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BVerfG 19.06.2020 - 1 BvR 842/17
BVerfG 19.06.2020 - 1 BvR 842/17 - Nichtannahmebeschluss: Verbot des Einsatzes von Leiharbeitern als "Streikbrecher" gem § 11 Abs 5 AÜG nF verfassungsgemäß - Rechtssatzverfassungsbeschwerde teils unzulässig, iÜ unbegründet
Normen
Art 9 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 11 Abs 5 AÜG, Art 1 Nr 7 Buchst b AÜGuaÄndG 2017
Vorinstanz
vorgehend BVerfG, 25. Februar 2019, Az: 1 BvR 842/17, Ablehnung einstweilige Anordnung
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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A.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen § 11 Abs. 5 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in der durch Art. 1 Nr. 7 Buchstabe b des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 27. Februar 2017 (AÜGuaÄndG 2017) geänderten Fassung. Die Norm enthält - über das bereits seit 1972 bestehende Leistungsverweigerungsrecht von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern hinaus (§ 11 Abs. 5 Satz 3 und 4 AÜG) nunmehr auch das bußgeldbewehrte Verbot, diese einzusetzen, wenn der Entleiherbetrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist, soweit ihnen Tätigkeiten übertragen werden, die bisher von im Arbeitskampf befindlichen Arbeitskräften übernommen werden; verboten ist also ihr Einsatz als Streikbrecher. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs dient die Regelung dazu, die Position von Leiharbeitskräften zu stärken und eine missbräuchliche Einwirkung auf Arbeitskämpfe zu unterbinden.
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I.
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Die Beschwerdeführerin, eine Arbeitgeberin in der Unterhaltungsindustrie, rügt die Verletzung von Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Das Verbot, auf Arbeitskampfmaßnahmen der Beschäftigten mit dem Einsatz von Leiharbeitskräften zu reagieren, schränke sie in der Wahl der Kampfmittel und damit in der durch Art. 9 Abs. 3, Art. 19 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit als Koalition unverhältnismäßig ein.
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II.
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Zu der Verfassungsbeschwerde haben für die Bundesregierung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesarbeitsgericht, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Industriegewerkschaft Metall sowie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Stellung genommen; die Beschwerdeführerin hat auf die eingegangenen Stellungnahmen erwidert.
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1. Die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), hält die angegriffene Regelung für verfassungsgemäß. Sie stellt zunächst in Frage, ob die Beschwerdeführerin als sogenannte Außenseiter-Arbeitgeberin überhaupt in den persönlichen Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG falle. Auch sei zweifelhaft, ob der Einsatz von Leiharbeitskräften als Streikbrecher ein von Art. 9 Abs. 3 GG geschütztes Arbeitskampfmittel sei. Jedenfalls seien die angegriffenen Vorschriften eine zulässige Ausgestaltung von Art. 9 Abs. 3 GG.
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2. Der Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.V. (Gesamtmetall) ist der Ansicht, dass die Regelung des § 11 Abs. 5 AÜG verfassungswidrig sei, da die Arbeitskampfparität hierdurch weiter zulasten der Arbeitgeberseite verschoben worden wäre. Es hätte ein milderes Mittel gegeben, wenn nur die eigens für den Streik angeforderten Arbeitskräfte ausgeschlossen worden wären und die vorhandenen Leiharbeitskräfte weiter das Leistungsverweigerungsrecht hätten. Letztlich habe das Gesetz eine Regelung, die die DGB-Gewerkschaften in Tarifverhandlungen errungen hätten, sogar noch "überholt"; mit dem Grundsatz der Tarifautonomie sei das nicht vereinbar.
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3. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) halten die angegriffene Norm für verfassungsgemäß und die Verfassungsbeschwerde daher zumindest für unbegründet. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht § 11 Abs. 5 AÜG darüber hinaus in einem Sozialstaat auch als nahezu geboten an. Beim unbegrenzten Einsatz von Leiharbeit in bestreikten Unternehmen bestünde andernfalls für die Gewerkschaften kein Mittel mehr, um Druck auf den Verhandlungsgegner auszuüben. Die Verhandlungsparität wäre nicht nur gestört, sondern gar nicht mehr existent.
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4. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sieht das generelle Einsatzverbot von Leiharbeitskräften im Streik als unverhältnismäßig an. Die angegriffene Regelung sei nicht erforderlich und übermäßig. Es gäbe keine belastbaren empirischen Daten, die eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gerechtfertigt hätten. Allein aus dem Umstand, dass das Zurückbehaltungsrecht der Leiharbeitskräfte nicht in nennenswertem Umfang geltend gemacht worden sei, könne nicht geschlossen werden, es sei leergelaufen. Vielmehr stelle sich die Frage, warum die Zeitarbeitskraft überhaupt auf den eigenen Vergütungsanspruch verzichten sollte, um fremde Streikziele zu fördern.
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5. Die Bundesrechtsanwaltskammer tendiert dazu, die Regelung für verfassungswidrig zu halten. Unklar sei, ob sie die Stellung der Leiharbeitskräfte stärke. Die Entscheidungsfreiheit mache es eher zunichte, denn es beseitige die Wahlmöglichkeit der betroffenen Leiharbeitskräfte und führe mittelbar dazu, den Arbeitskampf der Stammbelegschaft zu unterstützen. Zur Rechtfertigung komme nur das Ziel in Betracht, die missbräuchliche Einwirkung auf Arbeitskämpfe zu unterbinden. Hier sei die Angemessenheit der Regelung fraglich. Es hätte tatsächlicher Anhaltspunkte dafür bedurft, dass die Arbeitskampfparität durch die Möglichkeit des Einsatzes von Leiharbeitskräften spürbar zulasten der Gewerkschaften verschoben worden wäre. Das zeige die Begründung des Gesetzentwurfs jedenfalls nicht.
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6. Das Bundesarbeitsgericht weist darauf hin, dass streikbedingte Arbeitsausfälle mit Leiharbeitskräften gerade bei einfach gelagerten Tätigkeiten wegen der dort typischerweise kurzen Einarbeitungszeit besonders wirksam abzufangen seien. Auch könnten Leiharbeitskräfte, die von ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen würden, ohne erheblichen Aufwand durch arbeitsbereite Leiharbeitskräfte ersetzt werden.
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B.
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Gründe für die Annahme der Verfassungsbeschwerde im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
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Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG, denn die Maßstäbe zur Beurteilung von Arbeitskämpfen anhand von Art. 9 Abs. 3 GG hat der Senat in mehreren Leitentscheidungen entwickelt (vgl. BVerfGE 84, 212; 88, 103; 92, 365). Ausgangspunkt ist die Funktion der Arbeitskampfmittel für Tarifzwecke; zentraler Maßstab ist die Verhältnismäßigkeit.
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Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt, denn die Verfassungsbeschwerde ist ohne Aussicht auf Erfolg.
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I.
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Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen § 11 Abs. 5 Satz 3 und 4 AÜG, die das Leistungsverweigerungsrecht von Leiharbeitskräften regeln, wendet, ist sie mangels Einhaltung der Frist offensichtlich unzulässig. Mit ihrer Rüge einer Verletzung von Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG. Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ist insofern auch nicht ersichtlich. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung in eigenen und nicht der aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleiteten Rechte der Leiharbeitskräfte geltend macht.
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Die Regelung ist auch allein am Maßstab des Grundgesetzes zu messen. Fragen des Unionsrechts stellen sich von vornherein nicht. Weder sind europäische Grundrechte gerügt noch geht die angegriffene Regelung auf die einschlägige Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl EU Nr. L 327 vom 5. Dezember 2008, S. 9) zurück, die vielmehr im 20. Erwägungsgrund ausdrücklich offenlässt, wie die Mitgliedstaaten die Frage des Einsatzes von Leiharbeitskräften bei Streiks regeln.
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II.
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Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie jedenfalls unbegründet.
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1. Die Rügen zum Gesetzgebungsverfahren, wonach der Gesetzgeber die gebotene Sachaufklärung unterlassen und sich mit den Grundrechtspositionen der Parteien nicht hinreichend befasst habe, greifen nicht durch. Eine selbständige, von den Anforderungen an die materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes unabhängige Sachaufklärungspflicht folgt aus dem Grundgesetz regelmäßig nicht (zu Sonderfällen vgl. etwa BVerfGE 95, 1 23 f.> bei Fachplanung durch Gesetz; BVerfGE 86, 90 108 f.> bei Gemeindeneugliederungen oder BVerfGE 139, 64 127 Rn. 130> in Fragen der Richterbesoldung). Die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens ist im Rahmen der durch die Verfassung vorgegebenen Regeln prinzipiell Sache der gesetzgebenden Organe; insbesondere das parlamentarische Verfahren ermöglicht, dass Entscheidungen auch in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert werden (vgl. BVerfGE 139, 148 176 ff. Rn. 54 ff.>; 143, 246 343 f. Rn. 273 f.>; 146, 71 113 Rn. 127>). Anderen als den Mitgliedern der gesetzgebenden Organe ist die Beteiligung im parlamentarischen Verfahren aber rechtlich nicht garantiert (vgl. BVerfGE 139, 148 177 Rn. 55>); sie wird im Rahmen ihrer politischen Gestaltungsaufgabe durch die gesetzgebenden Organe - einschließlich der Opposition - ermöglicht und ist im Übrigen Teil der öffentlichen Diskussion.
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2. Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdeführerin als sogenannte Außenseiter-Arbeitgeberin in den persönlichen Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG fällt und ob der Einsatz von Leiharbeitskräften als Streikbrecher sachlich als Mittel im Arbeitskampf geschützt wird. Die angegriffene Regelung wäre mit den sich daraus ergebenden Anforderungen jedenfalls vereinbar.
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a) Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist zwar vorbehaltlos gewährleistet, aber wie jedes Grundrecht zugunsten anderer Ziele mit Verfassungsrang beschränkbar (vgl. BVerfGE 84, 212 228>; 92, 365 403>; 100, 271 283>; 103, 293 306>; 146, 71 118 f. Rn. 143>; stRspr). Es bedarf zudem der Ausgestaltung durch die Rechtsordnung, soweit es die Beziehungen zwischen Trägern widerstreitender Interessen zum Gegenstand hat. Beide Tarifvertragsparteien genießen den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG in gleicher Weise, stehen bei der Ausübung aber gegeneinander. Das erfordert koordinierende Regelungen, die gewährleisten, dass die aufeinander bezogenen Grundrechtspositionen trotz ihres Gegensatzes nebeneinander bestehen können. Gerade die Möglichkeit des Einsatzes von Kampfmitteln setzt rechtliche Rahmenbedingungen voraus, die sichern, dass Sinn und Zweck dieses Freiheitsrechts sowie seine Einbettung in die verfassungsrechtliche Ordnung gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 92, 365 394>; 146, 71 119 Rn. 144 f.>).
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Bei der Ausgestaltung der Tarifautonomie hat der Gesetzgeber einen weiten Handlungsspielraum. Das Grundgesetz schreibt ihm nicht vor, wie die gegensätzlichen Grundrechtspositionen im Einzelnen abzugrenzen sind. Es verlangt auch keine Optimierung der Kampfbedingungen. Grundsätzlich ist es den Tarifvertragsparteien selbst überlassen, ihre Kampfmittel den sich wandelnden Umständen anzupassen, um dem Gegner gewachsen zu bleiben und ausgewogene Tarifabschlüsse zu erzielen. Doch ist der Gesetzgeber nicht gehindert, die Rahmenbedingungen der Tarifautonomie zu ändern, sei es aus Gründen des Gemeinwohls, sei es, um gestörte Paritäten wieder herzustellen (vgl. BVerfGE 92, 365 394>; 146, 71 121 Rn. 149>).
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Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers findet seine Grenzen dann am objektiven Gehalt des Art. 9 Abs. 3 GG. Die Tarifautonomie muss als ein Bereich gewahrt bleiben, in dem die Tarifvertragsparteien ihre Angelegenheiten grundsätzlich selbstverantwortlich und ohne staatliche Einflussnahme regeln können (vgl. BVerfGE 146, 71 119 Rn. 146>). Ihre Funktionsfähigkeit darf nicht gefährdet werden, was nur gilt, solange zwischen den Tarifvertragsparteien ein ungefähres Kräftegleichgewicht - Parität - besteht (vgl. BVerfGE 92, 365 394 f.>; 146, 71 120 Rn. 146>; stRspr). Unvereinbar mit Art. 9 Abs. 3 GG ist daher jedenfalls, wenn die Verhandlungsfähigkeit einer Tarifvertragspartei bei Tarifauseinandersetzungen einschließlich der Fähigkeit, einen wirksamen Arbeitskampf zu führen, nicht mehr gewahrt bleibt und ihre koalitionsmäßige Betätigung weitergehend beschränkt wird, als es zum Ausgleich der beiderseitigen Grundrechtspositionen erforderlich ist (vgl. BVerfGE 92, 365 395>).
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Der Gesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, Disparitäten auszugleichen, die nicht strukturell bedingt sind, sondern auf inneren Schwächen einer Koalition beruhen. Der Organisationsgrad einer Koalition, ihre Fähigkeit zur Anwerbung und Mobilisierung von Mitgliedern und ähnliche Faktoren liegen außerhalb seiner Verantwortung. Er ist nicht gehalten, schwachen Verbänden Durchsetzungsfähigkeit bei Tarifverhandlungen zu verschaffen, denn Art. 9 Abs. 3 GG verlangt keine Optimierung der Kampfbedingungen, sondern verpflichtet den Staat auch insoweit zur Neutralität (vgl. BVerfGE 92, 365 396>; 146, 71 122 Rn. 150>).
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b) Davon ausgehend verletzt die angegriffene Regelung nicht die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG.
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aa) Die Regelung des § 11 Abs. 5 Satz 1 und 2 AÜG gestaltet die Koalitionsfreiheit aus. Der Einsatz von Leiharbeitskräften hat ebenso wie das Verbot desselben im Arbeitskampf unvermeidbare Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis der Tarifvertragsparteien. Mit dem Verbot ist es der Arbeitgeberseite erschwert, die Folgen des Streiks abzufangen; ohne das Verbot verliert der Streik an Durchsetzungskraft, da seine Folgen durch Fremdpersonaleinsatz nahezu folgenlos abgefangen werden können.
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Der angegriffenen Regelung steht insofern nicht entgegen, dass sie in einem Bereich ansetzt, der Gegenstand tariflicher Vereinbarungen ist. Es ist dem Gesetzgeber zum Schutz von Gemeinwohlbelangen mit verfassungsrechtlichem Rang grundsätzlich nicht verwehrt, Fragen zu regeln, die Gegenstand von Tarifverträgen sein können (vgl. BVerfGE 94, 268 284>; 100, 271 283>; 103, 293 306>). Art. 9 Abs. 3 GG verleiht den Tarifvertragsparteien in dem für tarifvertragliche Regelungen offenstehenden Bereich zwar ein Normsetzungsrecht, aber kein Normsetzungsmonopol. Der Gesetzgeber bleibt befugt, das Arbeitsrecht zu regeln (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG; vgl. BVerfGE 94, 268 284>; 103, 293 306>).
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bb) Die hier in Rede stehende Ausgestaltung der Erwerbsarbeit ist vom Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Er verfolgt ein legitimes Ziel mit einem nicht von vornherein ungeeigneten Mittel, das auch insgesamt zumutbar erscheint.
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(1) Der Gesetzgeber will mit § 11 Abs. 5 Satz 1 und 2 AÜG die Stellung der Leiharbeitskräfte stärken und den Missbrauch von Leiharbeit verhindern (vgl. BTDrucks 18/9232, S. 1, 14). Damit dienen die angegriffenen Regelungen unter anderem der Verbesserung der Stellung der Leiharbeitskräfte, also dem Schutz ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Dazu ist die Regelung im verfassungsrechtlichen Sinne auch geeignet. Soweit die Verfassungsbeschwerde Zweifel hegt, ob ein Verbot des Einsatzes von Leiharbeitskräften überhaupt ihrem Schutz dienen könne, überzeugen diese nicht. Zwingende Regelungen des Arbeitsrechts schaffen erst den Rahmen, in dem die mehrheitlich abhängig Beschäftigten ihre Grundrechte unter angemessenen Bedingungen verwirklichen können. Sie rechtfertigen sich daraus, dass der Individualarbeitsvertrag vielfach unzureichend ist, um ein sozial angemessenes Arbeitsverhältnis zu begründen (vgl. BVerfGE 77, 84 116 f.>).
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Die vorliegende Regelung ist aber auch zur Erreichung ihres weiteren Ziels geeignet, eine missbräuchliche Einwirkung auf Arbeitskämpfe zu unterbinden. Der Einsatz von Leiharbeitskräften führt zu erheblichen Kräfteverschiebungen. Mit dem Verbot ihres Einsatzes ist es den Arbeitgebern jedenfalls erschwert, die Folgen eines Arbeitskampfes nahezu folgenlos abfangen zu können.
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(2) Die angegriffene Regelung ist im verfassungsrechtlichen Sinn auch erforderlich, um ihre Ziele zu erreichen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das fortbestehende Recht der Leiharbeitskräfte nach § 11 Abs. 5 Satz 3 AÜG, selbst die Leistung zu verweigern. Zum einen entfaltet ein unmittelbar wirkendes Verbot weitergehende Wirkung als ein Recht, dessen Geltendmachung von dem Willen Dritter abhängt. Zudem ist auch den Stellungnahmen zu diesem Verfahren zu entnehmen, dass dieses Leistungsverweigerungsrecht durch Leiharbeitskräfte kaum geltend gemacht wird und erkennbar, dass dafür kaum Anreize bestehen. Vielmehr riskieren die Leiharbeitskräfte dann nicht nur Entgelteinbußen, sondern auch die Chance, aus einer prekären in eine sicherere Beschäftigungsposition zu wechseln.
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(3) Die angegriffene Regelung ist im engeren Sinne verhältnismäßig, denn sie erscheint auch der Beschwerdeführerin insgesamt zumutbar. Das zeigt die insoweit gebotene Abwägung aller Belange unter Berücksichtigung des Gewichts der mit der Regelung einhergehenden Belastungen.
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Die mit den angegriffenen Regelungen einhergehenden Beeinträchtigungen der Koalitionsfreiheit sind gewichtig. Die Arbeitgeber werden in ihrer Entscheidung beschränkt, Leiharbeitskräfte einzusetzen, um sich gegen einen Streik zu wehren. Die angegriffene Vorschrift verbietet allerdings nicht den Einsatz von Leiharbeitskräften im Betrieb; sie untersagt nur den unmittelbaren oder mittelbaren Einsatz von Leiharbeitskräften als Streikbrecher. Desgleichen verbleiben einem bestreikten Betrieb entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ohne den Einsatz von Leiharbeitskräften weiterhin Möglichkeiten, sich gegen einen Streik zu wehren. So hat die Beschwerdeführerin ausweislich des Vorbringens in diesem Verfahren während des Streiks im Sommer 2019 selbst auf das Arbeitskampfmittel der Aussperrung zurückgegriffen. Der Umstand, dass sich die Arbeitskampfmaßnahmen nach den Medienberichten über mehrere Monate erstreckten, spricht auch dafür, dass die Arbeitgeberseite weiter kampffähig ist. Insofern bleibt der Arbeitgeberseite ohnehin immer die Möglichkeit, einen Streik "auszusitzen".
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Die vom Gesetzgeber mit der angegriffenen Regelung verfolgten Ziele sind allerdings von so erheblichem Gewicht, dass sie grundsätzlich geeignet wären, auch gewichtige Grundrechtsbeschränkungen zu rechtfertigen. Das gilt zunächst für das Ziel, auch Leiharbeitskräften ein sozial angemessenes Arbeitsverhältnis zu sichern. Zwingende Regelungen des Arbeitsrechts schaffen erst den Rahmen, in dem die mehrheitlich abhängig Beschäftigten ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG unter angemessenen Bedingungen verwirklichen können (vgl. BVerfGE 77, 84 116 f.>).
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Auch das weitere gesetzgeberische Ziel, die Funktionsfähigkeit der grundrechtlich gewährleisteten Tarifautonomie zu sichern, weil die Arbeitnehmerüberlassung in gesteigertem Maße im Arbeitskampf eingesetzt worden sei und dies zu erheblichen Kräfteverschiebungen zulasten der Gewerkschaften geführt habe, ist gewichtig. Damit zielt die Regelung auf die für die Koalitionsfreiheit grundlegende Parität der Tarifvertragsparteien; auf "einen angemessenen Ausgleich zwischen den betroffenen Belangen, insbesondere der Arbeitskampfparteien" (BTDrucks 18/9723, S. 12). Auch die Stellungnahmen in diesem Verfahren zeigen, dass es vor der Neuregelung insbesondere in Bereichen wie Lager und Einzelhandel möglich war, auch länger andauernde Streiks auszuhalten, ohne wachsenden Druck zu verspüren, denn Leiharbeitskräfte konnten streikendes Personal leicht ersetzen. Daran ändert auch der Einwand nichts, die Gewerkschaften verfügten über stärkere Kampfmittel, denn ihnen sei bei Unterstützungsstreiks und Flashmobs die Einbeziehung Dritter erlaubt, die der Arbeitgeberseite hier gerade untersagt werde. Die suggerierte Symmetrie entspricht nicht den Tatsachen. Vielmehr stellt der Gesetzgeber die erforderliche Parität der Tarifvertragsparteien durch die Ausgestaltung des Tarifvertragssystems erst her. Dabei ist zu berücksichtigten, dass insbesondere die Gewerkschaften auf ein ausgewogenes Kräfteverhältnis im Arbeitskampf angewiesen sind. Sie können nicht auf andere Vertragspartner ausweichen, sondern müssen, um ihre Positionen auf Augenhöhe verhandeln zu können, durch den Einsatz von Arbeitskampfmitteln ausreichend Druck auf die Arbeitgeberseite erzeugen können. Die Arbeitgeberseite ist darauf nicht in gleicher Weise angewiesen. Sie hat die Verfügungsgewalt über Produktionsmittel, Investitionen, Standorte und Arbeitsplätze und verfügt deshalb regelmäßig über erhebliches Druckpotential.
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Die angegriffene Regelung verletzt damit auch nicht die staatliche Neutralitätspflicht, denn es ist dem Gesetzgeber gerade nicht verwehrt, die Rahmenbedingungen im Tarifvertragsrecht zu ändern, um eine gestörte Parität wiederherzustellen (vgl. BVerfGE 146, 71 121 Rn. 149>). Jedenfalls fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie oder die grundsätzliche Parität der Beteiligten durch die zur Prüfung stehende Regelung unzumutbar beeinträchtigt wird.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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