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BVerfG 29.05.2018 - 2 BvR 2767/17
BVerfG 29.05.2018 - 2 BvR 2767/17 - Nichtannahme einer nach Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig gewordenen Verfassungsbeschwerde, gerichtet gegen die Verweigerung von Eilrechtsschutz in einer ausländerrechtlichen Sache - Anordnung der Auslagenerstattung aus Billigkeitsgründen (§ 34a Abs 3 BVerfGG) für das (erledigt erklärte) eA-Verfahren nach Beseitigung der Beschwer durch die Ausgangsbehörde - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
§ 34a Abs 3 BVerfGG, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG
Vorinstanz
vorgehend VG Minden, 30. November 2017, Az: 6 L 2505/17.A, Beschluss
vorgehend VG Minden, 24. November 2017, Az: 6 L 2461/17.A, Beschluss
vorgehend VG Minden, 13. November 2017, Az: 6 L 2300/17.A, Beschluss
Tenor
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1. a) Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird eingestellt.
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b) Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
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c) Damit erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin H… für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin H… für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Zeitpunkt der Antragstellung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg mehr bietet.
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3. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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4. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 € (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführerin, eine albanische Staatsangehörige, wendet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in ihrem Asylverfahren.
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1. Sie reiste im August 2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Insbesondere begründe auch die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte nicht heilbare Krankheit (lupus erythematodes) kein Abschiebungsverbot.
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2. Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 13. November 2017 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage (6 K 9345/17.A) ab. Ein Abschiebungsverbot sei nicht festzustellen, da die Erkrankung der Beschwerdeführerin nach der allgemeinen Auskunftslage grundsätzlich in Albanien behandelbar sei. Mit Beschluss vom 24. November 2017 lehnte es einen Antrag auf Abänderung dieses Beschlusses gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ab; mit Beschluss vom 30. November 2017 wies es eine Anhörungsrüge zurück.
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3. Die Beschwerdeführerin hat am 14. Dezember 2017 Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der sie eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG rügt. Es verstoße gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes, wenn das Verwaltungsgericht ohne weitere Sachaufklärung zur Frage der konkreten Verfügbarkeit der Behandlung ihrer Erkrankung aus einer Kombination von Dialyse und immunmodulierende Medikamente, die ohne Behandlung unstreitig tödlich verlaufe, ein Abschiebungsverbot verneine.
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Am 1. Februar 2018 hat die Beschwerdeführerin außerdem einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
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Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben von ihrem Recht zur Äußerung keinen Gebrauch gemacht.
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Auf Bitte des Bundesverfassungsgerichts, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu ergreifen, setzte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 27. März 2018 die Vollziehung der Abschiebungsandrohung aus dem angegriffenen Bescheid vom 12. Oktober 2017 bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung in dem beim Verwaltungsgericht noch anhängigen Klageverfahren aus.
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Mit Schriftsatz vom 30. April 2018 hat die Beschwerdeführerin sowohl für das Verfassungsbeschwerdeverfahren als auch für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten beantragt.
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Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2018 hat die Beschwerdeführerin das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Verfahrens der Bundesrepublik Deutschland aufzuerlegen.
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II.
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1. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>). Sie ist unzulässig (geworden).
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Mit der Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 27. März 2018, die Vollziehung der Abschiebungsandrohung aus seinem Bescheid vom 12. Oktober 2017 bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung in dem beim Verwaltungsgericht anhängigen Klageverfahren (6 K 9345/17.A) auszusetzen, ist das Rechtschutzbedürfnis nachträglich weggefallen. Denn mit der Aussetzungsentscheidung ist die Beschwer der Beschwerdeführerin durch die angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen entfallen, mit denen ihre Anträge abgelehnt wurden, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes vollziehbare Abschiebungsandrohung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG) anzuordnen.
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2. Der Beschwerdeführerin sind die durch das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Über die Auslagenerstattung ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen (vgl. BVerfGE 49, 70 89>) dar (vgl. BVerfGE 66, 152 154>). Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall - falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind - davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren der beschwerdeführenden Person selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. BVerfGE 85, 109 114 ff.>; 87, 394 397 f.>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 264 f.>).
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Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, die Auslagenerstattung durch die Bundesrepublik Deutschland anzuordnen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mit der Entscheidung, die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bis zum rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens auszusetzen, selbst die Erledigung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung herbeigeführt und insoweit zum Ausdruck gebracht, dass es das Begehren der Beschwerdeführerin, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, für berechtigt erachtet. Ausweislich der Begründung des Bescheides hielt es wegen der nach Verbescheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren offenbar gewordenen Situation eine weitere Abklärung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens für geboten. Für die Auslagenerstattung ist die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin heranzuziehen.
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3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 366 ff.>).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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