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BSG 30.04.2020 - B 8 SO 12/18 R
BSG 30.04.2020 - B 8 SO 12/18 R - Sozialhilfe - Grundsicherung bei Erwerbsminderung - Vermögenseinsatz - Härtefall - Vermögen aus der Nachzahlung einer Grundrente nach dem Gewaltopferentschädigungsrecht
Normen
§ 41 Abs 1 SGB 12 vom 24.03.2011, § 41 Abs 3 SGB 12 vom 20.04.2007, § 19 Abs 2 SGB 12, § 90 Abs 1 SGB 12, § 90 Abs 3 S 1 SGB 12, § 1 Abs 1 S 1 OEG, § 31 Abs 1 S 1 BVG vom 21.06.2012, § 31 Abs 1 S 1 BVG vom 28.06.2011, § 25f Abs 1 S 1 BVG, § 25f Abs 1 S 2 BVG, § 25f Abs 1 S 3 BVG, § 25f Abs 1 S 4 BVG, § 25f Abs 1 S 5 BVG, § 25f Abs 2 BVG vom 20.06.2011, § 25f Abs 4 BVG vom 20.06.2011
Vorinstanz
vorgehend SG Braunschweig, 19. September 2014, Az: S 32 SO 198/12, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 26. April 2018, Az: L 8 SO 371/14, Urteil
Leitsatz
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1. Das nach Ablauf eines Jahres nach den Vorschriften des sozialen Entschädigungsrechts noch geschützte Vermögen aus der Nachzahlung einer Grundrente bleibt im Sozialhilferecht unter dem Gesichtspunkt der besonderen Härte ebenfalls geschützt.
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2. Fließt die Nachzahlung im Kindes- oder Jugendalter zu, kann sich ein darüber hinausgehender Vermögensfreibetrag ergeben, wenn sie für Aufwendungen angespart wird, die in diesem Alter nicht relevant sein können.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. April 2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.2.2012 bis zum 30.4.2013.
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Die 1989 geborene Klägerin lebte im Zuständigkeitsbereich des beklagten Landkreises. Nachdem sie Opfer einer Gewalttat in der Familie geworden war, wurde sie in ein Kinderhaus in einem anderen Landkreis aufgenommen, wo sie bis zum 31.12.2011 stationäre Hilfe zur Erziehung erhielt. Seit dem 1.1.2012 lebt sie am selben Ort in einer eigenen Wohnung, in der sie ambulant betreut wird. Das Versorgungsamt erkannte ab dem 1.4.1999 eine psychoreaktive Störung als Schädigungsfolge nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten - Opferentschädigungsgesetz - (OEG) an und gewährte eine monatliche Grundrente nach § 1 OEG iVm § 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die im September 2004 ausgezahlte Nachzahlung für die Zeit vom 1.4.1999 bis zum 31.8.2004 betrug 13 728 Euro.
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Im Februar 2012 verfügte die Klägerin über ein Guthaben auf einem Girokonto von 243,84 Euro sowie zwei Sparguthaben in Höhe von 15 647,19 Euro und 3912,31 Euro. Ihren Antrag auf Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab Februar 2012 lehnte der Beklagte unter Hinweis auf ein einzusetzendes Vermögen in Höhe von 17 203,34 Euro ab (Bescheid vom 2.3.2012; Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 5.9.2012). Seit dem 1.1.2013 erhält die Klägerin ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 1 OEG iVm § 27a BVG, seit dem 1.5.2013 ohne Berücksichtigung von Vermögen.
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Die Klage auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1.2.2012 bis zum 30.4.2013 hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> Braunschweig vom 19.9.2014; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Niedersachsen-Bremen vom 26.4.2018). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dem Anspruch auf Grundsicherungsleistungen stehe durchgehend das Vermögen der Klägerin entgegen. Das aus der Nachzahlung der Grundrente angesparte Vermögen sei nicht privilegiert, sondern bis auf einen Freibetrag in Höhe von 2600 Euro vorrangig zur Deckung des Lebensunterhalts einzusetzen gewesen. Dem zum 1.7.2011 umgestalteten § 25f Abs 1 BVG, wonach ua auch Nachzahlungen der Grundrente bei der Gewährung von Fürsorgeleistungen nach dem BVG nur noch im ersten Jahr nach Zufluss, nicht aber darüber hinaus als Vermögen geschützt seien, sei die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen, solches Vermögen auch nicht nach § 90 Abs 3 SGB XII unter dem Gesichtspunkt der Härte als geschützt anzusehen.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass ihr Vermögen auch nach der Änderung des § 25f Abs 1 BVG im Sozialhilferecht unter dem Gesichtspunkt der besonderen Härte geschützt sei.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. April 2018 und das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 19. September 2014 sowie den Bescheid vom 2. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. September 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr vom 1. Februar 2012 bis 30. April 2013 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zu Unrecht ist das LSG davon ausgegangen, dass über den Betrag von 2600 Euro hinaus einem Anspruch auf Grundsicherungsleistungen im streitigen Zeitraum zu berücksichtigendes Vermögen der Klägerin uneingeschränkt entgegenstand. Es ist ihr in Anwendung der Härtefallregelung nach § 90 Abs 3 SGB XII ein weiterer Betrag einzuräumen, der dem nach § 25f BVG geschützten Betrag entspricht. Da das LSG ausgehend von seiner Rechtsansicht zum Vermögenseinsatz nach § 90 SGB XII keine abschließenden Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen getroffen hat, konnte der Senat nicht entscheiden, ob und in welcher Höhe sich für Zeiten vor dem 1.5.2013 ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen ergibt.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 2.3.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.9.2012 (§ 95 SGG), gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und Abs 4 SGG) wendet, die zulässigerweise auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 SGG) gerichtet ist. In zeitlicher Hinsicht hat die Klägerin den Streitgegenstand bereits im Klageverfahren auf die Zeit vom 1.2.2012 bis zum 30.4.2013 beschränkt.
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Zutreffend richtet sich die Klage gegen den Beklagten als den sachlich und örtlich zuständigen Leistungsträger. Er ist auf Grundlage der den Senat bindenden Feststellungen des LSG zum Landesrecht (§ 163 SGG) im streitigen Zeitraum als örtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Satz 1 Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des SGB XII <Nds AG SGB XII> vom 16.12.2004 <GVBl Nds 2004, 644> und ab dem 1.1.2013 iVm § 1 Abs 2 Nds AG SGB XII) gemäß § 97 Abs 1 SGB XII iVm § 6 Abs 1 Nds AG SGB XII sachlich zuständig gewesen.
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Der Beklagte ist auch örtlich zuständig. Die Klägerin lebt auf Grundlage der Feststellungen des LSG vom 1.1.2012 an in einer ambulant betreuten Wohnform, in der ihr entsprechende Leistungen zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der täglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich erbracht worden sind (dazu BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 7/10 R - BSGE 109, 55 = SozR 4-3500 § 98 Nr 1, RdNr 15). Die örtliche Zuständigkeit von Sozialhilfeträgern für Leistungen in ambulant betreuten Wohnformen, die auch die hier streitigen Grundsicherungsleistungen umfassen, richtet sich bei nach dem 31.12.2004 eintretenden Leistungsfällen nach der (ggf hypothetischen) Zuständigkeit vor Eintritt in die Wohnform (§ 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII). Der Leistungsfall des Betreuten Wohnens hat am 1.1.2012 begonnen; denn zuvor lebte die Klägerin in einer stationären Einrichtung iS des § 13 Abs 2 SGB XII. Sie hat dort zwar keine Leistungen nach dem SGB XII, sondern solche nach dem SGB VIII erhalten. Der Beklagte, in dessen Zuständigkeitsbereich die Klägerin vor der Aufnahme in die stationäre Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wäre aber im Fall des Sozialhilfebezugs vor dem 1.1.2012 nach den bindenden Feststellungen des LSG als vom sachlich und örtlich zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger (vgl § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 6 Abs 2 Nr 1 Buchst a Nds AG SGB XII; § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII) herangezogener örtlicher Sozialhilfeträger (§ 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 3 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Durchführungsverordnung zum Nds AG SGB XII) sachlich (§ 98 Abs 4 SGB XII) und örtlich zuständig gewesen, was seine Zuständigkeit für die Leistungen im Betreuten Wohnen begründet.
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Grundsicherung bei Erwerbsminderung ist nach § 19 Abs 2 SGB XII iVm § 41 Abs 1 und 3 SGB XII (hier in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch <RBEG/SGBII/SGBXII-ÄndG> vom 24.3.2011 <BGBl I 453>) auf Antrag Personen zu leisten, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind und zudem ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen (nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII) bestreiten können. Entgegen der Auffassung des LSG steht einem solchen Anspruch der Klägerin nicht schon von vornherein entgegen, dass sie während des gesamten streitigen Zeitraums über ein Vermögen von mehr als 2600 Euro verfügte.
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Einzusetzen ist nach § 90 Abs 1 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen. Hierzu zählen alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld und Geldeswert. Verwertbar ist Vermögen dann, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können (vgl zuletzt BSG vom 28.8.2018 - B 8 SO 1/17 R - BSGE 126, 201 = SozR 4-3500 § 90 Nr 9, RdNr 18 und BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 15/15 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 8 RdNr 22 mwN). Das Vermögen der Klägerin unterfällt keinem der in § 90 Abs 2 Nr 1 bis 8 SGB XII genannten Ausnahmetatbestände; der ihr auf Grundlage von § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII zustehende Freibetrag nach § 1 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII (DVO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII; hier in der Fassung von Art 15 des Gesetzes vom 27.12.2003) beträgt 2600 Euro, wovon das LSG zutreffend ausgegangen ist.
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Nach § 90 Abs 3 Satz 1 SGB XII darf die Sozialhilfe ferner nicht vom Einsatz eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine besondere Härte bedeuten würde. Vorliegend sind Teile des Vermögens der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Härte geschützt.
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Der Begriff der Härte ist zunächst im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Schonvermögen nach § 90 Abs 2 SGB XII zu sehen, dh das Ziel der Härtevorschrift muss in Einklang mit den Bestimmungen über das Schonvermögen stehen, nämlich dem Sozialhilfeempfänger einen gewissen Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erhalten (BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 15). Während die Vorschriften über das Schonvermögen typische Lebenssachverhalte regeln, bei denen es als unbillig erscheint, die Sozialhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, regelt § 90 Abs 3 SGB XII atypische Fallgestaltungen, die mit den Regelbeispielen des § 90 Abs 2 SGB XII vergleichbar sind und zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs 2 SGB XII entsprechenden Ergebnis führen (BSG aaO; Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> vom 26.1.1966 - V C 88.64 - BVerwGE 23, 149, 158 f). Eine Härte liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls, wie zB der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstands oder der sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zur besonderen wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen seiner Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist (BSG aaO; BVerwG vom 14.5.1969 - V C 167.67 - BVerwGE 32, 89, 93).
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Dabei ist für die Anwendung des § 90 Abs 3 SGB XII die Herkunft des Vermögens grundsätzlich unerheblich. In der Rechtsprechung sind hiervon allerdings Ausnahmen für diejenigen Konstellationen anerkannt, in denen der gesetzgeberische Grund für die Nichtberücksichtigung einer laufenden Zahlung als Einkommen auch im Rahmen der Vermögensanrechnung durchgreift, weil das Vermögen den gleichen Zwecken zu dienen bestimmt ist wie die laufende Zahlung selbst (vgl BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 1 zum Blindengeld; BVerwG vom 4.9.1997 - 5 C 8/97 - BVerwGE 105, 199 zum Erziehungsgeld; BVerwG vom 28.3.1974 - V C 29.73 - BVerwGE 45, 135 zur Grundrentennachzahlung). Auch ein aus Schmerzensgeldzahlungen gebildetes Vermögen bleibt nach § 90 Abs 3 SGB XII aus diesem Gesichtspunkt grundsätzlich einsatzfrei (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 6/07 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 9; BVerwG vom 18.5.1995 - 5 C 22/93 - BVerwGE 98, 256; ähnlich Bundesgerichtshof <BGH> vom 26.11.2014 - XII ZB 542/13 - FamRZ 2015, 488 zu Ansparungen aus sozialen Ausgleichsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz).
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Entsprechend hat das BVerwG auch die Nachzahlung aus einer Beschädigtengrundrente nach dem OEG, wie sie hier im Streit ist, in Anwendung der Vorschrift des § 90 Abs 3 SGB XII als geschütztes Vermögen angesehen (BVerwG vom 27.5.2010 - 5 C 7/09 - BVerwGE 137, 85, RdNr 23 ff). Danach verliert die zum Vermögen gewordene Beschädigtengrundrente durch eine Ansparung nicht ihre ursprüngliche Funktion. Auch als Vermögen kann sie (noch) die gleichen Zwecke erfüllen, denen die monatlich gezahlte Grundrente zu dienen bestimmt ist. Sie ist nämlich eine Sozialleistung, die zwar einerseits typisierend und pauschalierend einen besonderen schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken soll (BSG vom 28.7.1999 - B 9 VG 6/98 R - SozR 3-5910 § 76 Nr 3), andererseits aber maßgeblich dadurch geprägt ist, dass sie als Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität immateriellen (ideellen) Zwecken wie der Genugtuung für erlittenes Unrecht dient. Wie die Grundrente nach § 31 Abs 1 Satz 1 BVG, auf die § 1 OEG verweist, ist sie wesentlich von der Vorstellung des Ausgleichs eines vom Einzelnen erbrachten gesundheitlichen Sonderopfers geprägt (vgl nur Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 14.3.2000 - 1 BvR 284/96 - BVerfGE 102, 41, 59 ff = SozR 3-3100 § 84a Nr 3 S 21 ff). Die Grundrente hat insoweit sowohl eine immaterielle als auch materielle Funktion, wobei beide Komponenten jedoch nicht voneinander zu trennen sind.
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Allerdings hat der Gesetzgeber die Härtegesichtspunkte, die sich aus der bisherigen Rechtsprechung zu Nachzahlungen mit (auch) immateriellem Charakter ergaben, modifiziert. Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20.6.2011 (BGBl I 1114) hat er § 25f Abs 1 BVG unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG geändert. Auch Ansparungen aus Leistungen nach dem BVG gehören seither zu dem für den laufenden Lebensunterhalt einzusetzenden Vermögen (§ 25f Abs 1 Satz 2 BVG), soweit kein Fall der besonderen Härte vorliegt. Nachzahlungen von Renten bleiben für einen Zeitraum von einem Jahr unberücksichtigt (§ 25f Abs 1 Satz 5 BVG). Die Grundrente soll aus Sicht des Gesetzgebers Mehraufwendungen ersetzen, die ein gesunder Mensch nicht hätte. Sie soll darüber hinaus weder zur Bestreitung des Lebensunterhalts noch zur Begründung eines Sparvermögens verwendet werden (BT-Drucks 17/5311, 17).
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Die Regelung von § 25f Abs 1 BVG steht dabei erkennbar mit den großzügigeren Regelungen im BVG über den Schutz des Vermögens in Zusammenhang, wie auch das LSG ausgeführt hat. Dem Regelungsgefüge von § 25f BVG ist lediglich eine Beschränkung im Hinblick auf die oben genannten Härtegesichtspunkte zu entnehmen, nicht dagegen deren vollständige Aufgabe: Einerseits soll ein zeitlich beschränkter Schutz für das erste Jahr nach Zufluss einer Nachzahlung bestehen, in dem das Vermögen nicht für den Lebensunterhalt einzusetzen ist, andererseits bleibt nach Ablauf dieses Jahres ein höherer Freibetrag geschützt, wie er typischerweise aus solchen Nachzahlungen angespart werden kann (vgl § 25f Abs 2 und Abs 4 BVG). Mit diesem erheblich höheren Vermögensschonbetrag wird der besonderen Lebenslage der Betroffenen und dem Charakter der Grundrentenzahlungen als immaterielle und schädigungsbedingte Mehrbelastungen ausgleichende Leistung Rechnung getragen (vgl BT-Drucks 17/5311, 17 sowie BT-Drucks 18/12041, 9 zur Anhebung der Beträge nach § 25f Abs 2 und Abs 4 BVG im Nachgang zur Erhöhung der Freibeträge im SGB XII; vgl auch BT-Drucks 19/13824, 218 zu § 108 Sozialgesetzbuch Vierzehntes Buch - Soziale Entschädigung - <SGB XIV> in der ab dem 1.1.2024 geltenden Fassung).
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Aus den vom Senat dargestellten Gründen, an denen er im Grundsatz festhält, sind diese Gesichtspunkte auch für die Auslegung des § 90 Abs 3 SGB XII beachtlich. Deshalb bleibt für Bezieher einer Grundrente nach den Gesetzen des sozialen Entschädigungsrechts das Vermögen aus einer Nachzahlung nach Ablauf von einem Jahr nach ihrem Zufluss, in dem die Nachzahlung auch nicht für die Sozialhilfe einzusetzen ist (zu dem Gesichtspunkt eines zeitlichen Schutzes von Vermögen im Anwendungsbereich des § 90 Abs 3 SGB XII Geiger in Bieritz-Harder/ Conradis/Thie, SGB XII, 12. Aufl 2020, § 90 RdNr 95), zumindest in einer Höhe geschützt, die sich (unter Anrechnung auf den allgemeinen sozialhilferechtlichen Schonbetrag von 2600 Euro) entsprechend § 25f Abs 2 und Abs 4 BVG ergibt. So wird auch in der Sozialhilfe berücksichtigt, dass bei Berechtigten nach dem BVG und den Gesetzen, die auf die Vorschriften über die Grundrente nach dem BVG verweisen, nicht nur die laufende Zahlung der Grundrente als Einkommen privilegiert bleibt, sondern der Charakter dieser Leistungen auch bei den Vermögensregelungen beachtlich ist.
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Zusätzlich zum Freibetrag nach § 25f Abs 2 und Abs 4 BVG, der auch im SGB XII im Grundsatz als geschützt zu respektieren ist, können weitere Härtegesichtspunkte eine weitergehende Freilassung des Vermögens rechtfertigen (vgl auch § 25f Abs 1 Satz 3 und 4 BVG). Die Regelung des § 25f Abs 1 Satz 5 BVG soll dem Geschädigten dabei typisierend die Möglichkeit eröffnen, sich einen höheren Lebensstandard zu verschaffen, als er mit Mitteln der Sozialhilfe denkbar ist. Vor allem Kindern und Jugendlichen, die regelmäßig im ersten Jahr nach dem Zufluss keine entsprechend weitreichenden Entscheidungen treffen können, kann je nach den Umständen des Einzelfalls auch über das erste Jahr hinaus unter Härtegesichtspunkten ein höherer Freibetrag, der angespart werden kann, einzuräumen sein. Da das Vermögen der Klägerin als Jugendliche zugeflossen ist, ist auch vorliegend denkbar, dass es zu einer späteren "angemessenen Lebensführung" im Erwachsenenalter angespart worden ist oder dem Ausgleich schädigungsbedingter Mehraufwendungen dienen sollte, die im Kindesalter noch nicht relevant sein konnten. Das LSG wird daher (von Amts wegen) zu ermitteln haben, welchem Zweck das Vermögen (etwa nach Eintritt der Volljährigkeit oder bei Auszug aus dem Kinderhaus) dienen sollte und ob sich daraus Härtegesichtspunkte ergeben. Daneben wird es die Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen und die sich ggf ergebenden Bedarfe zu ermitteln und - wovon es selbst auch ausgegangen ist - zu prüfen haben, inwieweit die Klägerin das ggf geschützte Vermögen im laufenden Rechtsstreit durch nach der Leistungsablehnung deswegen eingegangene Schulden aufgebraucht hat (vgl BSG vom 28.8.2018 - B 8 SO 1/17 R - BSGE 126, 201 = SozR 4-3500 § 90 Nr 9, RdNr 28; dazu auch BVerwG vom 17.7.2019 - 5 C 5/18 - RdNr 25).
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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