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BSG 03.11.2014 - B 12 KR 48/14 B
BSG 03.11.2014 - B 12 KR 48/14 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Bezeichnung des Verfahrensmangels - Fehler der Niederschrift der mündlichen Verhandlung - Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 122 SGG, § 128 Abs 2 SGG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Gotha, 19. Juli 2010, Az: S 38 KR 675/10, Gerichtsbescheid
vorgehend Thüringer Landessozialgericht, 25. Februar 2014, Az: L 6 KR 865/10, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. Februar 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 1.5.2009 bis 31.12.2012 als freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1. zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung verpflichtet oder als Opfer einer Gewalttat hiervon befreit ist.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer LSG vom 25.2.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels trotz seines umfänglichen Vorbringens entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
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Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
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Soweit ersichtlich beruft sich der Kläger in der Beschwerdebegründung vom 27.5.2014 sinngemäß auf alle drei Zulassungsgründe.
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1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist größtenteils bereits unzulässig, weil er sich in der 21 Seiten umfassenden Begründung darauf beschränkt, eine Vielzahl von Einzelaspekten aufzuführen, ohne sie hinreichend zu systematisieren und zu strukturieren. Die Ausführungen zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde müssen aber ein Mindestmaß an Klarheit und Verständlichkeit aufweisen (vgl BSG Beschluss vom 3.11.2010 - B 6 KA 35/10 B - Juris mwN). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts aus einem Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 mwN). Ist der Inhalt einer Beschwerdebegründung nicht oder nur sehr schwer verständlich, liegt eine ordnungsgemäße Begründung nicht vor; denn der in den Verfahren vor dem BSG nach § 73 Abs 4 SGG bestehende Vertretungszwang soll gerade sicherstellen, dass der Inhalt der Beschwerdebegründung und das Begehren des Beschwerdeführers vom Beschwerdegericht ohne großen Aufwand zu ermitteln ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung überwiegend nicht gerecht.
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2. Auch im Übrigen genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen.
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a) Unter Nr I der Beschwerdebegründung macht der Kläger geltend, das LSG habe "schwerwiegende und verfahrensentscheidende Fehler" begangen. Entgegen "der falschen Tatsachenbehauptung" im angefochtenen Urteil seien keineswegs die Bescheide der Beklagten vom 18.4.2011 gegenständlich gewesen. "Überraschend" sei in der Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung vom 25.2.2014 in wörtlicher Rede eine angebliche Erklärung des Klägers "falsch behauptet" worden, welche der Kläger niemals abgegeben habe. Das LSG behaupte im angefochtenen Urteil "falsch", dass die Klagen gegen die Bescheide vom 18.4.2011 abgewiesen worden seien, obwohl es niemals Klagen gegen die Bescheide vom 18.4.2011 gegeben habe. Gegenständlich sei ausschließlich die Klage vom 29.1.2010 gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 29.12.2009, Az 0450 III/5251/09, gewesen. Das LSG habe unzulässig nur einen der beiden Bescheide vom 18.4.2011 der Beklagten erfasst.
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Mit diesen Ausführungen zeigt der Kläger entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG einen Verfahrensmangel nicht den Zulässigkeitsanforderungen entsprechend auf.
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Um sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BSG auf einen angeblichen Fehler der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem LSG berufen zu können, muss der Beschwerdeführer zumindest vortragen, er habe die Berichtigung der Sitzungsniederschrift beantragt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 122 RdNr 9 aE mwN). Dies trägt der Kläger aber nicht vor.
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b) Unter Nr II der Beschwerdebegründung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, der vom LSG herangezogene § 96 SGG sei nicht anwendbar, weil es an den beiden notwendigen Verwaltungsakten ermangele, nämlich den Widerspruchsbescheiden über die beiden Widersprüche vom 23.5.2011.
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Auch insoweit ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, weil der Kläger im Kern seines Vorbringens ersichtlich nur eine vermeintliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils rügt. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
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c) Unter Nr III beruft sich der Kläger darauf, sechs Beweisanträge gestellt und dezidiert begründet zu haben. Das angefochtene Urteil beweise, dass ihm in schwerwiegend entscheidungserheblicher Weise das rechtliche Gehör verweigert worden sei und dass das LSG nicht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht habe, sondern die tatsächliche Sach- und Rechtslage zum schwerwiegenden Nachteil des Klägers ausgeblendet habe. Das LSG sei verpflichtet gewesen, entweder die beantragten Beweiserhebungen durchzuführen oder durch exakt begründete Beschlussfassungen die Beweisanträge zurückzuweisen.
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Die Beschwerdebegründung genügt auch insoweit nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil der Kläger schon nicht die Regelung in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG berücksichtigt und nicht darlegt, dementsprechend Beweisanträge gestellt und in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG ausdrücklich aufrechterhalten zu haben (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 18c mwN). Soweit der Kläger einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2 SGG) geltend machen will, hätte er zunächst alle Umstände darlegen müssen, aus denen sich nach seiner Auffassung die Nichtbeachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt. Außerdem muss die Beschwerdebegründung Ausführungen dazu enthalten, was der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung des Rechts auf rechtliches Gehör noch vorgetragen hätte und inwieweit sein Vortrag geeignet gewesen wäre, das Gericht zu einer anderen Entscheidung zu führen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 696 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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d) Unter Nr IV macht der Kläger geltend, das LSG habe keine Rechtsgrundlage gehabt, die Revision nicht zuzulassen. Es liege nicht in der Entscheidungsbefugnis des LSG, "abwegig" zu behaupten, Gewalttaten, wie die dem Kläger zugefügte, seien als allgemeines Lebensrisiko einzustufen. "Diese Haltung" des LSG verstoße zudem gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung.
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Auch insoweit genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil sich der Kläger schon nicht mit § 160 Abs 1 SGG und den dortigen Regelungen über die Zulassung der Revision befasst. Soweit der Kläger eine entscheidungserhebliche Abweichung geltend machen will (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG), genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil er schon nicht darlegt, dass das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen hat, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, welcher abstrakte Rechtssatz in höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und legt nicht dar, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
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e) In Nr V der Beschwerdebegründung führt der Kläger den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) an. Das LSG habe "nicht eine Entscheidung des BSG und/oder des BVerfG bezogen, welche die abwegigen Auffassungen des LSG … stützen könnte". Dem LSG habe bekannt sein müssen, dass es nirgendwo im SGB V Regelungen für Opfer von Gewalttaten explizit gebe. Grundsätzliche Bedeutung bestehe auch, weil der Kläger von August 2007 bis Juni 2008 "falschen ärztlichen Diagnosen und den darauf gründenden falschen Therapien" ausgesetzt gewesen sei. Deren Folgen seien den Betroffenen, insbesondere den Opfern einer Gewalttat, keineswegs auferlegbar.
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Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge damit schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 Nr 70 mwN). Denn der Kläger hat schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen (Bundes-)Norm (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).
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f) Unter Nr VI trägt der Kläger vor, sein Prozessbevollmächtigter habe bei seiner Recherche der höchstrichterlichen Rechtsprechungen keine Entscheidungen im Juris-Rechtsportal aufgefunden, in welchen höchstrichterlich bestimmt worden sei, dass die Folgen einer Gewalttat als Krankheit einzustufen und demgemäß vom Sozialversicherungsträger wie eine Erkrankung zu behandeln seien. Das BSG habe sich zur Definition der Krankheit im Sozialversicherungsrecht dahingehend festgelegt, dass unter Krankheit ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, verstanden würde, ohne explizit auf die Verursachung der eingetretenen Regelwidrigkeit abzustellen. Die Zeit sei reif, diese Definition neu zu überdenken und insbesondere der Verursachung der Regelwidrigkeit des Körper- oder Geisteszustandes konkrete Beachtung zuzuordnen, einhergehend mit konkreten Ableitungen von Folgebestimmungen in Abhängigkeit der eingetretenen Regelwidrigkeit.
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Auch insoweit genügt die Beschwerdebegründung den oben unter Nr 2 e) dargestellten Zulässigkeitsanforderungen für eine Grundsatzrüge nicht. Der Kläger unterlässt im Übrigen jedwede Auseinandersetzung mit der Rechtslage (ua § 220 Abs 1 S 1, § 240 Abs 1, § 250 Abs 2, § 252 Abs 1 S 1 SGB V) und der hierzu ergangenen, umfangreichen Rechtsprechung.
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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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