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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 19.09.2024 - B 9 SB 14/24 B
BSG 19.09.2024 - B 9 SB 14/24 B
Tenor
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Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. März 2024 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Die Klägerin wendet sich in der Hauptsache gegen die Herabsetzung des Grads der Behinderung von 50 auf 30 durch Bescheid des Beklagten vom 2.5.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2016.
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Das von ihr dagegen angerufene SG hat die angefochtene Verwaltungsentscheidung nach Einholung von Befundberichten und eines psychiatrischen und psychotherapeutischen Sachverständigengutachtens antragsgemäß aufgehoben (Urteil vom 10.11.2021). Im Berufungsverfahren hat das LSG bei dem Facharzt D ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, das der Sachverständige unter dem 9.10.2023 vorgelegt hat. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.11.2023 hat die Klägerin dazu Stellung genommen und angeregt, den Sachverständigen zur persönlichen Erörterung seines Gutachtens zu laden, um mehrere - von ihr zugleich mitgeteilte - Fragen zu beantworten. Das LSG hat weder eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt noch diesen geladen. Daraufhin hat die Klägerin ihren diesbezüglichen Antrag im Termin zur mündlichen Verhandlung wiederholt und aufrechterhalten. Mit Urteil vom 7.3.2024 hat das LSG auf die Berufung des Beklagten die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den schriftlichen Gründen hat es ausgeführt, der von der Klägerin begehrten Ladung des Sachverständigen D zum Termin habe es nicht bedurft, weil dieser die von ihr aufgeworfenen Fragen bereits in seinem schriftlichen Gutachten eindeutig beantwortet habe.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, die sie auf Verfahrensmängel des LSG stützt. Das LSG habe das sich aus §§ 116 Satz 2, 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO ergebende Fragerecht der Klägerin vereitelt und damit ihren sich aus Art 103 Abs 1 GG iVm § 62 SGG ergebenden Anspruch auf rechtliches Gehör und damit zugleich ihren Anspruch auf Waffengleichheit verletzt.
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II. Die Beschwerde der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG.
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Die fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin die Verletzung des Fragerechts aus § 116 Satz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO und damit ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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Die Beschwerde ist auch begründet, weil zumindest einer der gerügten Verfahrensfehler vorliegt und die Entscheidung des LSG hierauf beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das LSG hätte die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen nicht ausnahmslos als bereits eindeutig schriftlich beantwortet ansehen dürfen, sondern hätte den Sachverständigen D hierzu ergänzend anhören müssen.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BSG steht jedem Beteiligten - unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen - gemäß § 116 Satz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zu, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BSG Beschluss vom 9.1.2023 - B 9 SB 24/22 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 16; BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 5 R 22/18 B - juris RdNr 32). Dabei müssen für einen entsprechenden Antrag keine Fragen formuliert werden; es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (BSG Beschluss vom 16.12.2021 - B 9 V 32/21 B - juris RdNr 35; BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 VS 2/99 R - SozR 3-1750 § 411 Nr 1 - juris RdNr 20). Bei einem medizinischen Sachverständigen muss ein - wie die Klägerin - rechtskundig vertretener Beteiligter hierzu die in dem Verfahren auf Grundlage der aktenkundigen medizinischen Sachverständigengutachten und Berichte zu den beabsichtigten Fragen bereits getroffenen oder in Zusammenhang mit diesen Fragen stehenden medizinischen Feststellungen auf dem jeweiligen Fachgebiet näher benennen, sodann auf dieser Basis auf insoweit bestehende Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten hinweisen und hiervon ausgehend schließlich die konkret - aus seiner Sicht - noch erläuterungsbedürftigen Punkte formulieren. Erst auf Grundlage dieser Darlegungen kann beurteilt werden, ob und inwieweit die (angekündigten) Fragen - wie zwingend notwendig - auch objektiv sachdienlich sind (BSG Beschluss vom 9.1.2023 - B 9 SB 24/22 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 2.2.2022 - B 9 SB 47/21 B - juris RdNr 18). Sachdienlich iS von § 116 Satz 2 SGG sind Fragen, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten, nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind (BSG Beschluss vom 21.10.2021 - B 5 R 148/21 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 24.6.2020 - B 9 SB 79/19 B - juris RdNr 6) und über die erläuternde Wiederholung des Gutachtens und der dort bereits enthaltenen Gründe hinausgehen (BSG Beschluss vom 13.4.2021 - B 13 R 177/20 B - juris RdNr 18; BSG Beschluss vom 3.6.2020 - B 9 SB 14/20 B - juris RdNr 8; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 2.5.2018 - 1 BvR 2420/15 - juris RdNr 5). Abgelehnt werden kann ein solcher Antrag etwa auch, wenn er verspätet oder rechtsmissbräuchlich gestellt worden ist (BSG Beschluss vom 9.1.2023 - B 9 SB 24/22 B - juris RdNr 9; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 2.5.2018 - 1 BvR 2420/15 - juris RdNr 3).
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Unter Beachtung dieser Maßstäbe hat das LSG das Fragerecht der Klägerin jedenfalls insoweit verletzt, als es auch den Fragenkomplex zu der von D für unverwertbar gehaltenen Befunderhebung durch die die Klägerin behandelnde Ärztin K nicht zum Anlass für eine ergänzende Befragung des Gerichtsgutachters genommen hat. Die Klägerin hat ihre Nachfragen zum Sachverständigengutachten alsbald schriftlich eingereicht, nachdem sie Kenntnis von dessen Inhalt erlangt hatte. Auch sonst bestehen keinerlei Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Vorgehen. Der genannte Fragenkomplex ist auch sachdienlich, insbesondere beweiserheblich gewesen. Denn die Vorinstanzen haben ihre (divergierenden) Entscheidungen mit dem tatrichterlich festzustellenden Schweregrad der 2016 bestehenden psychischen Störungen der Klägerin begründet.
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Schließlich ist das LSG zu Unrecht davon ausgegangen, die diesbezüglichen Fragen seien im Gutachten unzweifelhaft beantwortet worden. Wie die Beschwerdebegründung nachvollziehbar aufzeigt, hat der Sachverständige D seine (von der die Klägerin behandelnden und von SG und LSG zuvor mehrfach befragten Ärztin K) abweichende Einschätzung ausdrücklich damit begründet, diese habe "in keinem der Berichte" einen eigenen psychopathologischen Befund dokumentiert. Die Einschätzung von mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sei auf der Basis der vorliegenden Befundberichte nicht nachvollziehbar. Diese gutachterliche Beurteilung hat die Klägerin zum Gegenstand einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen machen wollen. Insbesondere hat sie beabsichtigt, ihn mit den Angaben von Frau K in den aktenkundigen Befundberichten zu konfrontieren und ihn um Konkretisierung zu bitten, inwieweit er deren Dokumentation für unzureichend halte. Anders als das LSG meint, hat sich der gerichtliche Sachverständige mit diesen - von der Klägerin im Einzelnen zitierten - Angaben, die Frau K ausdrücklich als "psychopathologischen Befund" bezeichnet hat, in seinem schriftlichen Gutachten nicht im Einzelnen auseinandergesetzt. Vielmehr ist er zu dem Ergebnis gelangt, deren Verwertbarkeit sei "besonders wegen der völlig fehlenden eigenen psychopathologischen Befunde sowie auch der aufgeführten wenig spezifischen Krankheitssymptome deutlich eingeschränkt". Allerdings lässt sich dieser Schlussfolgerung des Sachverständigen nicht entnehmen, warum sich entgegen den als "psychopathologischen Befund" ausdrücklich bezeichneten und auch näher umschriebenen Angaben der behandelnden Ärztin in den von der Klägerin zitierten Befundberichten sich kein solcher ableiten ließe und welche Angaben ein psychopathologischer Befund nach Ansicht des Sachverständigen denn enthalten müsste.
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Die Entscheidung des LSG kann auch auf dem vorliegenden Verfahrensfehler beruhen, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei der ihm obliegenden Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) nach einer ergänzenden Äußerung des Sachverständigen und ggf daran anschließender weiterer Beweiserhebung zu einem anderen, für die Klägerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre.
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Gemäß § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - wie hier - vorliegen. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch, weil das LSG infolge des Verfahrensfehlers keine tatsächlichen Feststellungen zu den bei der Klägerin 2016 vorliegenden Behinderungen getroffen hat, die Grundlage einer revisionsgerichtlichen Entscheidung sein könnten. Gemäß § 202 Satz 1 SGG iVm § 563 Abs 1 Satz 2 ZPO kann die Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. Dies hält der Senat ungeachtet der diesbezüglichen Bitte der Klägerin nicht für geboten. Die Entscheidung hierüber steht im Ermessen des BSG (stRspr; zB BSG Beschluss vom 20.9.2023 - B 4 AS 44/23 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 43 - juris RdNr 5); die Möglichkeit besteht im Interesse an einer unbefangenen Rechtsfindung, also zur Vermeidung eines - möglichen - Anscheins der Voreingenommenheit (vgl BSG Beschluss vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3 = juris RdNr 14). Anhaltspunkte für einen solchen Anschein werden mit der Beschwerde nicht geltend gemacht und sind auch für den Senat nicht ersichtlich. Der bloße Verfahrensmangel der Vorinstanz genügt insoweit nicht, denn sonst hätte sich eine daran anknüpfende generalisierende gesetzliche Regelung aufgedrängt.
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Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.
Kaltenstein
Othmer
B. Schmidt
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