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BSG 31.10.2012 - B 2 U 245/12 B
BSG 31.10.2012 - B 2 U 245/12 B - (Sozialgerichtliches Verfahren - Anspruch auf rechtliches Gehör - Antrag auf mündliche Anhörung eines Sachverständigen - Amtsermittlungsgrundsatz gem § 106 SGG)
Normen
Vorinstanz
vorgehend SG Dortmund, 17. März 2006, Az: S 21 U 98/05
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 14. Februar 2012, Az: L 15 U 119/06, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 2012 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen, weil der von ihm geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), nicht ausreichend bezeichnet ist. Die Beschwerde war daher ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
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Der Kläger hat in seiner Beschwerde nicht hinreichend bezeichnet, inwiefern gerade eine mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. A. zusätzlich zu der bereits erfolgten Übersendung und Beantwortung eines Fragenkatalogs durch diesen Sachverständigen - durch das LSG geboten gewesen wäre. Der Kläger trägt selbst vor, dass das LSG ihn aufgefordert habe, dem Sachverständigen schriftliche Fragen vorzulegen, die dieser dann auch beantwortet hat. Dass die Antworten den Kläger inhaltlich nicht überzeugten, stellt für sich noch keine hinreichende Darlegung der Notwendigkeit dar, dass das LSG den Sachverständigen auch noch zu einer mündlichen Erörterung der schriftlich gestellten Fragen laden musste.
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Der Senat hat - ebenso wie andere Senate des BSG - mehrfach betont, dass einem Beteiligten das Recht zusteht, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (vgl zuletzt BSG Beschluss vom 18.7.2012 - B 2 U 105/12 B -; BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl auch BSG Beschluss vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B -; BSG Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 247/09 B -; BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1; BSG Beschluss vom 24.4.2008 - B 9 SB 58/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 2; BSG Beschluss vom 12.12.2006 - B 13 R 427/06 B). Es reicht hierfür grundsätzlich aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 VS 2/99 R - SozR 3-1750 § 411 Nr 1 und BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1), zB auf Lücken, Widersprüche oder Unklarheiten hinzuweisen.
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Art 103 Abs 1 GG gebietet, dass sowohl die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall ein Maß an rechtlichem Gehör eröffnet, das dem Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht wird und den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (vgl BVerfGE 55, 1, 6; 60, 305, 310; 74, 228, 233). Insbesondere haben die Beteiligten einen Anspruch darauf, sich vor Erlass der gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern. Dem entspricht die Verpflichtung der Gerichte, Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 67, 39, 41; 86, 133, 146). Nicht jeder Verstoß gegen Vorschriften des Verfahrensrechts ist aber zugleich auch eine Verletzung des Art 103 Abs 1 GG. Die Schwelle einer solchen Verfassungsverletzung wird vielmehr erst erreicht, wenn die Gerichte bei der Auslegung oder Anwendung des Verfahrensrechts die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf rechtliches Gehör verkannt haben (vgl BVerfGE 60, 305, 310 f).
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger (BVerfG Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273). Nach § 118 Abs 1 SGG iVm §§ 397, 402 ZPO sind die Beteiligten nach § 70 SGG berechtigt, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten. Der BGH hat daraus in ständiger Rechtsprechung die Pflicht der Gerichte abgeleitet, dem Antrag einer Partei auf mündliche Befragung gerichtlicher Sachverständiger nachzukommen (vgl BGHZ 6, 398, 400 f; BGH Urteil vom 21.10.1986 - VI ZR 15/85 - NJW-RR 1987, 339, 340; BGH Urteil vom 17.12.1996 - VI ZR 50/96 - NJW 1997, 802, 802 f; zur Rechtsprechung des BSG vgl Beschluss vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B -; Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 247/09 B -; Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1; Beschluss vom 24.4.2008 - B 9 SB 58/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 2; Beschluss vom 12.12.2006 - B 13 R 427/06 B). Auf die Frage, ob das Gericht selbst das Sachverständigengutachten für erklärungsbedürftig hält, kommt es nicht an. Es gehört zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, dass die Parteien den Sachverständigen Fragen stellen, ihnen Bedenken vortragen und sie um eine nähere Erläuterung von Zweifelspunkten bitten können (BGH Urteil vom 21.10.1986, aaO).
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Beachtet ein Gericht diese verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht, so liegt darin jedenfalls dann ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es einen Antrag auf Erläuterung des Sachverständigengutachtens völlig übergeht oder ihm allein deshalb nicht nachkommt, weil das Gutachten ihm überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint (BVerfG Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17.1.2012 - 1 BvR 2728/10 - NJW 2012, 1346). Dagegen verlangt Art 103 Abs 1 GG nicht, einem rechtzeitigen und nicht missbräuchlichen Antrag auf Anhörung der Sachverständigen ausnahmslos Folge zu leisten.
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Die mündliche Anhörung des Sachverständigen ist zwar die nächstliegende, aber nicht die einzig mögliche Behandlung eines derartigen Antrags im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 106 SGG (BVerfG Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3.2.1998, aaO; vgl BGH Urteil vom 10.12.1991- VI ZR 234/90 - NJW 1992, 1459 f). Dazu bieten sich mehrere Möglichkeiten an: Das Gericht kann den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen oder ihn, wenn dies zweckmäßiger erscheint, zur mündlichen Verhandlung laden und befragen. Es kann stattdessen nach § 412 ZPO auch ein weiteres Gutachten einholen (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - mwN).
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Mithin wäre zur erfolgreichen Rüge eine Verletzung der § 118 SGG iVm §§ 397, 402, 411 ZPO, § 202 SGG erforderlich gewesen aufzuzeigen, dass die umfangreiche schriftliche Befragung des Prof. Dr. A. nicht ausreichend gewesen sei. Hierfür reicht es - wie ausgeführt - nicht aus, dass der Kläger vorträgt, mit diesen Antworten (und insbesondere der Einschätzung des Stellenwerts der sog PET-Diagnostik) nicht einverstanden gewesen zu sein. Vielmehr hätte aufgezeigt werden müssen, welche zusätzlichen Erkenntnisse gerade durch eine mündliche Befragung des Sachverständigen zu erzielen gewesen wären.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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