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BSG 23.07.2015 - B 8 SO 36/15 B
BSG 23.07.2015 - B 8 SO 36/15 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Zulässigkeit der Berufung - Rechtsschutzbedürfnis - Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen - Schuldenübernahme - Auszahlung an den Vermieter
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 34 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 36 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 24.03.2011
Vorinstanz
vorgehend SG Hamburg, 7. November 2013, Az: S 20 SO 300/10, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Hamburg, 1. Oktober 2014, Az: L 4 SO 103/13, Urteil
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. Oktober 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Im Streit ist die Zahlung von Sozialhilfeleistungen (Übernahme von bestehenden Mietzinsschulden) an die Vermieterin des Klägers (Bescheid vom 18.12.2009; Widerspruchsbescheid vom 10.5.2010). Klage und Berufung, gerichtet auf die Abänderung dieses Bescheids bzw Feststellung seiner Rechtswidrigkeit, soweit die Zahlung an die Vermieterin erfolgt ist, sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Hamburg vom 7.11.2013; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Hamburg vom 1.10.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dem Kläger fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, weil weder die Abänderung des Bescheids noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit die Stellung des Klägers verbessern würde.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er macht ua sinngemäß geltend, das SG und das LSG hätten eine Sachentscheidung treffen müssen.
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II. Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), den der Kläger den Anforderungen des § 160 Abs 2 Satz 3 SGG entsprechend bezeichnet hat. Das LSG hat zu Unrecht durch Prozessurteil statt durch Sachurteil entschieden (vgl dazu: BSGE 34, 236, 237 = SozR Nr 57 zu § 51 SGG; BSGE 35, 267, 271 = SozR Nr 5 zu § 551 RVO Bl Aa 8; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 658 ff mwN). Da der gerügte Verfahrensfehler auch vorliegt, hat der Senat das angefochtene Urteil gemäß § 160a Abs 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Ob sich die Entscheidung des LSG aus anderen Gründen als richtig erweist, was dem Senat unter Umständen eine Entscheidung in der Sache hätte ermöglichen können (vgl dazu nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 19e mwN), kann nicht abschließend beurteilt werden, weil für eine Entscheidung in der Sache erforderliche tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) fehlen bzw (erstmals) Rechtsfragen zu entscheiden wären, zu denen die Beteiligten keine Möglichkeit hatten, Stellung zu nehmen.
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Der Kläger rügt zu Recht, das LSG hätte in der Sache entscheiden müssen und kein Prozessurteil erlassen dürfen. Zwar hat das LSG die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG als unbegründet zurückgewiesen, sich in seiner Begründung jedoch die Ausführungen des SG zur Klageabweisung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zu eigen gemacht (§ 153 Abs 2 SGG). Der in der Entscheidung des SG liegende Verfahrensfehler hat sich damit in der angefochtenen Entscheidung des LSG fortgesetzt (vgl insoweit: BSG, Beschluss vom 23.6.2015 - B 1 KR 18/15 B -; SozR 3-1500 § 73 Nr 10; BSGE 4, 200, 201; vgl auch BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 216).
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Wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses kann eine Klage - soweit hier einschlägig - allenfalls abgewiesen werden, wenn die Gerichte unnütz in Anspruch genommen werden, weil die begehrte Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern kann (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, Vor § 51 RdNr 16a mwN). Dies ist hier allerdings nicht der Fall; dem Kläger stand ein Rechtsschutzbedürfnis für seine Klage zu, die unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes nur auf Abänderung, nicht, wie SG und LSG dies gesehen haben, auf Aufhebung des begünstigenden Teils des Bescheids vom 18.12.2009 bzw des Widerspruchsbescheids gerichtet sein konnte, soweit es die Auszahlung der Leistungen unmittelbar an den Vermieter anbelangt.
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Nach § 34 Abs 1 Satz 1 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung (jetzt: § 36 Abs 1 Satz 1 SGB XII) können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Ob es im Rahmen des § 34 SGB XII überhaupt erlaubt ist, Leistungen an Dritte auszuzahlen und ggf unter welchen Bedingungen (vgl dazu nur Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 36 SGB XII RdNr 9, und § 362 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch), ist allerdings regelmäßig keine Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Klage auf Zahlung an sich selbst, sondern der Begründetheit. Dies gilt insbesondere, wenn der Kläger - wie hier - geltend macht, durch die Zahlung direkt an den Vermieter in seinen Rechten diesem gegenüber eingeschränkt zu werden und nur unter nicht eingetretenen Bedingungen zugestimmt zu haben. Ob der Sozialhilfeträger deshalb berechtigt war, Zahlungen an den Vermieter zu leisten, ist durch das LSG in der Sache zu prüfen.
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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