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BFH 02.02.2010 - II B 46/09
BFH 02.02.2010 - II B 46/09 - Divergenz - Grundsätzliche Bedeutung - Auswahlermessen bei Festsetzung von Hinterziehungszinsen gegenüber einem zusammen veranlagten Ehegatten
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 Abs 3 FGO, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 119 Nr 6 FGO, § 235 Abs 1 S 2 AO
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 28. Januar 2009, Az: 3 K 107/05, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Soweit das FG es nicht für erforderlich hält, die Festsetzung von Hinterziehungszinsen gegenüber nur einem der zusammen veranlagten Ehegatten näher zu begründen, wenn die Ermessensentscheidung durch den konkreten Lebenssachverhalt vorgeprägt ist, widerspricht dies nicht der Rechtsprechung des BFH, dass § 235 Abs. 1 Satz 2 AO für die Bestimmung des Zinsschuldners nur auf den steuerlichen und nicht auf den wirtschaftlichen Vorteil abstellt.
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2. NV: Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu der aufgeworfenen Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtsprechung des BFH auseinander setzt.
Tatbestand
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I. Nach der Selbstanzeige des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), der als Bankkaufmann eine Wertpapierabteilung leitete, setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) im Wege einer Zusammenveranlagung mit der damaligen, aber inzwischen geschiedenen Ehefrau u.a. für das Jahr 1988 Vermögensteuer fest, und zwar durch getrennte Bescheide gegenüber beiden Eheleuten. Nach Zahlung der dabei festgesetzten Steuer wurde ein gegen den Kläger eingeleitetes Steuerstrafverfahren gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt. Anschließend setzte das FA durch Bescheid vom 22. Oktober 1997 gegen den Kläger für 1988 Hinterziehungszinsen in Höhe von 37.524 DM fest, gab den Bescheid aber entgegen einer Zustellungsvollmacht nicht dem damaligen Steuerberater, sondern unmittelbar dem Kläger bekannt.
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Einspruch und Klage blieben erfolglos. Der Kläger hatte vorgetragen, es fehle bereits mangels Vorsatzes an einer Steuerhinterziehung. Der Zinsbescheid sei außerdem deshalb rechtswidrig, weil er nicht zusätzlich gegen die frühere Ehefrau gerichtet und entgegen § 80 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) nicht dem damaligen Bevollmächtigten bekannt gegeben worden sei. Das Finanzgericht (FG) hielt die formellen Einwände für unbeachtlich. Es nahm zum einen aufgrund verschiedener Indizien an, dass der Kläger den Bescheid an den damaligen Bevollmächtigten weitergeleitet habe, und zum anderen, dass das FA sich an einen der mehreren Gesamtschuldner habe wenden dürfen, wobei die Ermessensentscheidung für den Kläger durch den Lebenssachverhalt vorgeprägt gewesen sei. Denn nur er habe die Vermögensteuer hinterzogen, nur gegen ihn sei das Steuerstrafverfahren eingeleitet worden und nur in seinem Namen habe er die Selbstanzeige erstattet.
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Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie Verfahrensmängel geltend.
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Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
- V R 9/86
- BFHE 165, 10
- BStBl II 1991, 822
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Das Urteil betraf einen Sachverhalt, bei dem der Steuerberater eines Unternehmers in den Umsatzsteuervoranmeldungen eine niedrigere Steuerschuld angab, als tatsächlich entstanden war, aber vom Unternehmer jeweils den tatsächlich geschuldeten Betrag einzog und die Differenz für sich behielt. Darauf bezogen führte der BFH damals aus, § 235 Abs. 1 Satz 2 AO meine keinen wirtschaftlichen, sondern nur den steuerlichen Vorteil, der mit der Verzinsung beim Steuerschuldner abgeschöpft werden solle.
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Im Streitfall dagegen behandelte das FG die Frage, ob es rechtens ist, dass das FA die Hinterziehungszinsen lediglich vom Kläger und nicht zusätzlich auch von der Ehefrau als weiterer Gesamtschuldnerin angefordert hat. In diesem Zusammenhang führte das FG aus, zwar sei der angefochtene Zinsbescheid daraufhin zu überprüfen, ob das FA sein Auswahlermessen ausgeübt habe; im Streitfall sei aber eine nähere Begründung der alleinigen Inanspruchnahme des Klägers entbehrlich gewesen, da die Ermessensentscheidung durch den Lebenssachverhalt vorgeprägt gewesen sei.
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Die Ansicht des Klägers, die vorstehenden Rechtssätze des BFH sowie des FG widersprächen sich, trifft nicht zu. Der Rechtssatz des FG bezieht sich auf die besondere Problematik des Auswahlermessens, die in dem vom BFH aufgestellten Rechtssatz nicht angesprochen ist. Die beiden Rechtsausführungen sind daher durchaus miteinander vereinbar. Der vom BFH aufgestellte Rechtssatz gilt für jeden Steuerschuldner unabhängig davon, ob er die Steuer allein oder als Gesamtschuldner neben weiteren Personen schuldet. Das Auswahlermessen bestimmt die Entscheidung, welche(r) der Steuerschuldner in Anspruch genommen werden solle(n).
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2. Soweit der Kläger vorträgt, die Frage einer "Vorprägung" der Inanspruchnahme eines von mehreren Steuerschuldnern für das Ergehen eines Hinterziehungszinsbescheides erfordere überdies zur Fortbildung des Rechts bzw. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 und Nr. 1 FGO), ist die Beschwerde mangels ausreichender Begründung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) unzulässig. Es fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ausübung des Auswahlermessens bei mehreren Gesamtschuldnern und insbesondere zur Begründung der Auswahlentscheidung (vgl. etwa BFH-Entscheidungen vom 1. Juli 2008 II R 2/07, BFHE 222, 68, BStBl II 2008, 897, sowie vom 8. Juni 2007 VII B 280/06, BFH/NV 2007, 1822, unter II.1.a).
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3. Die Verfahrensrügen mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) sowie eines "Verstoßes gegen den Inhalt der Akten" (§ 96 Abs. 1 FGO) und fehlender Entscheidungsgründe (§ 119 Nr. 6 FGO) greifen nicht durch. Der Kläger trägt selbst vor, dass das FG die Feststellung getroffen habe, in der Person des Klägers liege eine Steuerhinterziehung vor. Nähere Ausführungen, wie es zu dieser Feststellung gekommen ist, ergeben sich ohne weiteres aus dem Tatbestand der Vorentscheidung. Danach hat der Kläger zunächst bestritten, die Vermögensteuer hinterzogen zu haben, da es am Vorsatz fehle. Dagegen hat das FA in der Einspruchsentscheidung angeführt, das Vorliegen eines Hinterziehungsvorsatzes ergebe sich aus der beruflichen Stellung des Klägers (Bankkaufmann; Leiter einer Wertpapierabteilung) sowie aus seinen Vermögensverhältnissen. Nachdem der Kläger daraufhin im Klageverfahren die Frage nach dem Hinterziehungsvorsatz nicht mehr aufgeworfen hatte, brauchte das FG darauf nicht mehr näher einzugehen. Es konnte annehmen, insoweit hätten die Ausführungen des FA bereits überzeugt.
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