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BVerfG 26.02.2020 - 1 BvL 5/19
BVerfG 26.02.2020 - 1 BvL 5/19 - Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit von Regelungen des Berliner Landesrechts über die Zweckentfremdung von Wohnraum im Falle von Renovierungsarbeiten (§ 2 Abs 2 Nr 4 ZwVbG <juris: WoZwEntfrG BE>) - Begründung der Entscheidungserheblichkeit setzt insb vollständige Sachaufklärung, idR im Wege einer mündlichen Verhandlung, voraus - ungeprüfte Übernahme von Parteivorbringen nicht hinreichend
Normen
Art 100 Abs 1 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 1 Abs 1 WoZwEntfrG BE, § 2 Abs 2 Nr 4 WoZwEntfrG BE, § 3 WoZwEntfrG BE, WoZwEntfrV BE
Tenor
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Die Vorlage ist unzulässig.
Gründe
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Die Vorlage betrifft die Frage, ob die im Land Berlin geltende Höchstfrist von zwölf Monaten für einen ausnahmsweise zulässigen Wohnungsleerstand wegen Umbaus, Instandsetzung oder Modernisierung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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I.
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1. Nach dem Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbots-Gesetz - ZwVbG) vom 29. November 2013 (GVBl <BE> S. 626) in Verbindung mit der Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotsverordnung - ZwVbVO) vom 4. März 2014 (GVBl <BE> S. 73) steht im Land Berlin die Zweckentfremdung von Wohnraum unter Genehmigungsvorbehalt. § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG enthält eine Ausnahme, nach der unter anderem bei Umbau, Instandsetzung oder Modernisierung für eine Übergangszeit von bis zu zwölf Monaten keine Zweckentfremdung von Wohnraum vorliegt. Die Vorschrift lautet:
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(2) Abweichend von Absatz 1 liegt keine Zweckentfremdung vor, wenn
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1. - 3. […]
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4. Wohnraum zügig umgebaut, instand gesetzt oder modernisiert wird und deshalb bis zu zwölf Monate unbewohnbar ist oder leer steht oder aus anderen objektiven Gründen nicht mehr vermietet werden kann; dasselbe gilt, wenn eine Klage auf Duldung von Modernisierungs- beziehungsweise Sanierungsmaßnahmen im Sinne der §§ 555a und 555b des Bürgerlichen Gesetzbuches erhoben wurde, bis zur Klärung im rechtskräftigen Urteil und bis zum Abschluss der sich hieran anschließenden zügigen Baumaßnahmen.
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2. Der im Ausgangsverfahren Betroffene ist Eigentümer einer Wohnung in Berlin. Ihm wurde wegen Leerstands der Wohnung über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ZwVbG ein Bußgeld auferlegt. Er habe zwar für einen gewissen Zeitraum Renovierungsmaßnahmen nachgewiesen, aber nicht belegt, dass der Leerstand im gesamten Zeitraum unvermeidbar und nicht verschuldet war.
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3. Auf den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22. Oktober 2019 das Bußgeldverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG mit Art. 14 Abs. 1, 2 GG vereinbar ist.
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Der Betroffene trage vor, die Wohnung grundlegend instandgesetzt zu haben. Aufgrund seiner beschränkten finanziellen Mittel habe er dies nicht schneller abschließen können. Eine Finanzierung habe er in seinem Alter weder bei der Bank bekommen noch habe er einen Kredit aufnehmen wollen.
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Eine landesrechtliche Vorschrift dürfe es dem nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Wohnungseigentümer nicht verwehren, eine Wohnung zu kaufen und diese in vollständiger Eigenleistung über mehr als ein Jahr instand zu setzen. Zwar sei es zum Wohle der Allgemeinheit erforderlich, Wohnraum möglichst zeitnah zur Verfügung zu stellen, auch wenn dieser in Privatbesitz sei. Nicht vereinbar mit dem Grundgesetz sei es jedoch, dass die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG eine absolute Höchstfrist von zwölf Monaten für Renovierungs- und Instandsetzungsarbeiten festlege. Dies würde dazu führen, dass ein Großteil der Bevölkerung, der nicht über die finanziellen Mittel einer schnellen Renovierungsarbeit verfüge, faktisch davon ausgeschlossen wäre, Grundeigentum zu erwerben.
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II.
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Die Vorlage ist unzulässig. Sie wird den Begründungserfordernissen aus Art. 100 Abs.1 Satz 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht gerecht.
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1. Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BVerfGG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt.
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Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss ein vorlegendes Gericht darlegen, aus welchen Gründen es von der Verfassungswidrigkeit einer Norm überzeugt ist und dass und weshalb es im Falle der Gültigkeit der Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Fall ihrer Ungültigkeit. Die Ausführungen müssen erkennen lassen, dass die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift sorgfältig geprüft worden ist. Die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit richtet sich grundsätzlich nach der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts. Doch darf diese nicht offensichtlich unhaltbar sein. Die Norm muss unter Auseinandersetzung mit der Rechtslage und den in Literatur sowie Rechtsprechung entwickelten Auffassungen ausgelegt werden. Insgesamt sind zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit alle naheliegenden rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Fehlen insoweit nähere Erläuterungen, kann das Bundesverfassungsgericht diese nicht durch eigene Erwägungen ersetzen (vgl. BVerfGE 148, 64 67 f. Rn. 13>).
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Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm muss der Sachverhalt umfassend dargestellt werden. Die Schilderung des Sachverhalts muss aus sich heraus, also ohne Studium der beigefügten Verfahrensakten, verständlich sein (vgl. BVerfGE 88, 187 194>; 107, 59 85>). Dabei muss das Gericht unter Ausschöpfung der ihm verfügbaren prozessualen Mittel auch alle tatsächlichen Umstände so weit aufklären, dass die Entscheidungserheblichkeit der zu prüfenden Vorschrift feststeht und die Vorlage deshalb unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 64, 251 254>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. Mai 2016 - 1 BvL 7/15 -, Rn. 15). Die ungeprüfte Übernahme von Parteivorbringen reicht dafür grundsätzlich nicht aus (vgl. BVerfGE 87, 341 346>). Erforderlich sind vielmehr hinreichende Feststellungen, die die fach- und verfassungsrechtliche Beurteilung tragen können (vgl. BVerfGE 37, 328 333 f.>; 48, 396 400>; 86, 52 57>; 86, 71 78>; 88, 198 201>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 14. August 2019 - 2 BvL 12/19 -, Rn. 11). Dafür bedarf es in der Regel einer mündlichen Verhandlung (vgl. BVerfGE 15, 211 213>; 79, 256 264>).
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2. Diesen Anforderungen genügt die Vorlage nicht.
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a) Das vorlegende Amtsgericht hat sich schon mit der Rechtslage nicht auseinandergesetzt. Es beschränkt sich darauf, die eigene Ansicht zu den Anforderungen einer Vereinbarkeit von einfachgesetzlichen Regelungen mit Art. 14 Abs. 1 GG wiederzugeben. Eine Auseinandersetzung mit in der Literatur oder Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen oder Ansichten erfolgt nicht. Seine verfassungsrechtlichen Bedenken stützt das Gericht primär darauf, dass die in Rede stehende Norm nicht auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Eigentümers Rücksicht nehme. Hierbei legt es schon nicht dar, inwiefern seine Bedenken gegen § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG einfachrechtlich durch die Genehmigungsmöglichkeiten aus § 3 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 ZwVbG ausgeräumt werden könnten.
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b) Das Amtsgericht hat auch die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage nur unzureichend begründet. Der zugrundeliegende Sachverhalt wird nicht erschöpfend dargestellt. Die Ausführungen beschränken sich auf eine kurze Schilderung seiner Eckdaten. Die erheblichen Tatsachen sind unter Berücksichtigung der durch die Rechtsordnung hierzu zur Verfügung gestellten prozessualen Mittel bisher nicht ermittelt worden. Für die Frage der Entscheidungserheblichkeit der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG kommt es aber auch darauf an, ob der Betroffene überhaupt eine Instandsetzung vorgenommen hat. Insoweit übernimmt der Vorlagebeschluss ungeprüft den schriftlichen Vortrag des Betroffenen. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht durchgeführt und auch sonst ist keine weitere Aufklärung erfolgt.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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