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BFH 29.06.2010 - VII R 31/09
BFH 29.06.2010 - VII R 31/09 - Vorlage an den EuGH: Nachträgliche Überprüfung von Präferenznachweisen - Vertrauensschutz des Importeurs bei nicht feststellbarem Warenursprung
Normen
Art 220 Abs 2 Buchst b ZK, Art 220 Abs 2 Buchst b EWGV 2913/92, Art 32 AKP/EGPartAbkProt 1
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 6. November 2008, Az: 4 K 214/06, Urteil
nachgehend EuGH, 15. Dezember 2011, Az: C-409/10, Urteil
nachgehend BFH, 24. April 2012, Az: VII R 31/09, Urteil
Leitsatz
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NV: 1. Steht es in Übereinstimmung mit Art. 32 des Protokolls Nr. 1 über die Bestimmung des Begriffs "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft andererseits, wenn die Europäische Kommission die nachträgliche Prüfung erteilter Ursprungsnachweise im Ausfuhrland im Wesentlichen selbst, wenn auch mit Unterstützung der dortigen Behörden, vornimmt, und handelt es sich um ein Prüfungsergebnis im Sinne dieser Vorschrift, wenn die auf diese Weise gewonnenen Prüfungsergebnisse der Kommission in einem Protokoll festgehalten werden, das von einem Vertreter der Regierung des Ausfuhrlands mit unterzeichnet wird?
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2. Falls die erste Frage zu bejahen ist:
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Kann in einem dem Ausgangsverfahren entsprechenden Fall, in dem in einem bestimmten Zeitraum erteilte Präferenznachweise vom Ausfuhrland für ungültig erklärt worden sind, weil sich der Warenursprung aufgrund einer nachträglichen Prüfung nicht hat bestätigen lassen, allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, dass einige Ausfuhrwaren die Ursprungsvoraussetzungen erfüllten, der Abgabenschuldner unter Berufung auf Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 und 3 des Zollkodex Vertrauensschutz unter Hinweis darauf geltend machen, dass die in seinem Fall vorgelegten Präferenzbescheinigungen möglicherweise richtig waren und somit auf einer richtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruhten ff.?
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) gehört zu einer Firmengruppe mit Hauptsitz in Hongkong, die auf Jamaika Unternehmen gegründet hat, in denen aus Vormaterialien mit Ursprung in der Volksrepublik China (China) Textilien hergestellt und in die Gemeinschaft ausgeführt werden. Von der zu diesen Unternehmen gehörenden Fa. X bezog die Klägerin im Jahr 2002 mehrere Sendungen Textilien, welche sie unter Angabe des Ursprungslands Jamaika und Vorlage entsprechender Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 zum Zollsatz "frei" gemäß dem Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (AKP-EG-Partnerschaftsabkommen), unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 317/3), in den freien Verkehr der Gemeinschaft überführen ließ.
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Im Rahmen einer durch den Verdacht auf Unregelmäßigkeiten veranlassten Missionsreise der Kommission (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung --OLAF--) nach Jamaika im März 2005 wurden alle im Zeitraum 2002 bis 2004 ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass die jamaikanischen Ausführer (darunter die Fa. X) gegen die Bestimmungen des AKP-EG-Partnerschaftsabkommens verstoßen hätten, weil die ausgeführten Erzeugnisse nicht --wie es die Ursprungsvoraussetzungen erfordern-- ausschließlich aus Garn chinesischen Ursprungs, sondern die meisten oder alle in die Gemeinschaft ausgeführten Waren entweder aus fertigen Wirk-/ Strickteilen aus China hergestellt worden oder Reexporte aus China stammender fertiger Textilien gewesen seien. In Anbetracht geringer Garnlieferungen aus China hätten zwar einige der in die Gemeinschaft ausgeführten Waren aus diesen Garnen hergestellt worden sein können; die genaue Menge der so gefertigten Erzeugnisse habe aber von den Ausführern nicht nachgewiesen werden können. Die jamaikanischen Ausführer hätten mit ihren Anträgen auf Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 falsche Erklärungen über den Ursprung der in die Gemeinschaft exportierten Waren abgegeben, was wegen der professionellen Weise der Verschleierung des Warenursprungs für die jamaikanischen Behörden nur schwer aufzudecken gewesen sei. Die jamaikanische Zollverwaltung habe daraus geschlossen, dass die ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen zwar echt, aber hinsichtlich des bescheinigten Warenursprungs nicht korrekt und deshalb ungültig seien. Ihr habe aber seitens des Untersuchungsteams bestätigt werden können, dass sie in gutem Glauben und mit gebührender Sorgfalt gehandelt habe.
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Über die Feststellungen der Mission und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen wurde unter dem 23. März 2005 ein Protokoll verfasst, das von den Missionsteilnehmern sowie für die jamaikanische Regierung vom ständigen Sekretär des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel unterzeichnet wurde.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) erhob den auf die Einfuhrsendungen entfallenden Zoll nach. Auf die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob die Vorinstanz den Abgabenbescheid auf und urteilte, dass die für die Einfuhrsendungen vorgelegten Warenverkehrsbescheinigungen nicht wirksam für ungültig erklärt worden seien. Die getroffenen Feststellungen, die zur Nacherhebung geführt hätten, beruhten nicht --wie es das zum AKP-EG-Partnerschaftsabkommen gehörende Protokoll Nr. 1 (Protokoll Nr. 1) über die Bestimmung des Begriffs "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (ABlEG Nr. L 317/94) vorsehe-- auf einem an die jamaikanische Zollverwaltung gerichteten Nachprüfungsersuchen und auf ihren Ermittlungen, sondern auf Ermittlungen der Gemeinschaftsmission. Dementsprechend gebe es keine Mitteilung der jamaikanischen Zollbehörden über das Ergebnis der Überprüfung der Ursprungsnachweise. Die Klägerin könne sich jedenfalls auf Vertrauensschutz berufen, da sich den Ermittlungsergebnissen der Mission nicht entnehmen lasse, dass die unzutreffenden Warenverkehrsbescheinigungen auf falschen Angaben seitens der Ausführer beruhten.
Entscheidungsgründe
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II. Der Senat setzt das Verfahren aus (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor, weil die Auslegung der für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts Zweifelsfragen aufwirft:
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1. Steht es in Übereinstimmung mit Art. 32 des Protokolls Nr. 1 über die Bestimmung des Begriffs "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen des Partnerschaftsabkommens zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft andererseits, wenn die Europäische Kommission die nachträgliche Prüfung erteilter Ursprungsnachweise im Ausfuhrland im Wesentlichen selbst, wenn auch mit Unterstützung der dortigen Behörden, vornimmt, und handelt es sich um ein Prüfungsergebnis im Sinne dieser Vorschrift, wenn die auf diese Weise gewonnenen Prüfungsergebnisse der Kommission in einem Protokoll festgehalten werden, das von einem Vertreter der Regierung des Ausfuhrlands mit unterzeichnet wird?
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2. Falls die Frage a) zu bejahen ist:
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Kann in einem dem Ausgangsverfahren entsprechenden Fall, in dem in einem bestimmten Zeitraum erteilte Präferenznachweise vom Ausfuhrland für ungültig erklärt worden sind, weil sich der Warenursprung aufgrund einer nachträglichen Prüfung nicht hat bestätigen lassen, allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, dass einige Ausfuhrwaren die Ursprungsvoraussetzungen erfüllten, der Abgabenschuldner unter Berufung auf Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 und 3 des Zollkodex Vertrauensschutz unter Hinweis darauf geltend machen, dass die in seinem Fall vorgelegten Präferenzbescheinigungen möglicherweise richtig waren und somit auf einer richtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruhten?
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III. 1. Zur ersten Vorlagefrage:
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Die Vorinstanz hat die Ansicht vertreten, dass die fraglichen Warenverkehrsbescheinigungen nicht als ungültig anzusehen seien, weil das Ergebnis ihrer nachträglichen Überprüfung nicht --wie durch Art. 32 Protokoll Nr. 1 vorgeschrieben-- auf einem an die jamaikanische Zollverwaltung gerichteten Nachprüfungsersuchen und deren Ermittlungen, sondern auf Ermittlungen der Gemeinschaftsmission (OLAF) beruhe. Das Protokoll vom 23. März 2005 sei unter dem Briefkopf der Europäischen Kommission erstellt und mit "Schlussfolgerungen der Kontrollmission" überschrieben; es handele sich also nicht um Schlussfolgerungen der jamaikanischen Regierung, auch wenn es von einem Sekretär des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel mit unterzeichnet worden sei.
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Demgegenüber neigt der erkennende Senat dazu, die nachträgliche Überprüfung der in Jamaika ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen und das gefundene Prüfungsergebnis als mit Art. 32 Protokoll Nr. 1 in Übereinstimmung stehend anzusehen. Wenn es in jenem Protokoll wörtlich heißt: "Das Jamaica Customs Department zieht deshalb den Schluss, dass die seit dem 1. Januar 2002 bis heute ausgegebenen Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 bezüglich der Sendungen, die Gegenstand dieser Ermittlungen sind, zwar echt, aber trotzdem bezüglich des Warenursprungs der betroffenen Waren unkorrekt und demzufolge ungültig sind" und wenn jenes Protokoll und somit diese Schlussfolgerung von dem hierfür von der jamaikanischen Regierung beauftragten Sekretär unterzeichnet ist, so stellt es eine Erklärung auch des Ausfuhrlands Jamaika und nicht lediglich eine Erklärung der Kommission dar und damit zugleich die Mitteilung des Prüfungsergebnisses i.S. des Art. 32 Abs. 5 Satz 1 Protokoll Nr. 1.
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Auch gegen das Zustandekommen dieses Prüfungsergebnisses dürfte sich nichts aus Art. 32 Protokoll Nr. 1 herleiten lassen. Untersuchungen, ob die Bestimmungen des Protokolls Nr. 1 eingehalten worden sind, kann das Ausfuhrland von sich aus oder auf Ersuchen der Gemeinschaft durchführen (Art. 32 Abs. 7 Protokoll Nr. 1). Auch von der Kommission (OLAF) kann ein solches Ersuchen ausgehen (vgl. EuGH-Urteile vom 14. Mai 1996 C-153/94 und C-204/94 --Faroe Seafood u.a.--, Slg. 1996, I-2465; und vom 1. Juli 2010 C-442/08 --Kommission/ Deutschland-- Rz 82). Die gemeinschaftliche Mission nach Jamaika wurde von OLAF zur Koordinierung der in neun Mitgliedsstaaten begonnenen Ermittlungen wegen Unregelmäßigkeiten auf Einladung des jamaikanischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und auswärtigen Handel im Rahmen der verwaltungsrechtlichen und ermittlungstechnischen Zusammenarbeit unternommen. In entsprechenden Anfragen seitens der Kommission, die der Einladung des jamaikanischen Ministeriums zweifellos vorangegangen sind, und an die jamaikanische Zollverwaltung gerichteten Bitten um Unterstützung bei der Untersuchung ist das --von der Vorinstanz vermisste-- Nachprüfungsersuchen i.S. des Art. 32 Abs. 2 Protokoll Nr. 1 zu sehen.
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Ebenso wenig dürfte gegen eine wirksame Ungültigerklärung der betroffenen Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 durch die jamaikanischen Behörden sprechen, dass die Ermittlungen im Wesentlichen durch die Kommission (OLAF) geführt und die jamaikanische Zollverwaltung hierbei lediglich Unterstützung geleistet hat. Art. 32 Abs. 3 Protokoll Nr. 1, demzufolge die Prüfung von den Zollbehörden des Ausfuhrlands durchgeführt wird, schreibt den Behörden des Ausfuhrlands nicht vor, dass sie erteilte Warenverkehrsbescheinigungen ausschließlich selbst ohne fremde Mitwirkung nachträglich zu prüfen oder in welcher Weise sie sonst die Prüfung durchzuführen haben. Vielmehr ist in Art. 32 Abs. 7 letzter Halbsatz Protokoll Nr. 1 sogar ausdrücklich vorgesehen, dass der betreffende AKP-Staat die Gemeinschaft um Mitwirkung an den Untersuchungen ersuchen kann. Es scheint daher nichts dagegen zu sprechen, dass sich die Zollverwaltung des Ausfuhrlands, auch wenn sie bei den nachträglichen Prüfungen der Präferenznachweise nur Unterstützung geleistet hat, die als Untersuchungsergebnis getroffenen Feststellungen und die hieraus gezogenen Schlussfolgerungen, wenn sie diese für zutreffend hält, zu eigen macht und das Ergebnis in der Form eines gemeinsamen Protokolls der Nachprüfung gemäß Art. 32 Abs. 5 Protokoll Nr. 1 mitteilt.
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Gleichwohl sieht der erkennende Senat ausreichend Gründe, den EuGH um Vorabentscheidung über die seitens der Vorinstanz aufgeworfenen Zweifelsfragen zu ersuchen, zumal die Frage der beweisrechtlichen Verwertbarkeit von Reiseberichten des OLAF in der deutschen zollrechtlichen Literatur kontrovers diskutiert wird (vgl. Gellert, Gerichtliche Verwertbarkeit von Protokollen und Missionsberichten des OLAF, Außenwirtschaftliche Praxis --AW-Prax-- 2009, 85; Schrömbges, Nachträgliche Überprüfung von EUR.1 durch OLAF, AW-Prax 2009, 89).
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2. Zur zweiten Vorlagefrage:
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a) Für den Fall, dass die erste Frage zu bejahen ist und die Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 aufgrund einer den Vorschriften des Protokolls Nr. 1 entsprechenden nachträglichen Prüfung für ungültig erklärt worden sind, sieht der erkennende Senat die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex --ZK--) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1), demzufolge gesetzlich geschuldete, jedoch buchmäßig nicht erfasste Einfuhrabgaben nachzuerheben sind, als erfüllt an.
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Der Senat folgt jedoch nicht der Ansicht der Vorinstanz, dass sich das Ergebnis der nachträglichen Prüfung nicht auf konkrete Warenverkehrsbescheinigungen, somit auch nicht auf die für die Einfuhren der Klägerin erteilten, beziehe, weil eine gewisse, wenn auch geringe Menge Garn chinesischen Ursprungs in Jamaika verarbeitet worden sei, so dass es zumindest möglich sei, dass die im Streitfall von der Klägerin eingeführten Waren die Ursprungsvoraussetzungen erfüllt hätten. Denn nach dem EuGH-Urteil vom 9. März 2006 C-293/04 --Beemsterboer-- (Slg. 2006, I-2263, Rz 34, 35, m.w.N.) ist eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 bereits dann eine unrichtige Bescheinigung, wenn der in der Bescheinigung angegebene Warenursprung aufgrund einer nachträglichen Prüfung nicht bestätigt werden kann, denn daraus ist zu schließen, dass die Ware unbekannten Ursprungs ist, die Bescheinigung zu Unrecht ausgestellt und der Vorzugstarif somit zu Unrecht gewährt wurde. So verhält es sich im Streitfall, weil nach dem Protokoll vom 23. März 2005 die aus den wenigen Garnlieferungen in die jamaikanischen Freizonen hergestellten und anschließend ausgeführten Erzeugnisse nicht ermittelt werden konnten. Da somit die nachträgliche Überprüfung im Ausfuhrland die Richtigkeit der in einem bestimmten Zeitraum für Wirk- und Strickwaren ausgestellten Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 nicht bestätigen konnte, waren, wie geschehen, sämtliche Warenverkehrsbescheinigungen dieses Zeitraums für ungültig zu erklären (vgl. zur Nacherhebung aufgrund eines Widerrufs sämtlicher Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 eines Zeitraums: EuGH-Beschluss vom 1. Oktober 2009 C-552/08 P --Agrar-Invest-Tatschl--, Amtsblatt der Europäischen Union 2010 Nr. C 11/11).
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Dieses im Rahmen einer Prüfung gemäß Art. 32 Protokoll Nr. 1 gefundene Ergebnis der Behörden des Ausfuhrlands haben die Zollbehörden des Einfuhrlands im Rahmen der durch das Partnerschaftsabkommen geregelten Kompetenzverteilung und der Zusammenarbeit der Verwaltungen anzuerkennen und ihren weiteren zollrechtlichen Maßnahmen zugrunde zu legen, was grundsätzlich die Nacherhebung der bei der Einfuhr nicht gezahlten Zölle durch das Einfuhrland bedeutet (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 1993 C-12/92 --Huygen u.a.--, Slg. 1993, I-6381). Denn das im Rahmen von Präferenzabkommen der vorliegenden Art festgelegte System der Aufgabenverteilung zwischen den Verwaltungen des Einfuhr- und des Ausfuhrlands kann nur funktionieren, wenn die Zollverwaltung des Einfuhrlands die von den Behörden des Ausfuhrlands rechtmäßig vorgenommenen Beurteilungen anerkennt und an die von diesen Behörden rechtmäßig vorgenommene Beurteilung gebunden ist (vgl. EuGH-Urteile vom 17. Juli 1997 C-97/95 --Pascoal & Filhos--, Slg. 1997, I-4209; vom 9. Februar 2006 C-23 bis C-25/04 --Sfakianakis--, Slg. 2006, I-1265; und Urteil Kommission/Deutschland, Rz 70 bis 74).
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b) Der Ansicht der Vorinstanz, dass sich die Klägerin jedenfalls auf Vertrauensschutz gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK berufen könne, da sich den Ermittlungsergebnissen der Mission nicht entnehmen lasse, dass die unzutreffenden Warenverkehrsbescheinigungen auf falschen Angaben des Ausführers beruhten, liegt eine zu Zweifeln Anlass gebende Auslegung des Unionsrechts zugrunde.
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aa) Nach Unterabs. 1 vorgenannter Vorschrift erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet hat. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 ZK, der mit den folgenden Unterabs. 3 bis 5 durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 (VO Nr. 2700/2000) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 311/17) eingefügt worden ist, gilt im Rahmen eines Systems der administrativen Zusammenarbeit unter Beteiligung einer drittländischen Behörde die Ausstellung einer Präferenzbescheinigung durch diese Behörde, falls sich die Bescheinigung später als unrichtig erweist, als ein Irrtum, der vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte.
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Gemäß Unterabs. 3 dieser Vorschrift stellt allerdings die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung keinen Irrtum dar, wenn die Bescheinigung auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht. Dies entspricht der Auslegung, die der EuGH dem Vertrauensschutztatbestand des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK schon vor seiner Erweiterung durch die VO Nr. 2700/2000 gegeben hat. Danach ist das berechtigte Vertrauen des Abgabenschuldners nur dann schutzwürdig, wenn die Grundlage für das Vertrauen des Abgabenschuldners gerade von den zuständigen Behörden geschaffen wurde. Diese Voraussetzung kann somit nicht als erfüllt angesehen werden, wenn die zuständigen Behörden durch unrichtige Erklärungen des Ausführers insbesondere zum Warenursprung irregeführt werden. In einem solchen Fall trägt der Abgabenschuldner das Risiko, dass sich ein Handelsdokument bei einer späteren Prüfung als falsch erweist (vgl. zur Vorgängervorschrift Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79: EuGH-Urteil vom 14. November 2002 C-251/00 --Ilumitrónica--, Slg. 2002, I-10433; sowie Erwägungsgrund 11 zur VO Nr. 2700/2000).
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bb) Im Streitfall kann nach den Ergebnissen der Prüfung im Ausfuhrland nicht angenommen werden, dass die jamaikanischen Behörden Warenverkehrsbescheinigungen für Ausfuhrwaren ausstellten, obwohl diese nach Angaben der Ausführer nicht in Jamaika aus Garnen hergestellt worden waren. Vielmehr heißt es in dem Protokoll vom 23. März 2005, dass die jamaikanischen Ausführer den Zollbehörden bei der Beantragung der entsprechenden Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 falsche Angaben zum Ursprungstatus der Waren gemacht haben.
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Dass der Ausführer, von dem die Klägerin die Waren bezog, den jamaikanischen Zollbehörden eine i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 3 ZK richtige Darstellung der Fakten gegeben hat, lässt sich daher nur unter der Voraussetzung annehmen, dass die mit den streitgegenständlichen Warenverkehrsbescheinigungen eingeführten Waren in Jamaika aus Garnen gefertigt worden waren, also die Ursprungsvoraussetzungen erfüllten. Die Vorinstanz hat diese Annahme nicht ausschließen wollen, da es seinerzeit zu, wenn auch geringen, Garnlieferungen nach Jamaika gekommen war, und hat unter Berufung auf das EuGH-Urteil Beemsterboer die Auffassung vertreten, die Zollbehörde trage diesbezüglich die Beweislast, weshalb die Zweifel, ob die konkreten, den Streitfall betreffenden Warenverkehrsbescheinigungen möglicherweise richtig waren und damit auf zutreffenden Angaben des Ausführers beruhten, zu Lasten des HZA gingen.
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cc) Dem Senat erscheint es nicht zweifelsfrei, ob diesem Verständnis des EuGH Urteils Beemsterboer gefolgt werden kann. In jenem Urteil führt der EuGH unter Rz 39 aus, es obliege "den Zollbehörden, die sich auf Art. 220 Absatz 2 Buchstabe b Unterabsatz 3 erster Teil des Zollkodex berufen möchten, um eine Nacherhebung vorzunehmen, für ihre Forderung den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Ausstellung der unzutreffenden Bescheinigungen auf der unrichtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht". Entsprechend heißt es im Erwägungsgrund 11 Satz 3 zur VO Nr. 2700/2000: "Die Ausstellung einer unrichtigen Bescheinigung durch Drittlandsbehörden sollte indes nicht als Irrtum angesehen werden, wenn die Bescheinigung auf einem Antrag beruht, der unrichtige Angaben enthält." Für den Streitfall geht die Vorinstanz indes nicht von durch die jamaikanischen Behörden ausgestellten unzutreffenden Bescheinigungen, sondern von im konkreten Fall möglicherweise zutreffenden Warenverkehrsbescheinigungen aus und zieht nur deshalb die Möglichkeit in Betracht, der Ausführer könnte im Streitfall richtige Angaben gemacht haben.
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Mit anderen Worten: Mit der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung werden die Frage der Gültigkeit der erteilten Warenverkehrsbescheinigungen und die Frage des schützenswerten Vertrauens auf Seiten des Zollanmelders voneinander getrennt beantwortet. Während bei der ersten Frage die nicht auszuräumenden Zweifel, ob die betreffenden Ausfuhrwaren die Ursprungsvoraussetzungen erfüllten, zu Lasten des Abgabenschuldners gehen und deshalb --wie ausgeführt-- die Warenverkehrsbescheinigungen als zu Unrecht erteilt und der Vorzugstarif als zu Unrecht gewährt anzusehen sind, soll demgegenüber nach Ansicht der Vorinstanz bei der Frage des nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 und 3 ZK dem Abgabenschuldner zu gewährenden Vertrauensschutzes die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die Ausfuhrwaren möglicherweise doch Ursprungswaren des Ausfuhrlands waren und der Ausführer die Fakten somit gegenüber der Zollbehörde des Ausfuhrlands richtig dargestellt hat, zu Lasten der Zollbehörde gehen.
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Zwar liegt die Beweislast wiederum auf Seiten des Abgabenschuldners, wenn den Zollbehörden der Nachweis falscher Angaben des Ausführers aufgrund diesem zuzurechnender Nachlässigkeit unmöglich ist (EuGH-Urteil Beemsterboer, Rz 40 ff.). Verfügt der Ausführer also nicht über Unterlagen, welche die Richtigkeit der erteilten Warenverkehrsbescheinigungen bestätigen, hat dies in der Regel zugleich zur Folge, dass sich der Zollbeteiligte auf Vertrauensschutz nicht berufen kann, weil in diesem Fall aufgrund der Beweislastverteilung grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die zu widerrufenden Warenverkehrsbescheinigungen auf unrichtigen Angaben des Ausführers beruhen. In Fällen wie dem Streitfall, in dem die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, dass entsprechende Unterlagen auf Jamaika infolge eines Hurrikans untergegangen sind, wäre allerdings trotz nicht bestätigter Ursprungseigenschaft der Ausfuhrwaren die nach der Rechtsprechung des EuGH regelmäßige Folge der Nacherhebung der Einfuhrabgaben (vgl. Urteile Huygen u.a. sowie Kommission/Deutschland) aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht möglich.
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Stellt man dagegen --anders als die Vorinstanz-- die Fragen der Gültigkeit der erteilten Warenverkehrsbescheinigungen und des Vertrauensschutzes in einen engen unlösbaren Zusammenhang, kommt es nicht in Betracht, aus dem fehlenden Nachweis des Warenursprungs jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen abzuleiten. Dann kommt der Feststellung, dass die Ursprungseigenschaft der Ausfuhrwaren aufgrund der nachträglichen Prüfung nicht bestätigt werden konnte, die Waren somit unbekannten Ursprungs und die Präferenzbescheinigungen zu Unrecht ausgestellt sind, auch bei der Frage des Vertrauensschutzes Bedeutung mit der Folge zu, dass sich der Abgabenschuldner dann auch bei der Prüfung der Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 2 und 3 ZK nicht darauf berufen kann, gerade in seinen Fällen seien die Warenverkehrsbescheinigungen möglicherweise zu Recht erteilt worden.
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Da sich dem Protokoll vom 23. März 2005 nichts dafür entnehmen lässt, dass es offensichtlich ist, dass die die Warenverkehrsbescheinigungen ausstellenden jamaikanischen Behörden seinerzeit wussten oder hätten wissen müssen, dass die Ausfuhrwaren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllten (Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 3 letzter Halbsatz ZK), ist die sich aus den vorstehenden Ausführungen ergebende Vorlagefrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich.
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