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BFH 30.03.2010 - VII B 170/09
BFH 30.03.2010 - VII B 170/09 - Nachträgliche Festsetzung einer Milchabgabe - Gültigkeit der Milch-Garantiemengen-Verordnung
Normen
MilchGarMV, Art 80 GG, Art 2 Abs 4 EWGV 3950/92, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 267 AEUV
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 9. März 2009, Az: 7 K 2/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Verordnung über die Abgabe im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch- und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung) ist nicht wegen Nichtbeachtung des Zitiergebotes des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes (GG) sowie wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG nichtig.
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Sie ist auch jedenfalls nicht als Ganzes nichtig, weil das einschlägige Unionsrecht dem nationalen Gesetzgeber Regelungsspielräume offen lässt, welche der deutsche Gesetzgeber selbst hätte ausfüllen müssen.
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2. NV: Die Bundesrepublik ist vom Gemeinschaftsrecht zwar ermächtigt, aber nicht verpflichtet, einen sog. Überschussbetrag zur Finanzierung bestimmter Maßnahmen zu Gunsten von Erzeugern, die sich zur Aufgabe und Einschränkung ihrer Milcherzeugung verpflichtet haben, oder zur Rückerstattung an bestimmte Erzeugergruppen zu verwenden. Das Unionsrecht bietet jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass diesbezügliche Vorkehrungen oder eine nachträgliche Korrektur des Haushaltsabschlusses die Voraussetzung dafür wären, dass von dem einzelnen Milcherzeuger die von ihm an sich verwirkte Abgabe für die Überschreitung seiner Milchquote erhoben werden darf.
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3. NV: Ein unterlassenes Vorabentscheidungsersuchen des FG an den EuGH kann nicht als Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt werden.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt in Hessen einen landwirtschaftlichen Betrieb, der Milch erzeugt. Er hat sowohl in dem Milchwirtschaftsjahr 1996/97 als auch in dem Milchwirtschaftsjahr 1998/99 mehr Milch an seine Molkerei geliefert, als ihm seine Milchquote gestattete. Er hat deshalb --was in diesem Verfahren nicht Streitgegenstand ist-- eine Milchabgabe entrichtet.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) hat darüber hinaus gegen den Kläger mit Bescheid vom 5. Juli 2001 eine weitere Milchabgabe von insgesamt … DM festgesetzt, weil der Kläger in dem Milchwirtschaftsjahr 1996/97 über eine in Thüringen ansässige Milcherzeugerin fast … kg Milch und in dem Milchwirtschaftsjahr 1998/99 über eine ebenfalls in Thüringen ansässige Agrargenossenschaft über … kg Milch geliefert habe; letztere Menge rechnet das HZA dem Kläger zu, weil es den zwischen dem Kläger und der Agrargenossenschaft abgeschlossenen Pachtvertrag, der nicht durchgeführt worden sei, nicht als Grundlage für einen Übergang der Erzeugerstellung auf die Agrargenossenschaft anerkennt.
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Einspruch und Klage gegen den Abgabenbescheid sind ohne Erfolg geblieben. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist --unter Zurückstellung der Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- als unbegründet zurückzuweisen, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.
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1. Soweit die Beschwerde der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) im Hinblick auf die Frage zumisst, ob die hier noch anzuwendende Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung, BGBl I 1984, 720, mit zahlreichen späteren Änderungen) wegen Nichtbeachtung des Zitiergebotes des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes (GG) sowie wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nichtig ist, genügt der Hinweis auf die Rechtsprechung des beschließenden Senats, insbesondere dessen Beschlüsse vom 25. September 2003 VII B 309/02 (BFHE 203, 243) und vom 10. Oktober 2003 VII B 140/03 (BFH/NV 2004, 102), in denen sich der Senat mit den diesbezüglichen Einwänden gegen die Rechtsgültigkeit der Verordnung eingehend auseinandergesetzt und sie für nicht durchgreifend erachtet hat. Der Senat kann davon absehen, seine diesbezüglichen Erwägungen erneut darzulegen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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Soweit geltend gemacht wird, die nationale Milchabgaberegelung beruhe deshalb nicht auf einer ausreichenden Verordnungsermächtigung, weil das von der Europäischen Union (EU) in der vorgenannten Verordnung im Wesentlichen festgelegte Regelungsprogramm lückenhaft sei und dem nationalen Gesetzgeber Regelungsspielräume belasse, die der deutsche Gesetzgeber aufgrund des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hätte selbst ausfüllen müssen, die auszufüllen er also nicht dem Verordnungsgeber hätte überlassen dürfen, ist in Sonderheit darauf hinzuweisen, dass weder vorgetragen noch sonst erkennbar ist, inwiefern sich solche Regelungsspielräume zu Gunsten des Klägers auswirken könnten bzw. diese im Streitfall überhaupt betroffen sind oder --wie die Beschwerde anzunehmen scheint-- die angeblichen Regelungsdefizite die Nichtigkeit der --freilich im Wesentlichen im Gemeinschaftsrecht festgelegten-- Milchabgaberegelung als Ganzer zur Folge haben müssten.
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2. Anders als die Beschwerde meint, hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage, ob das HZA von dem Kläger eine Milchabgabe noch erheben konnte, nachdem zwischen Deutschland und der EU über die betreffenden Milchwirtschaftsjahre bereits ein Haushaltsabschluss erfolgt war und, wie die Beschwerde vorträgt, eine Art. 2 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 (VO Nr. 3950/92) des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 405/1) entsprechende Regelung über die zweckgerechte Verwendung von Überschussbeträgen in Deutschland nicht getroffen sei.
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Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich bereits klar und eindeutig, dass Deutschland vom Gemeinschaftsrecht zwar ermächtigt, aber nicht verpflichtet ist, einen sog. Überschussbetrag zur Finanzierung bestimmter Maßnahmen zu Gunsten von Erzeugern, die sich zur Aufgabe und Einschränkung ihrer Milcherzeugung verpflichtet haben, oder zur Rückerstattung an bestimmte Erzeugergruppen zu verwenden. Abgesehen davon bieten aber weder das Gemeinschaftsrecht noch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) irgendeinen vernünftigen Anhaltspunkt dafür, dass Vorkehrungen gemäß Art. 2 Abs. 4 VO. Nr. 3950/92 oder z.B. eine nachträgliche Korrektur des Haushaltsabschlusses die Voraussetzung dafür wären, dass von dem einzelnen Erzeuger rechtmäßig die von ihm an sich verwirkte Abgabe für die Überschreitung seiner Milchquote erhoben werden darf. Es liegt vielmehr auf der Hand und bedarf deshalb weder der Klärung in einem Revisionsverfahren noch eines Vorabentscheidungsersuchens gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäische Union (AEUV), dass ein Milcherzeuger, der seine Quote überliefert, nicht davon profitieren darf, dass die von ihm vorgenommenen Manipulationen erst spät nach Haushaltsabschluss aufgedeckt werden und dass es der betreffende Mitgliedstaat möglicherweise entgegen Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 3950/92 unterlassen haben mag, die Maßnahmen zu treffen, die er nach dieser Vorschrift im Interesse völlig anderer Erzeugergruppen als derjenigen treffen soll, zu der der Erzeuger gehört, der seine Milchquote überliefert hat und dies zunächst gegenüber den zuständigen Behörden verschleiern konnte.
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3. Die Revision kann auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zugelassen werden. Denn es ist nicht schlüssig dargelegt, dass das Urteil des FG auf einem Verfahrensmangel beruhen kann.
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a) Die Beschwerde rügt, das FG habe nicht "ohne weiteres" davon ausgehen dürfen, "dass Abnehmer [der Milch des Klägers] die X AG" gewesen sei.
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Der beschließende Senat vermag den folgenden Darlegungen der Beschwerde indes nicht zu entnehmen, dass diese Annahme des FG auf einer Verletzung seiner Aufklärungspflicht beruht, insbesondere sich dem FG --wie die Beschwerde meint-- die Notwendigkeit einer diesbezüglichen Beweiserhebung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger dazu zulässige Beweisanträge gestellt zu haben selbst nicht behauptet. Wenn die Beschwerde ferner in diesem Zusammenhang vorträgt, es handele sich "nicht allein um eine klärungsbedürftige Tatsache, sondern auch um eine Rechtsfrage", deutet dies im Übrigen darauf hin, dass die Beschwerde in Wahrheit nicht das Verfahren, sondern die Richtigkeit der materiell-rechtlichen Würdigung des FG beanstandet.
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b) Wenn die Beschwerde rügt, das FG habe auf sein Urteil 7 K 2991/01 nicht Bezug nehmen dürfen, und damit offenbar eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör geltend machen will, fehlt es insbesondere an der substantiierten Darlegung, was der Kläger bei rechtzeitiger Gewährung von Gehör noch hätte vortragen wollen und inwiefern dies geeignet gewesen wäre, zu einer ihm günstigeren Entscheidung zu führen.
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c) In der Rechtsprechung des beschließenden Senats ist geklärt und vielfach ausgesprochen worden, dass eine unterlassene Vorlage des FG gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (jetzt: Art. 267 AEUV) nicht als Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt werden kann. Der Senat sieht daher gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ebenfalls davon ab, dies erneut auszuführen. Nur ergänzend verweist er auf das Urteil des EuGH vom 4. Juni 2002 C-99/00 --Lyckeskog-- (Slg. 2002, I-4839).
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Dass die Zulassung der Revision nicht geboten ist, damit der Senat dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV Fragen zur sog. Überschusserhebung vorlegt, ist bereits ausgeführt worden.
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4. Schließlich rügt die Beschwerde auch zu Unrecht, das Urteil des FG weiche von der Entscheidung des Senats vom 31. Mai 2006 VII B 48/05 (BFHE 213, 459) ab. Abgesehen davon, dass eine solche Abweichung nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssig dargelegt ist, widerspricht es aus den bereits dargelegten Erwägungen nicht der Bemerkung des Senats in vorgenannter Entscheidung, die Mitgliedstaaten müssten sicherstellen, dass der überschüssige Betrag zweckgebunden verwendet wird, wenn das FG im Streitfall die Klage abgewiesen, mithin dem Kläger ein subjektives öffentliches Recht nicht eingeräumt hat, sich gegenüber seiner Abgabenschuld auf die vermeintliche Verletzung dieser Pflicht der deutschen Behörden zu berufen.
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