachträglich erkannter fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie keine günstigere Behandlung des Steuerpflichtigen im Hinblick auf den Lauf und die Dauer der Einspruchsfrist (§§ 347 Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 1 Satz 1 AO) verlangt .
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2. NV: Es ist geklärt, dass nach den Vorgaben des Unionsrechts ein bestandskräftiger Steuerbescheid bei einer erst nachträglich erkannten fehlerhaften Richtlinienumsetzung nicht unter günstigeren Bedingungen als bei einer Verletzung innerstaatlichen Rechts änderbar sein muss. Das Korrektursystem der §§ 172 ff. AO regelt die Durchsetzung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche abschließend .
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfenen Rechtsfragen zur Auslegung des Unionsrechts sind bereits geklärt.
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a) Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt in Betracht, wenn Auslegungszweifel in Bezug auf das anzuwendende Unionsrecht vorhanden sind und im Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union einzuholen wäre (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. November 2007 IV B 169/06, BFH/NV 2008, 390).
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b) Die Klägerin benennt in den Schriftsätzen zur Beschwerdebegründung vom 26. August 2010 und 27. September 2010 die folgenden --ihrer Ansicht nach auslegungsbedürftigen-- Rechtsfragen.
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aa) Sie hält das Unionsrecht hinsichtlich der Frage für auslegungsbedürftig, ob dem sog. Emmott-Urteil des EuGH (Urteil vom 25. Juli 1991 C-208/90, Emmott, Slg. 1991, I-4269) der Rechtsgrundsatz zu entnehmen sei, dass jemand seine durch das Unionsrecht eingeräumten Rechte nur geltend machen könne, wenn er in der Lage sei, sich von diesen in ausreichender Weise Kenntnis zu verschaffen und ob dies erfordere, dass die Einspruchsfrist (§§ 347 Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--) bei einer fehlerhaften Umsetzung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG durch den Gesetzgeber einer Anlaufhemmung unterliegen müsse, bis der Steuerpflichtige durch ein EuGH-Urteil Kenntnis vom Umsetzungsverstoß erlangen könne.
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bb) Gestützt auf Ausführungen im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. September 2008 2 BvR 1321/07 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2009, 60) hält sie es außerdem für unionsrechtlich klärungsbedürftig, ob bei einer nachträglich erkannten fehlerhaften Richtlinienumsetzung --wie in der bisherigen Rechtsprechung des BFH angenommen (vgl. Entscheidungen vom 23. November 2006 V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436; vom 29. Mai 2008 V R 45/06, BFH/NV 2008, 1889; vom 15. Juni 2009 I B 230/08, BFH/NV 2009, 1779)-- unter Anwendung der sog. "Kühne und Heitz-Rechtsprechung" des EuGH (Urteil vom 13. Januar 2004 C-453/00, Kühne & Heitz, Slg. 2004, I-837) mit dem Unionsrecht vereinbar sei, dass ein bestandskräftiger und der Festsetzungsverjährung unterliegender Steuerbescheid nur geändert werden könne, wenn das deutsche Verfahrensrecht hierfür eine Korrekturvorschrift enthalte und ob ein unionsrechtlicher Änderungsanspruch stets verlange, dass der Steuerpflichtige zuvor erfolglos den Rechtsweg gegen die bestandskräftig gewordene Steuerfestsetzung bis zum Ende beschritten habe.
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cc) Der EuGH müsse schließlich darüber befinden, ob die Regelung in § 172 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d AO, der eine Änderung rechtswidriger bestandskräftiger Steuerbescheide nach § 130 AO ausschließe, den Vorgaben des unionsrechtlichen Effektivitätsprinzips zuwiderlaufe.
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c) Die aufgeworfenen Auslegungsfragen sind jedoch geklärt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf sein Urteil vom 16. September 2010 V R 57/09 (BFHE 230, 504, Deutsches Steuerrecht 2010, 2400; vgl. auch BFH-Entscheidungen vom 9. Juni 2010 X B 41/10, BFH/NV 2010, 1783, und vom 8. Juli 2009 XI R 41/08, BFH/NV 2010, 1).
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2. Eine Zulassung der Revision zur Vermeidung einer drohenden "nachträglichen Divergenz" (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 31. Oktober 2002 IV B 126/01, BFH/NV 2003, 291; Senatsbeschluss vom 26. Juni 2009 V B 34/08, BFH/NV 2009, 2011) kommt nicht in Betracht. Der Senat hat die von der Klägerin angeführten --bei Beschwerdeeinlegung noch anhängigen-- Verfahren mittlerweile entschieden. Damit stimmen die tragenden Rechtssätze des angefochtenen Urteils des Finanzgerichts (FG) überein.
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3. Die Beschwerde ist aufgrund eines Darlegungsmangels (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) unzulässig, soweit die Klägerin geltend macht, dem FG sei ein Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO unterlaufen, weil es den "(klaren) Inhalt der Akten" nicht beachtet habe. Die Klägerin ist der Auffassung, das FG habe seine verfahrensrechtliche Pflicht gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz FGO nicht beachtet, wonach es nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden habe. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verpflichtet das FG zwar, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (Senatsbeschluss vom 8. Juni 2010 V B 6/10, BFH/NV 2010, 1841). Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung genügen jedoch den Darlegungsanforderungen für diesen Verfahrensfehler nicht (vgl. hierzu den Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1841), da die Klägerin nur Gründe vorbringt, warum das FG wegen eines --angeblich-- nicht beschiedenen Einspruchs nicht von der Bestandskraft des Umsatzsteuerbescheids für das Streitjahr 1991 habe ausgehen dürfen. Die Beschwerdebegründung enthält nicht die erforderlichen genauen Angaben, aus welchen Schriftstücken und Seitenzahlen in den Akten sich die wesentlichen Tatumstände (hier: des nicht beschiedenen Einspruchs) ergeben, die das FG nicht berücksichtigt haben soll.
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