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BFH 08.09.2010 - II R 3/10
BFH 08.09.2010 - II R 3/10 - Einheitlicher Erwerbsgegenstand bei Erwerb eines Erbbaurechts mit zu errichtendem Gebäude
Normen
§ 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1983, § 8 GrEStG 1983, § 9 GrEStG 1983
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 25. November 2009, Az: 11 K 1010/05 B, Urteil
Leitsatz
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NV: Es liegt kein einheitlicher Erwerbsgegenstand im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn vor, wenn nicht der Besteller eines Erbbaurechts, sondern ein nicht mit ihm verbundener Dritter zur Bebauung des Grundstücks verpflichtet ist .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR. Gründungsgesellschafterin war u.a. die D.
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Die Klägerin erwarb mit Erbbaurechtsvertrag vom 30. Mai 1995 ein Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück. Sie war gemäß § 2 Abs. 3 des Erbbaurechtsvertrags berechtigt und verpflichtet, auf dem Erbbaugrundstück eine Wohnanlage mit 209 Wohnungen und einer gewerblichen Nutzfläche von ca. 2 000 qm nach Maßgabe einer bereits erteilten Baugenehmigung zu errichten. Der Erbbauzins betrug einmalig 13.220.000 DM.
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Am 4. September 1995 schlossen die Klägerin und die D einen "Geschäftsbesorgungsvertrag (Treuhändervertrag)", einen "Architekten- und Ingenieurvertrag" sowie einen "Vertrag über die wirtschaftliche und technische Baubetreuung". Ferner schloss die Klägerin mit S am 7. November 1995 einen Bauwerkvertrag. S war mit der Erbbaurechtsgeberin/Grundstückseigentümerin personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich nicht verbunden.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm an, es liege hinsichtlich des Erwerbs des Erbbaurechts sowie der Herstellung des Gebäudes ein einheitlicher Erwerbsgegenstand vor, und setzte die Grunderwerbsteuer zuletzt in der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 2004 auf 793.159,88 € fest. Dabei bezog er u.a. die Entgelte aus dem "Geschäftsbesorgungsvertrag (Treuhändervertrag)", dem "Architekten- und Ingenieurvertrag", dem "Vertrag über die wirtschaftliche und technische Baubetreuung" und dem Bauwerkvertrag in die Bemessungsgrundlage mit ein.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die D sei als Initiator der Bebauung der Veräußererseite zuzurechnen und als Geschäftsbesorgerin zur Veränderung des tatsächlichen Grundstückszustands verpflichtet gewesen. Es habe ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Erbbaurechtsvertrag und den Verträgen über die Bebauung des Grundstücks bestanden. Denn es habe ein von der Veräußererseite vorbereitetes Geschehen vorgelegen, das die Klägerin hingenommen habe.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8, § 9 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Die Veräußererseite sei nicht zur Veränderung des tatsächlichen Grundstückszustands verpflichtet gewesen.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 28. August 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 2004 dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 135.185,58 € (264.400 DM) festgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Der Beigeladene hat keinen eigenen Sachantrag gestellt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Herabsetzung der festgesetzten Steuer in dem von der Klägerin beantragten Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass das von der Klägerin erworbene Erbbaurecht einschließlich des von ihr errichteten Gebäudes ein grunderwerbsteuerrechtlich einheitlicher Erwerbsgegenstand ist.
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a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG unterliegt die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Dazu gehören alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück (Erbbaurecht) zu erwerben.
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b) Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde. Ob ein bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags (Erbbaurechtsvertrag) tatsächlich unbebautes Grundstück in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, kann sich (auch) aus einer Mehrheit von Verträgen ergeben, wenn zwischen ihnen ein rechtlicher oder ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise ein bebautes Grundstück erhält. Dies setzt voraus, dass nach den getroffenen Vereinbarungen entweder der Grundstücksveräußerer (Besteller des Erbbaurechts) selbst oder ein mit ihm zusammenwirkender Dritter dem Erwerber gegenüber verpflichtet ist, den tatsächlichen Grundstückszustand zu verändern, d.h. das Grundstück zukünftig in einen bebauten Zustand zu versetzen. Dazu ist neben dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags (Erbbaurechtsvertrag) auch der Abschluss eines Bauvertrags mit der Veräußererseite erforderlich; diese muss zivilrechtlich zur Übereignung und Bebauung verpflichtet sein (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. März 2006 II R 39/04, BFH/NV 2006, 1880, m.w.N.).
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2. Im Streitfall hat sich weder die Bestellerin des Erbbaurechts noch D gegenüber der Klägerin verpflichtet, das Gebäude auf dem Grundstück zu errichten.
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a) Nach dem Inhalt des Erbbaurechtsvertrags vom 30. Mai 1995 schuldete nicht die Erbbaurechtsgeberin/Eigentümerin die Bebauung des Grundstücks. Vielmehr war nach § 2 Abs. 3 dieses Vertrags die Klägerin selbst zur Errichtung des Gebäudes verpflichtet.
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b) Eine Verpflichtung der Veräußererseite zur Errichtung des Gebäudes ergibt sich auch nicht aus den zwischen der Klägerin und D abgeschlossenen Verträgen vom 4. September 1995. Abgesehen davon, dass D als Gesellschafterin der Klägerin der Erwerberseite und nicht der Bestellerin des Erbbaurechts zuzurechnen ist, war D der Klägerin gegenüber auch nicht zur Errichtung des Gebäudes verpflichtet.
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aa) Nach dem "Geschäftsbesorgungsvertrag (Treuhändervertrag)" vom 4. September 1995 war D nicht zur Herstellung des Gebäudes, sondern nur verpflichtet, Baubetreuungsleistungen zu erbringen (vgl. zum Baubetreuungsvertrag MünchKommBGB/Heermann, 5. Aufl., § 675 Rz 94 ff.). Sie sollte gemäß § 4 Nr. 1 des Vertrags lediglich im Namen und für Rechnung der Klägerin u.a. die Gebäude errichten und zur Finanzierung Fremdmittel aufnehmen. Dementsprechend war D verpflichtet, Angebote für die Durchführung und Finanzierung der Bauvorhaben vorzulegen (§ 3 Nr. 1 Satz 2 des Vertrags) und ferner beauftragt und bevollmächtigt, nach Maßgabe der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung die geeigneten Bau-, Finanzierungs- und Dienstleistungsverträge abzuschließen. Dementsprechend hat die Klägerin der D die Baubetreuung und nicht die Herstellung des Gebäudes vergütet. Denn die Vergütung der D betrug für die Bauerrichtungsphase gemäß § 10 des Vertrags 1.900.000 DM und war damit wesentlich niedriger als die Herstellungskosten des Gebäudes. Schließlich ist D bei Abschluss des Bauwerkvertrags vom 7. November 1995 lediglich als Geschäftsbesorger der Klägerin aufgetreten.
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bb) Ebenso wenig war D aufgrund des "Architekten- und Ingenieurvertrags" vom 4. September 1995 oder des "Vertrags über die wirtschaftliche und technische Baubetreuung" zur Errichtung des Gebäudes verpflichtet. Die nach § 3 des "Architekten- und Ingenieurvertrags" sowie nach § 3 Buchst. a des "Vertrags über die wirtschaftliche und technische Baubetreuung" geschuldeten Leistungen dienten zwar der Herstellung des Gebäudes auf dem mit dem Erbbaurecht der Klägerin belasteten Grundstück, verpflichteten die D aber nicht zur Errichtung des Gebäudes. Deren Leistungspflichten beschränkten sich vielmehr auf die Bauplanung und die kaufmännische und technische Baubetreuung.
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c) Soweit das FG zur Begründung seiner Entscheidung auf die BFH-Urteile vom 28. Oktober 1998 II R 36/96 (BFH/NV 1999, 667) sowie vom 4. September 1996 II R 62/94 (BFH/NV 1997, 308) verweist, ergibt sich daraus kein anderes Ergebnis. Diese Entscheidungen sind nämlich zu der Frage ergangen, unter welchen Voraussetzungen ein einheitliches Angebot der Veräußererseite vorliegt und wann ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Bauvertrag besteht. Auf die Frage, ob das Grundstück (Erbbaurecht) sowie Dienstleistungen von der Veräußererseite einheitlich angeboten wurden, kommt es jedoch beim Fehlen einer Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite ebenso wenig an wie darauf, ob die Verträge in einem objektiven engen sachlichen Zusammenhang stehen und der Erwerber bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich der konkreten Bebauung des Grundstücks rechtlich oder auch nur wirtschaftlich gebunden war (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 2004 II R 12/03, BFHE 208, 51, BStBl II 2005, 220, unter II.1.a).
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3. Die Errichtung des Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück stellt keine Gegenleistung der Klägerin für die Bestellung des Erbbaurechts dar.
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a) Nach dem BFH-Urteil vom 23. Oktober 2002 II R 81/00 (BFHE 200, 416, BStBl II 2003, 199) kommen die Verwendungen auf das Erbbaugrundstück regelmäßig dem Erbbauberechtigten dauerhaft zugute, wenn sich der Erbbauberechtigte in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag zur Errichtung eines bestimmten Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück sowie zu dessen ordnungsgemäßer Unterhaltung über die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts verpflichtet und er bei Erlöschen des Erbbaurechts vom Grundstückseigentümer eine Entschädigung für das Gebäude in Höhe des Verkehrswerts erhält. In der Gebäudeherstellungsverpflichtung liegt deshalb regelmäßig keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts.
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b) Danach war die Errichtung des Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück keine Gegenleistung der Klägerin für die Bestellung des Erbbaurechts. Die Errichtung des Gebäudes kam der Klägerin zugute. Denn diese hat gemäß § 10 des Erbbaurechtsvertrags bei Erlöschen des Erbbaurechts einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts der baulichen Anlagen im Zeitpunkt des Erlöschens des Erbbaurechts.
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4. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Auf die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen braucht danach nicht eingegangen zu werden (BFH-Urteil vom 1. Juli 2008 II R 71/06, BFHE 222, 63, BStBl II 2008, 874, unter II.2.b dd).
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5. Die Sache ist spruchreif. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 28. August 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das FA in die Bemessungsgrundlage auch die Herstellungskosten des Gebäudes einbezogen hat. Der angefochtene Bescheid ist gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von 13.220.000 DM (6.759.278,66 €) auf 264.400 DM (135.185,58 €) festgesetzt wird.
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