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BSG 21.04.2020 - B 13 R 85/19 B
BSG 21.04.2020 - B 13 R 85/19 B - (Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Sachaufklärungsrüge - Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - Beweisangebot)
Normen
§ 103 SGG, § 118 Abs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 144 ZPO, § 404a ZPO, § 406 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Dresden, 27. Juli 2017, Az: S 33 R 686/16, Gerichtsbescheid
vorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 11. Februar 2019, Az: L 6 R 618/17, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. Februar 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das Sächsische LSG mit Urteil vom 11.2.2019 einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.12.2015 hinaus abgelehnt.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Zugleich hat der Kläger zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt.
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II. 1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Sächsischen LSG vom 11.2.2019 ist abzulehnen.
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Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ua nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die vom Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG nicht erfolgreich sein kann. Der Kläger hat PKH für eine von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 14.5.2019 bereits begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Die Revision wäre daher nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG vorgeschriebenen Form dargelegt wäre. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unten 2.).
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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2. Die unabhängig vom Antrag auf Bewilligung von PKH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
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In seiner Beschwerdebegründung vom 14.5.2019 macht der Kläger ausschließlich Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend, die darin zu sehen seien, dass auf den Sachverständigen Prof. Dr. Sch. durch Übersendung älterer Gutachten sowie berufskundlicher Stellungnahmen seitens des Gerichts und mittelbar durch die Beklagte unzulässig Einfluss genommen worden sei. Zudem habe das LSG ein weiteres Gutachten einholen und Fragen zur Wegefähigkeit des Klägers nachgehen müssen. Schließlich fehle dem Gutachten Prof. Dr. Sch. jegliche Aussage zu den Auswirkungen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Kläger auf dessen Lebenserwartung.
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Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG - juris RdNr 29). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
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Einen Verfahrensmangel meint der Kläger zunächst darin zu erkennen, dass das LSG dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. für die Begutachtung die in erster Instanz eingeholten Gutachten und medizinischen Äußerungen sowie aus anderen Verfahren beigezogene berufskundliche Stellungnahmen ua von Frau S. H. übersandt und den Sachverständigen aufgefordert habe, sich mit den Vorgutachten kritisch auseinanderzusetzen bzw die Stellungnahmen für die Begutachtung zu verwenden. Insofern bleibt jedoch schon unklar, welche Verfahrensnorm konkret der Kläger durch dieses Vorgehen des LSG verletzt sieht. Zu Recht verweist er auf § 118 Abs 1 SGG iVm § 404a ZPO, wonach das Gericht die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten hat und ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen kann. Es hat dem Sachverständigen die Tatsachenfeststellungen vorzugeben und schriftliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Das Gutachten muss unter Beachtung des Inhalts der Akten erstellt werden. Dass dies, wie unter Bezug auf Greger (in Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 404a RdNr 4) behauptet, für Krankenunterlagen nur eingeschränkt gelten soll, ist der aktuellen Kommentierung nicht mehr zu entnehmen. Danach wird ausdrücklich betont, dass das Gericht im Rahmen der Tatsachenfeststellung nach § 404a Abs 3 ZPO auch die Vorlage von Krankenunterlagen anordnen könne und in Arzthaftungsfällen dem Sachverständigen die nach § 144 ZPO beigezogenen Krankenunterlagen zur Verfügung zu stellen habe (Greger in Zöller, ZPO, 33. Aufl 2020, § 404a ZPO RdNr 3 f mwN). Zugleich dürfe der Sachverständige Befundtatsachen, dh solche, die nicht den äußeren Sachverhalt, sondern die Anwendung seiner Sachkunde auf diesen betreffen, soweit dies vom Gutachtensauftrag umfasst ist, selbst ermitteln, also zB vorbehandelnde Ärzte befragen oder Krankenunterlagen einsehen (Greger in Zöller, ZPO, 33. Aufl 2020, § 404a ZPO RdNr 7 mit Hinweis auf BGH Beschluss vom 17.8.2011 - V ZB 128/11 - NJW-RR 2011, 1459 - juris RdNr 18). Dementsprechend ist in der Sozialgerichtsbarkeit anerkannt, dass ein Beteiligter nicht mit dem Vortrag, ein Sachverständiger schreibe vom anderen ab, verlangen kann, dass dem Sachverständigen die Vorgutachten nicht zur Verfügung gestellt werden. Auch datenschutzrechtliche Hindernisse stehen einer Zuleitung der vollständigen Akten an den Sachverständigen nicht entgegen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 118 RdNr 11e mwN). Vor diesem Hintergrund hätte es in der Beschwerdebegründung eingehender und in sich schlüssiger Darlegungen dazu bedurft, warum die verfahrensrechtlich grundsätzlich gebotene Zuleitung der genannten Unterlagen vorliegend ausnahmsweise verfahrensfehlerhaft gewesen sei. Allein die Behauptung, der Sachverständige habe die Beweisfragen auch ohne diese Unterlagen beantworten können, genügt schon deshalb nicht, weil die Beweisfragen mit der Beschwerdebegründung nicht mitgeteilt werden. Entgegen den oben dargestellten Anforderungen ist das Beschwerdegericht bereits hierdurch nicht in der Lage, allein aufgrund der Begründung darüber zu befinden, ob der vermeintliche Verfahrensmangel vorliegen könnte.
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Ein Verfahrensmangel wird ebenfalls nicht formgerecht bezeichnet, soweit der Kläger aufgrund der vom LSG an den Sachverständigen übersandten Unterlagen eine unzulässige Einflussnahme sieht und Bedenken im Hinblick auf eine "objektive und unabhängige Begutachtung" äußert, womit er Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Sachverständigen zum Ausdruck bringt. Nach § 118 Abs 1 SGG iVm § 406 Abs 1 und 2 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund hätte in der Beschwerdebegründung ausgeführt werden müssen, dass der Kläger an einer Ablehnung des Sachverständigen noch während des Berufungsverfahrens gehindert gewesen sei oder das LSG einen Ablehnungsantrag zu Unrecht übergangen bzw aus willkürlichen oder manipulativen Erwägungen zurückgewiesen habe (vgl BSG Beschluss vom 6.8.2019 - B 9 V 14/19 B - juris RdNr 10). Dies wird jedoch nicht vorgetragen.
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Den Anforderungen an die Rüge eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) genügt die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht, weil der Kläger entgegen § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG keinen Beweisantrag benennt, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Ein solcher Antrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). Ein bloßes Beweisangebot, wie es in der Beschwerdebegründung genannt wird, genügt diesen Anforderungen nicht.
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Schließlich wird kein rügefähiger Verfahrensmangel benannt, wenn sich der Kläger darauf beruft, die vom LSG dem Sachverständigen übersandten Unterlagen zu bestimmten Berufsbildern seien nicht mehr aktuell und zum Großteil bereits unzutreffend. Dies gilt auch für den Hinweis, das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. enthalte keine Aussage zu den Auswirkungen der Aufnahme einer täglichen Arbeit von 6 Stunden auf den Gesundheitszustand und die Lebenserwartung des Klägers. Beide Aspekte unterliegen der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel aber nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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