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BFH 09.06.2010 - I R 115/08
BFH 09.06.2010 - I R 115/08 - Grenzgängerbesteuerung DBA-Schweiz
Normen
Art 15a Abs 2 DBA CHE 1971 vom 21.12.1992
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 17. Juli 2008, Az: 3 K 3008/08, Urteil
Leitsatz
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Nur ein Arbeitstag kann als Nichtrückkehrtag i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 zu werten sein (BFH-Urteil vom 11.11.2009 I R 15/09, BFHE 227, 419 BStBI II 2010, 602). Dieser Maßgabe kann nicht eine "Üblichkeit" der Arbeitsleistung an Wochenenden (bei Dienstreiseabwesenheit vom Wohnsitz) bei leitenden Angestellten entgegen gehalten werden.
Tatbestand
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I. Streitig ist die inländische Steuerpflicht von Einkünften, die aus einem Arbeitsverhältnis mit einem schweizerischen Arbeitgeber erzielt wurden.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der im Streitjahr 2001 seit dem Beginn seiner Arbeitstätigkeit (1. April 2001) bei einem schweizerischen Arbeitgeber einen Wohnsitz in Deutschland innehatte, wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zur Einkommensteuer veranlagt. Das FA erfasste Teile der vom Kläger erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als steuerpflichtig. Zwar sei der Kläger, der mit seiner Einkommensteuererklärung auf 64 sogenannte Nichtrückkehrtage (Dienstreisen im Ausland) verwiesen hatte, kein Grenzgänger i.S. des Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) --DBA-Schweiz 1992--. Er unterliege aber --auch wenn ihm von seinem Arbeitgeber eine im Handelsregister eingetragene Zeichnungsberechtigung "Kollektiv zu zweien" verliehen worden und er damit als leitender Angestellter i.S. des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 anzusehen sei-- mit dem rechnerisch auf seine Tätigkeit in Drittstaaten bzw. in Deutschland entfallenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der inländischen Besteuerung. Die Klage blieb erfolglos (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 17. Juli 2008 3 K 3008/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1729 [Leitsatz]).
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Der Kläger macht mit der Revision materielle Rechtsfehler geltend. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid in der Weise zu ändern, dass eine Einkommensteuer von 0 DM festgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--); das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht, soweit es vom Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst.
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1. Der Kläger war im Streitjahr gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1997 unbeschränkt steuerpflichtig; er unterlag daher mit allen im Streitjahr erzielten Einkünften der Einkommensteuer. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger im Streitjahr einen Wohnsitz im Inland.
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2. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit für seinen in der Schweiz ansässigen Arbeitgeber gemäß Art. 15a DBA-Schweiz 1992 der inländischen Besteuerung unterliegen.
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a) Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die im anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1992). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, so entfällt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt.
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b) Der Kläger hat für seine Tätigkeit Einkünfte aus unselbständiger Arbeit bezogen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf keiner weiteren Erläuterung.
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c) Der Kläger war Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992. Nach den Feststellungen des FG war der Kläger im Inland ansässig und ist von seinem Arbeitsort in der Schweiz regelmäßig an seinen Wohnsitz zurückgekehrt. Der Grenzgängereigenschaft des Klägers steht Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 nicht entgegen. Denn der Kläger hat durch seine durch das Arbeitsverhältnis veranlassten Dienstreisen, die das FG seiner im Klageverfahren eingereichten Aufstellung (64 Tage) entnommen hat, ohne dass insoweit Verfahrensrügen erhoben worden wären, nicht die Höchstgrenze von 60 Nichtrückkehrtagen --die im Streitfall (Arbeitsaufnahme 1. April 2001) zeitanteilig mit 45 Tagen anzusetzen ist-- überschritten.
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aa) Das FG hat zutreffend angenommen, dass eintägige Dienstreisen in Drittstaaten (im Streitfall: 5 Tage) nicht zu Nichtrückkehrtagen i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 führen. Dazu nimmt der Senat auf sein Urteil vom 11. November 2009 I R 15/09 (BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602) Bezug, an dem festzuhalten ist.
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bb) Das FG hat zutreffend entschieden, dass Rückreisetage von mehrtägigen Dienstreisen in Drittstaaten (im Streitfall: 13 Tage) nicht als Nichtrückkehrtage i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 zu berücksichtigen sind. Auch insoweit nimmt der Senat auf sein Urteil in BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602 Bezug.
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cc) Das FG hat nicht gesondert gewürdigt, dass nach der Aufstellung des Klägers 8 Dienstreisetage auf Wochenendtage entfielen (Reisetage Samstag oder Sonntag), wobei 3 Tage als Rückreisetage zu werten waren (soweit das FG bei der wörtlichen Umschreibung der Wochenendtage den 1. Juli 2001 nicht anführt, ändert dies an der Feststellung auf der Grundlage der tabellarischen Aufstellung des Klägers nichts). Nach dem Senatsurteil in BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602 liegen keine Nichtrückkehrtage vor, wenn eine mehrtägige Dienstreise des Arbeitnehmers auf Wochenenden oder Feiertage entfällt und die Arbeit an diesen Tagen nicht ausdrücklich vereinbart ist und der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder einen anderweitigen Freizeitausgleich noch ein zusätzliches Entgelt gewährt, sondern lediglich die Reisekosten übernimmt; dies gilt auch für leitende Angestellte, die ihre Tätigkeit zeitlich eigenverantwortlich wahrnehmen und während einer Dienstreise freiwillig am Wochenende arbeiten. Auch hieran hält der Senat fest (zustimmend z.B. Paetsch, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2010, 320, 321). Der dazu geäußerten Kritik (Lusche, Deutsches Steuerrecht 2010, 914, 915 f.; Ronge/Perroulaz/Sutter, IStR 2010, 279, 283) ist nicht zu folgen. Ein entsprechender Auslegungsspielraum besteht nicht, da die Annahme eines Nichtrückkehrtages (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992) ausdrücklich nur für einen "Arbeitstag" in Betracht kommt. Dieser eher formalen Maßgabe, an die auch die gesamte Struktur des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 (und insbesondere die Festlegung der Zahl der Nichtrückkehrtage) anknüpft, kann nicht eine "Üblichkeit" der Arbeitsleistung an Wochenenden (bei Dienstreiseabwesenheit vom Wohnsitz) bei leitenden Angestellten entgegengehalten werden, allenfalls eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung (s. Gosch, BFH/PR 2010, 191, 192).
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Entgegen der Ansicht der Revision hat das FG zu diesem Gesichtspunkt ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung in der Sache ermöglichen. Denn das FG hat insbesondere zur Höhe der vom Arbeitgeber geschuldeten Vergütung den Arbeitsvertrag herangezogen und die Höhe der im Streitjahr ausgezahlten Vergütung festgestellt. Daraus ergibt sich eine auf Wochenendtage entfallende Zusatzvergütung nicht. Auch ein Freizeitausgleich lässt sich den vom FG zugrunde gelegten Aufstellungen des Klägers zu seinen Arbeits- bzw. Dienstreisetagen nicht entnehmen. Allein durch die (unstreitige) Übernahme der Reisekosten erhält der Arbeitnehmer kein zusätzliches Entgelt für eine Arbeitsleistung, sondern lediglich einen Aufwendungsersatz.
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dd) Nach diesen Grundsätzen überstieg die Zahl der Nichtrückkehrtage (geltend gemacht: 64 Tage, abzüglich der nach den Maßgaben oben unter aa bis cc nicht anzuerkennenden 23 Tagen) nicht die in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 bestimmte und im Streitfall auf 45 Tage modifizierte Höchstgrenze.
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