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BSG 12.04.2018 - B 3 KR 46/17 B
BSG 12.04.2018 - B 3 KR 46/17 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung eines Verfahrensmangels - Willkür
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 3 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG München, 18. November 2015, Az: S 3 KR 769/13
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 6. Juli 2017, Az: L 4 KR 569/15, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.
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Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert wird auf 31 932,82 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Das Bayerische LSG hat mit Urteil vom 6.7.2017 einen Anspruch der klagenden GmbH - die ein Sanitätshaus betreibt - gegen die beklagte Krankenkasse auf Schadensersatz aus einem (vorvertraglichen) Schuldverhältnis in Höhe der entgangenen Vergütungsforderung von insgesamt 31 932,82 Euro nebst Zinsen seit 7.3.2013 für die Versorgung von Versicherten mit Stoma-Hilfsmitteln mangels Verschulden der Beklagten nach § 276 BGB für die Zeit vom 1.1.2011 bis 30.8.2011 verneint.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie rügt Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht formgerecht aufgezeigt hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
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Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel, dass das Urteil des LSG auf Willkür beruhe. Aus diesem Grund sei sie in ihren Rechten aus Art 3 Abs 1 GG verletzt. Hierzu führt sie aus, dass das Berufungsgericht keine sachliche Begründung für seine Ansicht gegeben habe, dass § 276 Abs 2 BGB so auszulegen sei, dass eine Pflichtverletzung des Schuldners von diesem nicht zu vertreten sei, wenn er nicht willkürlich, sondern sachlich geleitet war. Die angegebenen Zitatstellen stützten die Rechtsansicht des Berufungsgerichts unter keinem denkbaren Gesichtspunkt. Insbesondere sei das Berufungsgericht nach Auswertung der Rechtsprechung des BGH bewusst von dieser Rechtsprechung abgewichen (BGH, NJW 2014, 2717, RdNr 34 ff). Das Berufungsgericht habe keinen sachlichen Grund für die abweichende Auffassung von dieser Rechtsprechung benannt. Es habe sich auch nicht mit der Rechtsprechung des BGH auseinandergesetzt. Das LSG habe den aus "Palandt-Grüneberg, 76. A. 2017, § 276 Rn 22 ff" entnommenen Verweis auf den BGH (NJW 1974, 1903) unzutreffend auf den zu entscheidenden Fall angewandt. Insofern habe das LSG auch entgegen der Rechtsprechung des BGH den Rechtssatz aufgestellt, "dass fahrlässiges Verhalten beim Rechtsirrtum des Schuldners ausscheidet, wenn er bei der Pflichtverletzung nicht willkürlich, sondern sachlich geleitet handelte". Daher sei die Begründung des LSG nicht nachvollziehbar und auch objektiv willkürlich.
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Zur Darlegung eines formgerechten Verfahrensmangels hat die Klägerin eine Verletzung des Willkürverbots in Ausprägung des Anspruchs auf ein faires Verfahren (vgl dazu BVerfGE 86, 59, 62 f; BVerfG vom 13.11.2007, NJW 2008, 570) iVm dem Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG (vgl BVerfGE 87, 273, 278 f) damit nicht hinreichend aufgezeigt. Denn Willkür liegt nicht schon dann vor, wenn eine Entscheidung unzutreffend ist, sondern erst, wenn sie unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist, wenn die Rechtsanwendung nicht mehr verständlich ist und sich deswegen der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhe. Die Rechtslage muss daher in krasser Weise verkannt worden sein (vgl BSG Beschluss vom 11.8.1989 - 2 BU 56/89 - Juris RdNr 10 mwN zum Willkürverbot). Das ist aber nicht der Fall, wenn sich das Gericht - wie hier über mehrere Seiten - mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jeder sachlichen Begründung entbehrt (vgl BVerfG NJW 2000, 2494). Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs hat die Klägerin willkürliches und gegen Art 3 Abs 1 GG relevantes Handeln des LSG nicht hinreichend dargelegt.
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Im Kern ihrer Ausführungen rügt die Klägerin, dass das LSG einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, der von der Rechtsprechung des BGH abweiche. Eine Divergenzrüge ist aber schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nur gegen die Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG möglich. Hingegen ist die Zulassung wegen Divergenz gegen eine Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofes des Bundes oder des EuGH nicht zulässig (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 11 mwN).
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2. Die Klägerin hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinreichend dargelegt.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
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Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Die Klägerin für grundsätzlich bedeutsam die Frage,
"ob bei gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechender Anwendung des § 276 Abs. 2 BGB beim Rechtsirrtum des Schuldners Verschulden dann nicht vorliegt, wenn von ihm zwar mit einer abweichenden Meinung des Gerichtes zu rechnen ist, die pflichtwidrige Handlung aber nicht willkürlich, sondern sachlich geleitet war?"
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Es ist bereits fraglich, ob es sich nicht um eine auf den Einzelfall der Klägerin zugeschnittene Frage handelt, der es von vornherein an einer über diesen Einzelfall hinausgehenden Breitenwirkung fehlt. Dies kann aber dahingestellt bleiben, weil es an ausreichendem Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Fragestellung fehlt. Dem steht nicht bereits entgegen, dass sich die Klägerin für die Klärungsbedürftigkeit auf höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH beruft. Sie hätte dann aber vortragen müssen, dass der BGH die aufgeworfene Fragestellung entweder noch nicht entschieden habe oder dass neuer Klärungsbedarf auf der Basis bereits vorhandener Rechtsprechung des BGH entstanden sei. Anstelle dessen hat die Klägerin aber selbst vorgetragen, dass die von ihr formulierte Frage nach der Rechtsprechung des BGH hätte beantwortet werden können und dass das LSG aus der insoweit relevanten Rechtsprechung des BGH lediglich unzutreffende Folgerungen gezogen habe (s bereits oben 1.). Die vermeintliche Unrichtigkeit einer Entscheidung des Berufungsgerichts eröffnet aber nicht die Revisionsinstanz (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Es bleibt im Übrigen auch unklar, ob die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre. Hierzu führt die Klägerin aus, dass das Berufungsgericht hätte prüfen müssen, ob nach den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls die Beklagte mit einer abweichenden Meinung in Bezug auf die Auflage des Stomatherapeuten ernsthaft rechnen musste, was seinerzeit bereits die Zulassung der Revision indizierte. Die Beklagte sei damit bewusst das Risiko eines Rechtsirrtums eingegangen. Aus diesen Darlegungen ergibt sich nicht klar und deutlich, dass das Revisionsgericht im Fall der Revisionszulassung die von der Klägerin aufgeworfene Frage in entscheidungserheblicher Weise einer Klärung zuführen müsste.
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Auch soweit die Klägerin weitere Verfahrensfehler bemängelt, insbesondere, dass das LSG in dem angefochtenen Berufungsurteil die Revision nicht zugelassen habe, liegt darin kein hinreichendes Aufzeigen eines Verfahrensfehlers. Denn wie bereits ausgeführt, ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsurteil auf einer klärungsbedürftigen und -fähigen abstrakten Rechtsfrage des LSG beruht.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
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