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BSG 20.07.2010 - B 1 KR 29/10 B
BSG 20.07.2010 - B 1 KR 29/10 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht - Beschwerdebegründung - Bezeichnung eines Beweisantrags
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 103 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Potsdam, 5. März 2009, Az: S 45 KR 28/05
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 28. Januar 2010, Az: L 1 KR 161/09, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Januar 2010 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Die 1972 geborene, bei der beklagten Ortskrankenkasse bis zum 31.12.2007 versichert gewesene Klägerin, die an einem angeborenen Herzfehler leidet und einen Herzschrittmacher trägt, ist mit ihrem Begehren, die Beklagte möge ihr die Kosten in Höhe von 470,70 Euro für die Beschaffung des nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels Tromcardin (Kalium-/Magnesiumpräparat) auf Grundlage von Privatrezepten erstatten, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat im Wesentlichen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen und ua ausgeführt: Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V sei für die Zeit bis 27.9.2004 schon deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin erst am 27.9.2004 die Kostenerstattung beantragt habe. Für die Zeit danach seien die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt, weil ein entsprechender Sachleistungsanspruch zu verneinen sei. Tromcardin sei als nicht verschreibungspflichtiges Medikament grundsätzlich nach § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Eine Ausnahme sei von dem Gemeinsamen Bundesausschuss in den Arzneimittelrichtlinien nicht anerkannt worden; vielmehr habe er ausdrücklich eine Anwendung der Magnesium- und Magnesium-Kalium-Präparate zur kardialen Therapie abgelehnt. Ein auf verfassungsrechtliche Grundsätze gestützter Anspruch scheide aus, weil Behandlungsalternativen in Form von Monopräparaten zur Verfügung stünden. Die bei der Klägerin unter Umständen auftretenden Nebenwirkungen seien nicht lebensgefährlich, so dass die Voraussetzungen des Beschlusses des BVerfG vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) nicht vorlägen. Ferner seien keine Erkenntnisse darüber gegeben, dass die Klägerin nicht andere Präparate einnehmen könne, bei denen keine Nebenwirkungen aufträten (Urteil vom 28.1.2010).
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Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz zu einer Entscheidung des BVerfG und Verfahrensfehler des LSG.
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II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 Nr 1, 2 und 3 SGG.
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1. Die Klägerin legt den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers nicht hinreichend dar. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - darauf stützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), muss bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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Soweit - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Unklar ist insbesondere, welchen konkreten und bei Zustellung des Urteils vom 28.1.2010 noch bestehenden Beweisantrag das LSG übergangen haben soll. Die - im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene - Klägerin hat in der Beschwerdebegründung ausgeführt, sie habe in der Berufungsbegründung vom 30.6.2009 "unter Beweisantritt vorgetragen, dass es keine anderen von der Klägerin vertragenden Mono- oder Kombipräparate" gebe; diesen Beweisantrag habe sie mit Schriftsatz vom 11.1.2010 - der allerdings aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht zur Gerichtsakte gelangt sei - wiederholt. Sie legt aber nicht dar, dass sie diesen Antrag aufrechterhalten hat, obwohl sie auf die Verfügung des LSG vom 11.8.2009 (Hinweis, weitere Beweiserhebungen nach § 106 SGG seien nicht beabsichtigt und die Frist zur Benennung eines Sachverständigen nach § 109 SGG betrage drei Wochen) gar nicht reagiert hat und auf die Nachfrage vom 16.9.2009 (Bitte um Mitteilung, ob Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe) nur ihr Einverständnis mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt hat, ohne einen formellen Beweisantrag zu stellen. Ein solcher Beweisantrag muss aber grundsätzlich - wenn wie hier eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht - jedenfalls im Urteilstatbestand aufgeführt worden sein oder zumindest in der Beschwerdebegründung - mit Angabe der Fundstelle in den Akten - im Zusammenhang mit der Darlegung bezeichnet sein, dass der (echte) Beweisantrag anlässlich der Erklärung des Einverständnisses mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung entweder erstmals ausdrücklich gestellt oder wiederholt worden ist (vgl zu § 153 Abs 4 SGG: BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31; zu § 124 Abs 2 SGG: BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 20; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32 f). Das ist nicht geschehen. Mit ihrem Vorbringen, sie habe - wie ihr Postausgangsbuch belege - einen Schriftsatz vom 11.1.2010 an demselben Tage mit einem solchen Beweisantrag an das LSG gesandt, legt die Klägerin nicht hinreichend dar, weshalb das LSG dieses Schreiben berücksichtigen musste, obwohl ein Gericht nach allgemeinen Grundsätzen nur ihm zugegangene Schriftstücke zur Kenntnis nehmen kann und muss. Darlegungen zum Zugang des Schriftsatzes enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht. Deshalb bleibt unklar, ob die Klägerin einen formellen Beweisantrag auch zum maßgeblichen Zeitpunkt nach der Erteilung ihres Einverständnisses mit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung noch aufrecht erhalten hat (zum Erfordernis der Aufrechterhaltung von Anträgen vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31; SozR 4-1500 § 160 Nr 11 RdNr 7 mwN und Nr 12 RdNr 7 mwN).
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2. Die Klägerin legt auch die Voraussetzungen einer Grundsatzrevision nicht hineichend dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Daran fehlt es.
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Die Klägerin formuliert folgende Rechtsfrage:
"Ist es für eine Kostenübernahme für grundsätzlich nach § 34 SGB V ausgeschlossene und nicht in der Ausnahmeliste der der Arzneimittelrichtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses aufgenommene Arzneimittel erforderlich, dass eine andere Behandlungsmöglichkeit tatsächlich ausgeschlossen ist oder genügt es, dass bei Hinzutreffen weiterer atypischer Besonderheiten das Ausprobieren weiterer theoretisch verfügbarer Behandlungsmethoden lebensbedrohliche Risiken für die Versicherte mit sich bringen kann, so dass die gesetzliche Krankenversicherung auch bei theoretisch möglichen anderen Behandlungsmethoden verpflichtet ist, ein grundsätzlich nach § 34 SGB V ausgeschlossenes und nicht in der Ausnahmeliste der der Arzneimittelrichtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses aufgenommenes Arzneimittel bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung zu erstatten?"
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Der Senat lässt offen, ob die Frage klar formuliert und ob die Beschwerdebegründung angesichts der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu den Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung der Regelungen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl zB im Anschluss an BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5: BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - D-Ribose; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 30 f mwN - Tomudex; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 20 ff mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - Lorenzos Öl; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 - RdNr 9 mwN - ICL) hinreichend die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage darlegt. Jedenfalls macht die Klägerin nicht deutlich, dass die Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Sie berücksichtigt nicht, dass die vorhandenen Alternativen für ihre Behandlung mit Kalium-/Magnesiumpräparaten nach den Feststellungen des LSG entweder keine oder keine lebensbedrohlichen Nebenwirkungen haben. An diese Feststellungen, gegen die die Beschwerdebegründung keine zur Revision führende Gründe vorbringt (vgl dazu II.1.), ist der erkennende Senat gebunden (vgl § 163 SGG). Das LSG hat zudem einen Kostenerstattungsanspruch für die Selbstbeschaffung des Arzneimittels in der Zeit bis zum 27.9.2004 schon deshalb abgelehnt, weil der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden ist. Auch hierauf geht die Beschwerdebegründung nicht ein.
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3. Die Klägerin legt auch den Zulassungsgrund der Divergenz nicht hinreichend dar. Wird eine Rechtsprechungsdivergenz (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) gerügt, müssen entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in der höchstrichterlichen Entscheidung andererseits gegenüber gestellt und Ausführungen dazu gemacht werden, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl etwa BSG, Beschluss vom 19.09.2007 - B 1 KR 52/07 B; Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160a RdNr 15, § 160 RdNr 10 jeweils mwN). Eine Abweichung liegt indessen nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat; nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67).
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Die Klägerin macht die Divergenzrüge im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 (aaO) geltend, benennt jedoch keinen von dem LSG aufgestellten abstrakten und daher der Divergenz fähigen Rechtssatz, der im Widerspruch zu dieser Entscheidung des BVerfG steht und aus dem daher das Bedürfnis nach Herbeiführung von Rechtseinheit in einem Revisionsverfahren abgeleitet werden kann. Das Beschwerdevorbringen ist vielmehr im Kern darauf gerichtet, das LSG habe die höchstrichterliche Rechtsprechung, die auch im Falle der Klägerin heranzuziehen sei, nicht hinreichend beachtet. Dieser Vortrag betrifft nur die Unrichtigkeit der Rechtsanwendung. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde dient aber nicht dazu, die Richtigkeit des Urteils umfassend überprüfen zu lassen.
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4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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