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BSG 29.03.2010 - B 13 R 519/09 B
BSG 29.03.2010 - B 13 R 519/09 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Begründungsfrist - Antrag auf nochmalige Verlängerung - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Normen
§ 160a Abs 2 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 2 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 67 Abs 2 S 1 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 14. März 2006, Az: S 5 R 4517/05
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 9. Oktober 2009, Az: L 4 R 678/06, Beschluss
Tatbestand
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Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 9.10.2009 die Rechtmäßigkeit eines Bescheids bestätigt, durch den der beklagte Rentenversicherungsträger die Berufsunfähigkeitsrente des Klägers wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze aufgrund anzurechnenden Arbeitslosengeldes rückwirkend aufgehoben und eine Erstattungsforderung geltend gemacht hat.
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Der Kläger macht mit seiner beim Bundessozialgericht (BSG) erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten LSG-Beschluss, der seinem Prozessbevollmächtigten am 26.10.2009 zugestellt worden war, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
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Die Beschwerdebegründung ist am 27.1.2010 beim BSG eingegangen, nachdem zuvor die Frist zur Begründung der Beschwerde um einen Monat bis zum 26.1.2010 verlängert und ein weiterer Antrag vom 26.1.2010 auf Verlängerung der Begründungsfrist um einen zusätzlichen Tag abgelehnt worden war. Der Kläger hat am 26.2.2010 über seinen Prozessbevollmächtigten Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Dieser habe am 26.1.2010 gegen 17.15 Uhr einen Defekt seines bis dahin tadellos funktionierenden Telefaxgeräts festgestellt, den er an diesem Tag nicht mehr habe beheben lassen können. Es sei ihm nach Fertigstellung der Beschwerdeschrift am 26.1.2010 gegen 23.00 Uhr deshalb ohne Verschulden nicht mehr möglich gewesen, die Beschwerdeschrift noch rechtzeitig an das BSG zu übermitteln.
Entscheidungsgründe
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Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig, denn er hat die Begründung seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG erst am 27.1.2010 und damit nicht fristgerecht beim BSG eingereicht. Die Begründungsfrist lief am 26.1.2010 (Dienstag) ab, nachdem der LSG-Beschluss dem Kläger am 26.10.2009 zugestellt und die genannte Frist bereits um einen Monat verlängert worden war (§ 160a Abs 2 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Eine nochmalige Verlängerung dieser Frist - wenn auch, wie vom Kläger noch vor ihrem Ablauf beantragt, nur um einen Tag - war nicht statthaft, da § 160a Abs 2 Satz 2 SGG ausdrücklich nur eine Verlängerung "einmal bis zu einem Monat" erlaubt (BSG, Beschlüsse vom 2.4.1992 - 12 BK 7/91, Juris RdNr 11; vom 25.11.2003 - B 2 U 330/03 B, Juris RdNr 3; vom 20.1.2006 - B 11a AL 255/05 B, Juris RdNr 2; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160a RdNr 12).
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Dem Kläger kann keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Beschwerdebegründung gewährt werden. Er hat zwar einen entsprechenden Antrag am 26.2.2010 rechtzeitig vor Ablauf der einmonatigen Frist des § 67 Abs 2 Satz 1 SGG gestellt und auch die Beschwerdebegründung innerhalb dieser Frist - am 27.1.2010 - nachgeholt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war aber nicht "ohne Verschulden" an der rechtzeitigen Übermittlung der Beschwerdebegründung an das BSG gehindert (§ 67 Abs 1 SGG), und dieses Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger zuzurechnen (§ 202 SGG iVm § 85 Abs 2 Zivilprozessordnung - vgl BSGE 72, 158, 159 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7 S 17 sowie eingehend BSG, Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 72/07 B, BeckRS 2009-67148 RdNr 8 mwN).
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt hierzu vor, er habe die Fertigstellung der bereits zu etwas mehr als die Hälfte bearbeiteten Beschwerdebegründung am 26.1.2010 für die Zeit nach Beendigung des letzten Mandantengesprächs ab ca 17.40 Uhr eingeplant, um sie sodann noch rechtzeitig per Telefax an das BSG zu übermitteln. Nach Entdeckung eines Defekts seines bis dahin stets einwandfrei funktionierenden Faxgeräts gegen 17.15 Uhr habe er vergeblich versucht, die Funktionstüchtigkeit des Geräts wiederherzustellen; sodann habe er gegen 18.30 Uhr von einem Copy-Shop in der Nachbarschaft seiner Kanzlei aus den Fristverlängerungsantrag an das BSG gefaxt. Weil dieser Copy-Shop zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Beschwerdebegründung gegen 23.00 Uhr nicht mehr geöffnet gehabt habe - er schließe werktags um 20.00 Uhr -, habe ihm keine andere Möglichkeit mehr zur Verfügung gestanden, die Beschwerdebegründung noch fristgerecht an das Gericht zu übersenden.
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Diese vom Prozessbevollmächtigten geschilderten Umstände rechtfertigen auch dann, wenn sie als wahr unterstellt werden, nicht den Schluss, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.
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Allerdings dürfen nach ständiger Rechtsprechung die gesetzlich eingeräumten Rechtsmittelfristen voll ausgeschöpft werden, und zwar bis zum letzten Tag und in diesem Rahmen bis zur äußersten Grenze. Ein Rechtsmittelführer darf die Bearbeitung auch noch für den letzten Tag der Frist vorsehen, wenn er die fristwahrende Prozesshandlung - hier die Beschwerdebegründung - zB unter Einsatz eines Telefaxgeräts noch rechtzeitig vornehmen kann (BSGE 72, 158, 160 = SozR 3-1500 § 67 Nr 7 S 18 mwN). Bei voller Ausschöpfung der Frist muss er jedoch erhöhte Sorgfalt aufwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (BSG, aaO; s auch BGH, Beschluss vom 9.5.2006 - NJW 2006, 2637 RdNr 8). Eine Wiedereinsetzung ist somit ausgeschlossen, wenn der Rechtsmittelführer bzw sein Prozessbevollmächtigter nicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternimmt, die unter normalen Umständen zur Fristwahrung geführt hätten (BGH, aaO; s auch BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 11.5.2005 - NJW 2006, 829). Die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, dürfen dabei nicht überspannt werden (BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 1.8.1996 - NJW 1996, 2857; BVerwG, Beschluss vom 6.11.2007 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr 260).
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Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht alles in der konkreten Situation Erforderliche und ihm auch Zumutbare unternommen hat, um die in seinem Bereich entstandene und von ihm rechtzeitig erkannte Störung der Telefax-Kommunikation zu kompensieren. Die Übersendung eines weiteren Fristverlängerungsantrags unter Rückgriff auf das Telefaxgerät eines benachbarten Copy-Shops genügte hierfür nicht, denn dies war - wie sich dem Gesetzestext bzw einer Kommentierung zu § 160a SGG unschwer entnehmen ließ - aus Rechtsgründen von vornherein ungeeignet, eine Fristverlängerung zu erwirken. Aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten ist auch nicht ersichtlich, dass er - trotz des von ihm bereits gegen 17.15 Uhr bemerkten Defekts seines Faxgeräts - irgendwelche weiteren Bemühungen unternahm, um zB durch Rückgriff auf ein anderes, auch nach 20 Uhr zur Verfügung stehendes Faxgerät eine noch rechtzeitige Übermittlung der Beschwerdebegründung sicherzustellen. Solche Bemühungen sind aber insbesondere dann erforderlich, wenn die Telefax-Kommunikation nicht aufgrund von Defekten des Empfangsgeräts bei Gericht oder von Leitungsstörungen, sondern aufgrund eines funktionsunfähigen Sendegeräts im Verantwortungsbereich des Rechtsmittelführers fehlschlägt (vgl BVerfG <Kammer> NJW 1996, 2857, 2858; NJW 2006, 829). In einer solchen Situation darf er sich nicht einfach mit der Feststellung begnügen, dass eine Telefax-Sendung unter Einsatz seines eigenen Geräts unmöglich sei; er muss vielmehr das ihm Zumutbare unternehmen, um eine rechtzeitige Übermittlung gleichwohl sicherzustellen. Zwar würde das Verlangen nach einer Übermittlung der Beschwerdebegründung unter Einschaltung eines Kurierdienstes oder eines Taxifahrers jedenfalls in Bezug auf die Entfernung zwischen Berlin und Kassel das Maß des Zumutbaren zweifellos überschreiten (vgl BVerwG, Beschluss vom 6.11.2007 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr 260 RdNr 12). In gleicher Weise bedeutet das vorschnelle Aufgeben jeglicher (nahe liegender) Bemühungen um alternative Übermittlungsmöglichkeiten aber auch ein Unterschreiten der zumutbaren Sorgfaltspflichten (vgl BVerfG <Kammer> NJW 2006, 829). Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers, dessen Kanzlei sich im Zentrum Berlins (Moabit) befindet, wäre es beispielsweise zumutbar gewesen, alternative - auch unkonventionelle - Möglichkeiten für Telefax-Übermittlungen zB bei anderen Rechtsanwälten, in großen Kaufhäusern, am Bahnhof bzw Flughafen oder - auch nach 23 Uhr - in großen Hotels zu erkunden, wo erfahrungsgemäß Telefax-Geräte vorhanden sind, die gegebenenfalls auch Dritten zur Verfügung gestellt werden. Entsprechende Bemühungen und eventuelle Gründe für deren Erfolglosigkeit hat er jedoch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
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Die mithin nicht fristgerecht begründete Beschwerde des Kläger ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.
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