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BVerfG 24.10.2024 - 2 BvR 1031/24
BVerfG 24.10.2024 - 2 BvR 1031/24 - Nichtannahmebeschluss: Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bzgl einer 14-tägigen Fixierung und medizinischen Zwangsbehandlung während einer Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik - allerdings Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels Vorlage entscheidungserheblicher Unterlagen
Normen
Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 104 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 1 Abs 2 PsychKG NW, § 18 Abs 4 PsychKG NW
Vorinstanz
vorgehend LG Münster, 5. Juli 2024, Az: 05 T 245/24, Beschluss
vorgehend AG Münster, 17. Mai 2024, Az: 101 XIV(L) 194/24, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Zwangsmedikation und eine 5-Punkt-Fixierung während einer vorübergehenden Unterbringung in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik.
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1. Der Beschwerdeführer verhielt sich seit Anfang Mai 2024 psychisch auffällig. Er war hyperaktiv, schlief nur noch etwa zwei Stunden pro Nacht, hatte einen gesteigerten Rededrang, war diffus und gereizt und trat Familienmitgliedern gegenüber teilweise aggressiv auf. Am 16. Mai 2024 ließ er sich daher freiwillig in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik aufnehmen.
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2. Am 17. Mai 2024 beantragte die Klinik bei dem Amtsgericht Münster die gerichtliche Genehmigung einer 5-Punkt-Fixierung inklusive Bettgitter für vierzehn Tage und der medikamentösen Zwangsbehandlung des Beschwerdeführers mit verschiedenen Neuroleptika für vierzehn Tage sowie Blutabnahmen und EKG-Kontrollen, um den Therapieverlauf und die Verträglichkeit der Medikation überwachen zu können. Grundlage des Antrags war ein ärztliches Zeugnis, in dem ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer leide an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung. Im geschützt stationären Setting sei es zu einer erheblichen Bedrohung einer Mitarbeiterin gekommen. Als diese ihm habe Blut abnehmen wollen, habe der Beschwerdeführer sie mit dem Tode bedroht („Ich schlage Dich tot!“). Er habe daraufhin versucht, die geschützte Station gewaltsam zu verlassen, dabei ein Gartentor aufgebrochen und die äußere Umzäunung überklettern wollen. Herbeigerufene Mitarbeiter habe der Beschwerdeführer ebenfalls bedroht („Ich schlage Euch alle tot“; „Ich lass Blut spritzen“). Die Mitarbeiter hätten daher die Polizei gerufen. Auch den Polizeibeamten gegenüber habe der Beschwerdeführer seine Bedrohungen fortgesetzt. Daher sei er unter erheblicher Gegenwehr und unter Angriffen gegen das Personal im rechtfertigenden Notstand fixiert worden, um ein unmittelbar bevorstehendes schadensstiftendes Ereignis abzuwenden. Im Anschluss sei eine Akutmedikation im rechtfertigenden Notstand mit der Vergabe von 10 mg Haloperidol und 10 mg Diazepam als intramuskuläre Injektion zur Beendigung einer potentiell lebensgefährlichen Entgleisung der Vitalparameter erfolgt. Die Fixierung sei momentan das mildeste zur Verfügung stehende Mittel. Aufgrund der kardialen Vorerkrankung und des bestehenden Bluthochdrucks sei die Einnahme einer reizabschirmenden und antimanischen Medikation zwingend erforderlich, um lebensgefährliche Entgleisungen der Vitalfunktionen insbesondere im Rahmen der freiheitsentziehenden Maßnahme zu verhindern.
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3. Nachdem der Beschwerdeführer am 17. Mai 2024 gerichtlich angehört worden war, bestimmte das Amtsgericht Münster mit Beschluss vom selben Tag durch einstweilige Anordnung dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bis längstens zum 14. Juni 2024 und stimmte sowohl der Zwangsbehandlung mit Haloperidol (20 mg/Tag) und Diazepam (40 mg/Tag), Blutentnahmen und EKG-Kontrollen bis zum 31. Mai 2024 als auch der 5-Punkt-Fixierung mit Bettgittern für die Dauer von zwei Wochen zu. Zur Begründung wurde ausgeführt, beim Beschwerdeführer liege eine psychische Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten Nordrhein-Westfalen (PsychKG NRW) vor. Es bestehe die gegenwärtige Gefahr erheblicher Selbstschädigung und/oder erheblicher Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer. Diese Gefahr könne nicht anders abgewendet werden als durch die angeordnete Maßnahme. Dies folge aus den Ermittlungen des Gerichts, insbesondere der richterlichen Anhörung am 17. Mai 2024 sowie der vorliegenden ärztlichen Stellungnahme. Auf den Anhörungsvermerk werde Bezug genommen.
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4. In einem Besprechungstermin in der Klinik am 29. Mai 2024 wurde der Aufenthalt des Beschwerdeführers evaluiert und aufgrund dieser Evaluation seine Entlassung beschlossen.
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5. Nachdem die Klinik dem Amtsgericht den Entlassbericht vom 29. Mai 2024 übermittelt hatte, in dem ohne weitere Ausführungen festgehalten ist, dass der Beschwerdeführer an diesem Tag entlassen worden sei, da aus ärztlicher Sicht die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach PsychKG NRW nicht mehr vorlägen, hob das Amtsgericht mit Beschluss vom 29. Mai 2024 den Unterbringungsbeschluss vom 17. Mai 2024 auf.
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6. Mit einer Beschwerde vom 29. Mai 2024 wandte sich der Beschwerdeführer gegen die im Beschluss vom 17. Mai 2024 ausgesprochene Genehmigung der Zwangsmedikation und Fixierung. Die Maßnahmen seien rechtswidrig angeordnet worden und hätten ihn massiv in seinen Grundrechten verletzt.
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Er habe im Gespräch mit der Ärztin am Tag seiner Aufnahme deutlich gemacht, dass er in jedem Falle freiwillig aufgenommen werden wolle und jederzeit die Möglichkeit haben müsse, die Klinik zu verlassen. Damit habe sich die aufnehmende Ärztin einverstanden erklärt. Am nächsten Morgen sei bei ihm die Entscheidung gereift, die Klinik wieder verlassen zu wollen. Er habe sich an eine Stationsschwester gewandt, die ihm mitgeteilt habe, dass er durch einen Arzt entlassen werden müsse, der aber gerade nicht verfügbar sei. Daraufhin habe er Panik bekommen und eine Tür geöffnet, die ins Freie geführt habe. Kurz darauf seien eine Ärztin und weitere Personen hinterhergekommen, später auch mehrere Polizisten. Diese hätten ihn aufgefordert, sich ins Gebäude zu begeben, wo er fixiert werden sollte. Das habe er wiederholt abgelehnt. Als die Polizisten ihm mitgeteilt hätten, dass er dennoch fixiert werde, habe er sich heftig gewehrt und nur mit Hilfe von acht Polizisten gebändigt werden können. Zuvor sei er nicht aggressiv gewesen. Hierzu gebe es Videoaufnahmen der Bodycams der Polizeibeamten, um die er sich zurzeit bemühe. Nachdem er fixiert worden sei, habe ihm ein Arzt zwei Spritzen ins Bein verabreicht, wodurch er sediert worden sei.
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7. Die Beschwerde wies das Landgericht Münster mit Beschluss vom 5. Juli 2024 zurück. Die Anordnung der Zwangsmedikation und der Fixierung sei rechtmäßig ergangen. Durch die ärztliche Stellungnahme vom 17. Mai 2024 werde belegt, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 18 Abs. 4 PsychKG NRW psychisch erkrankt und die Zwangsbehandlung zur Abwendung einer ansonsten drohenden erheblichen Eigen- und Fremdgefährdung zur Zeit ihrer Vornahme alternativlos gewesen sei. Soweit er den Geschehensablauf am Vormittag des 17. Mai 2024 schildere, sei nicht nachvollziehbar und schlüssig, wieso er nach dem nach seinem Vortrag erfolgten Hinweis der Stationsschwester nicht auf die Entlassung durch einen Arzt gewartet, sondern eine alarmgesicherte Tür geöffnet und mittels Gewalt das Gartenzauntor aufgestemmt habe. In Anbetracht der sich so bereits zeigenden, ärztlich festgestellten eingeschränkten Steuerungsfähigkeit und Impulsivität seien das nachfolgende Verhalten des Beschwerdeführers, der Ärzte und der Polizei schlüssig und nachvollziehbar durch die ärztliche Stellungnahme dargelegt. Die Ausführungen der Ärzte seien überzeugend und das Landgericht schließe sich ihnen nach kritischer Prüfung an. Es habe keine Zweifel an der Kompetenz der Ärzte, den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers korrekt einzuschätzen, und sehe keinen Anlass, an der Richtigkeit der ärztlichen Diagnosen und Einschätzungen zu zweifeln.
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Auch die einstweilige Zustimmung zur Fixierung begegne keinen Bedenken. Sie beruhe auf § 20 Absätze 1 und 2 PsychKG NRW in Verbindung mit § 331 Satz 1 FamFG und sei wegen der geschilderten erheblichen Selbst- und Fremdgefährdung anzuordnen gewesen. In der Situation habe der Gefahr auch nicht mit einem milderen Mittel begegnet werden können.
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8. Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 5. August 2024 wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 17. Mai 2024 und des Landgerichts vom 5. Juli 2024 betreffend die Zwangsmedikation und die Fixierung. Er macht eine Verletzung seines Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG geltend, da die Fachgerichte ihrer Sachaufklärungspflicht nicht ausreichend nachgekommen seien. Außerdem verletzten die fachgerichtlichen Entscheidungen seine Rechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG, da nach seiner Auffassung weder die Fixierung noch die Zwangsmedikation habe erfolgen dürfen.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil Annahmegrün-de gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben sind.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht substantiiert begründet ist (vgl. BVerfGE 81, 208 214>; 89, 155 171>; 99, 84 87>; 108, 370 386 f.>; 113, 29 44>; 129, 269 278>; 130, 1 21>; stRspr). Der Beschwerdeführer hat es versäumt, sämtliche für eine verantwortbare verfassungsrechtliche Würdigung erforderlichen Unterlagen aus den fachgerichtlichen Verfahren vorzulegen oder inhaltlich umfassend wiederzugeben. Insbesondere fehlt der Antrag der Klinik vom 17. Mai 2024 zur Genehmigung der 5-Punkt-Fixierung inklusive Bettgitter und der medikamentösen Zwangsbehandlung. Zudem fehlt es an der inhaltlich hinreichend substantiierten Darlegung der Verletzung in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.
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2. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts zur Zwangsmedikation und Fixierung des Beschwerdeführers erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen.
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a) Die medizinische Behandlung einer Person gegen ihren natürlichen Willen greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Dieses Grundrecht schützt die körperliche Integrität der Person und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht. Zu seinem traditionellen Gehalt gehört der Schutz gegen eine staatliche Zwangsbehandlung (vgl. BVerfGE 79, 174 201>; 128, 282 300>). Dem Eingriffscharakter einer Zwangsbehandlung steht nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen wird. Ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit setzt keine schädigende Zielrichtung voraus (vgl. BVerfGE 89, 120 130>; 128, 282 300>; 146, 294 310 Rn. 27>). Die Eingriffsqualität entfällt auch nicht bereits dann, wenn der Betroffene der abgelehnten Behandlung keinen physischen Widerstand entgegensetzt (vgl. BVerfGE 128, 282 300>; 129, 269 280>; 133, 112 131 Rn. 50>; 146, 294 310 Rn. 28>) und/oder krankheitsbedingt einsichtsunfähig ist (vgl. BVerfGE 128, 282 301 f.>). Die medizinische Behandlung einer untergebrachten Person, die ihrer Art nach das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berührt, greift in dieses Grundrecht allenfalls dann nicht ein, wenn sie von der frei, auf der Grundlage der gebotenen ärztlichen Aufklärung erteilten Einwilligung dieser Person gedeckt ist. Dies setzt allerdings deren Einwilligungsfähigkeit voraus (vgl. BVerfGE 128, 282 301>). Die materiellen Freiheitsgarantien des Art. 2 Abs. 2 GG – darunter das Recht auf körperliche Unversehrtheit – haben unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfGE 65, 317 322>; 128, 282 302>). Der in der medizinischen Zwangsbehandlung einer untergebrachten Person mit Neuroleptika liegende Grundrechtseingriff wiegt besonders schwer (vgl. BVerfGE 128, 282 302 f.>). Dies gilt hinsichtlich der Wirkungen von Neuroleptika schon mit Blick auf die nicht auszuschließende Möglichkeit schwerer, irreversibler und lebensbedrohlicher Nebenwirkungen. Psychopharmaka sind zudem auf die Veränderung seelischer Abläufe gerichtet. Ihre Verabreichung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen berührt daher, auch unabhängig davon, ob sie mit körperlichem Zwang durchgesetzt wird, in besonderem Maße den Kern der Persönlichkeit (vgl. BVerfGE 128, 282 303>; 158, 131 152 ff. Rn. 56 ff.> – Patientenverfügung im Maßregelvollzug).
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Den aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgenden Anforderungen an einen solchen Eingriff (vgl. dazu BVerfGE 128, 282 309 ff.>; 146, 294 312 f. Rn. 34>) dürften die fachgerichtlichen Beschlüsse nicht gerecht werden. Weder das Amtsgericht noch das Landgericht hat sich mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschwerdeführers auf körperliche Unversehrtheit und der zur Zwangsbehandlung ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts befasst. Eine an den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts orientierte Prüfung der einzelnen Bedarfsmedikationen unterbleibt. Das Landgericht beurteilt in seinem Beschluss allein die Rechtmäßigkeit der am 17. Mai 2024 erfolgten Zwangsbehandlung und hält in Bezug darauf, dass mit dem Beschluss des Amtsgerichts die Zwangsbehandlung über einen Zeitraum von vierzehn Tagen für zulässig erklärt wurde, lediglich fest, die Befristung habe die in § 333 Abs. 2 FamFG genannte Höchstfrist nicht überschritten. Die Gerichte haben sich insbesondere nicht damit auseinandergesetzt, dass der Beschwerdeführer am 17. Mai 2024 bereits fixiert war, als ihm die Medikamente gespritzt wurden, und dass nach dem Beschluss des Amtsgerichts eine gleichzeitige Fixierung und Zwangsmedikation während der gesamten Dauer der Anordnung zulässig war. Zwar ist in dem ärztlichen Zeugnis vom 17. Mai 2024 festgehalten, dass die Zwangsmedikation an diesem Tag aufgrund der kardialen Vorerkrankung und des bestehenden Bluthochdrucks zusätzlich zur Fixierung erforderlich war, um lebensgefährliche Entgleisungen der Vitalfunktionen abzuwenden. Diese Ausführungen entbinden die Fachgerichte aber nicht von der Pflicht zur eigenständigen Prüfung der Erforderlichkeit. Insbesondere hätte geprüft werden müssen, ob diese Begründung auch die weitere Genehmigung der gleichzeitigen Fixierung und Zwangsmedikation über den genehmigten Zeitraum von vierzehn Tagen trägt.
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b) Die Fixierung eines Patienten stellt einen Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG) dar. Fehlende Einsichtsfähigkeit lässt den Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG nicht entfallen (vgl. BVerfGE 58, 208 224>; 128, 282 301>; 149, 293 318 Rn. 66>); er ist auch dem psychisch Kranken und nicht voll Geschäftsfähigen garantiert (vgl. BVerfGE 10, 302 309>; 58, 208 224>; 128, 282 301>; 149, 293 318 Rn. 66>). Aufgrund ihrer besonderen Eingriffsintensität ist die nicht nur kurzfristige Fixierung sämtlicher Gliedmaßen auch im Rahmen eines bereits bestehenden Freiheitsentziehungsverhältnisses als eigenständige Freiheitsentziehung zu qualifizieren, die den Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG abermals auslöst (BVerfGE 149, 293 320 Rn. 69>). Von einer kurzfristigen Maßnahme ist in der Regel auszugehen, wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet (BVerfGE 149, 293 319 Rn. 68>). Die Freiheitsentziehung erfordert grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung (vgl. nur BVerfGE 10, 302 321>; 22, 311 317>; 105, 239 248>; 149, 293 334 Rn. 98>). Eine nachträgliche richterliche Entscheidung ist nur dann zulässig, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Maßnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste (vgl. BVerfGE 22, 311 317>; 105, 239 248>; 149, 293 334 Rn. 98>). Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG fordert in einem solchen Fall, die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen (vgl. BVerfGE 10, 302 321>; 105, 239 249>; 149, 293 334 Rn. 99>). Das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfGE 105, 239 249>; 149, 293 334 f. Rn. 99> m.w.N.).
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Auch den insoweit aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgenden Anforderungen (vgl. dazu BVerfGE 149, 293 322 Rn. 73, 323 Rn. 75, 325 Rn. 80>) dürften die fachgerichtlichen Beschlüsse nicht gerecht werden. Zwar hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Vorgaben zwischenzeitlich in § 20 PsychKG NRW umgesetzt. Die Fachgerichte haben sich im Rahmen der Anwendung dieser Norm indes mit der zur Fixierung ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht näher befasst und Bedeutung und Tragweite der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht ausreichend berücksichtigt. Auch hier verhalten sich die Fachgerichte nicht zur Angemessenheit der angeordneten Dauer der Fixierung. Nach dem Tenor der amtsgerichtlichen Entscheidung wäre die 5-Punkt-Fixierung durchgängig für die Dauer von zwei Wochen möglich gewesen. Zwar dürfte es nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass eine solche durchgängige Fixierung im Einzelfall ausnahmsweise angezeigt sein kann. Jedenfalls aber hätte das Amtsgericht prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für eine dermaßen belastende Maßnahme tatsächlich gegeben waren. Das Landgericht hat wiederum allein die Rechtmäßigkeit der Fixierung am 17. Mai 2024 überprüft und dabei außer Acht gelassen, dass nicht nur diese zur Überprüfung stand, sondern die amtsgerichtliche Zustimmung zu einer 5-Punkt-Fixierung mit Bettgittern für die gesamte Dauer von zwei Wochen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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