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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BVerfG 16.01.2017 - 1 BvR 2406/16, 1 BvR 2407/16, 1 BvR 2408/16, 1 BvR 2409/16
BVerfG 16.01.2017 - 1 BvR 2406/16, 1 BvR 2407/16, 1 BvR 2408/16, 1 BvR 2409/16 - Nichtannahmebeschluss: Zu den Grenzen schutzwürdigen Vertrauens in eine stRspr - Überlastung der Behörde aufgrund "vorübergehender Antragsflut" (hier: im Nachgang zum Kammerbeschluss vom 12.11.2015, 1 BvR 2961/14 ua) als "zureichender Grund" iSd §§ 75 S 3, 161 Abs 3 VwGO, soweit kein strukturelles Organisationsdefizit vorliegt - keine Verletzung des Willkürverbots durch verwaltungsgerichtliche Kostenentscheidung
Normen
Art 3 Abs 1 GG, § 75 S 3 VwGO, § 161 Abs 3 VwGO
Vorinstanz
vorgehend VG Potsdam, 26. September 2016, Az: VG 8 K 1272/16, Beschluss
vorgehend VG Potsdam, 26. September 2016, Az: VG 8 K 1518/16, Beschluss
vorgehend VG Potsdam, 26. September 2016, Az: VG 8 K 1686/16, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerden betreffen Kostenentscheidungen in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welche die Erhebung von Schmutzwasseranschlussbeiträgen auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg zum Gegenstand hatten.
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1. Im November 2015 wurden die Beschwerdeführer jeweils durch im Wesentlichen gleichlautende Bescheide eines Zweckverbandes zu Schmutzwasseranschlussbeiträgen herangezogen. Die Möglichkeit des Anschlusses an die zentrale Abwasserkanalisation hatte seit dem Jahre 1995 bestanden; eine erste, allerdings unwirksame Beitragssatzung war vor dem Jahre 1997 bekanntgemacht worden.
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Die Beschwerdeführer erhoben fristgerecht Widerspruch gegen die Bescheide. Unter Bezugnahme auf den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, NVwZ 2016, S. 300 ff., setzte der Zweckverband - teilweise unter Aussetzung der Vollziehung - die Bearbeitung der Widerspruchsbescheide vorläufig aus. Im April 2016 erklärte er in an alle Beschwerdeführer ergangenen Zwischenmitteilungen, dass "für alle Grundstückseigentümer mit nicht bestandskräftigen Beitragsbescheiden, bei denen die Beitragspflicht bereits vor dem 1. Januar 2000 entstanden ist, die Bescheide aufgehoben werden". Im Mai 2016 erhoben die Beschwerdeführer jeweils Untätigkeitsklage. Kurze Zeit später half der Zweckverband den Widersprüchen ab und hob die angefochtenen Bescheide auf. Die Beteiligten erklärten daraufhin jeweils den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.
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Mit den angegriffenen Beschlüssen stellte das Verwaltungsgericht sämtliche Verfahren ein und legte den Beschwerdeführern jeweils die Kosten auf. Es liege kein Fall des § 161 Abs. 3 VwGO vor, da die durch den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 hervorgerufene "zahlenmäßig nicht personell abzudeckende Antragsflut" von allein mehr als 2.200 Anträgen auf Aufhebung bestandskräftiger Beitragsbescheide sowie die "mehreren hundert noch nicht abgearbeiteten Widerspruchsverfahren" einen zureichenden Grund im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO darstellten. Der Zweckverband habe sich auf diese Entscheidung auch nicht einrichten müssen, da die Rechtslage angesichts der früheren ständigen Rechtsprechung (Bezugnahme auf OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 12. Dezember 2007 - OVG 9 B 44.06 und OVG 9 B 45.06 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008 - 9 B 22.08 -, juris; Beschluss vom 11. September 2014 - 9 B 22.14 -, juris; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 21. September 2012 - 46/11 -, juris) als abschließend geklärt habe angesehen werden können.
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2. Mit ihren im Wesentlichen identischen Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführer jeweils die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihnen kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten.
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Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot vor. Die Beschwerdeführer rügen die fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts, die nur dann durch das Bundesverfassungsgericht zu beanstanden wäre, wenn sie sich als willkürlich erwiese (vgl. BVerfGE 18, 85 93>; 30, 173 196 f.>; 57, 250 272>; 74, 102 127>; stRspr). Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt der Norm in krasser Weise missverstanden wird. Von einer willkürlichen Missdeutung kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfG 89, 1 13 f.>; 96, 189 203>).
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Daran gemessen sind die angegriffenen Beschlüsse nicht willkürlich. Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt und seine Rechtsauffassung ausführlich begründet. Dabei hat es die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung sowie die Literatur ausgewertet und zutreffend wiedergegeben. Die angegriffenen Entscheidungen sind auch in der Sache vertretbar.
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Ein Grund kann nur dann zureichend im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO sein, wenn er mit der Rechtsordnung im Einklang steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 1991 - 3 C 56/90 -, NVwZ 1991, S. 1180 1181>) und im Licht der Wertentscheidungen des Grundgesetzes, vor allem der Grundrechte, als zureichend angesehen werden kann (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 75 Rn. 13). Die Überlastung der Behörde durch eine "vorübergehende Antragsflut", beispielsweise infolge einer Gesetzesänderung (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. Januar 1964 - V OVG B 28/63 -, NJW 1964, S. 1637 1638>), wird als zureichender Grund anerkannt, solange die Überlastung nicht von längerer Dauer ist und somit ein strukturelles Organisationsdefizit vorliegt (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 1. September 1989 - Bs I 44/89 -, NJW 1990, S. 1379 1380>; ThürVerfGH, Beschluss vom 15. März 2001 - VerfGH 1/00 -, LKV 2001, S. 462 464>; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 75 Rn. 9; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 75 Rn. 8 [Juni 2016]).
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Der vorliegende Sachverhalt ist mit diesen Fällen zumindest vergleichbar. Allerdings kann hier nicht ohne Weiteres darauf abgestellt werden, die Verfassungswidrigkeit der jahrelang geübten Verwaltungspraxis sei angesichts der früheren gefestigten Rechtsprechung für den Zweckverband nicht erkennbar und der Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 daher überraschend gewesen. Da selbst für den Bürger eine ständige Rechtsprechung nur bei Hinzutreten weiterer Umstände einen Vertrauenstatbestand begründen kann (vgl. BVerfGE 72, 302 326>; 122, 248 277 f.>; 131, 20 42>), muss dies erst recht für eine Behörde gelten, die gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet ist, das eigene Handeln auf seine Grundrechtskonformität hin zu jeder Zeit kritisch zu prüfen und auch vermeintlich sichere Überzeugungen zur Disposition zu stellen (vgl. auch BVerwGE 126, 7 12 Rn. 24>).
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Gleichwohl ist es in den vorliegenden Fällen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht dem Zweckverband zur Beseitigung der grundrechtswidrigen Zustände einen über die dreimonatige Frist des § 75 Satz 3 VwGO hinausgehenden Übergangszeitraum zugesteht und das Interesse der Beschwerdeführer an einer zeitnahen Bescheidung zurückstellt. Die aus dem Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 resultierenden "organisierten Massenanträge" (vgl. BVerfGE 87, 153 180>) stellen ein singuläres Ereignis dar, das zu einer nur vorübergehenden Überlastung des Zweckverbandes führte. Für ein strukturelles Organisationsdefizit ist nichts erkennbar oder vorgetragen. Unter diesen Umständen kann der Einzelne mit Blick auf seine Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit (vgl. BVerfGE 65, 1 44> m.w.N.) nicht erwarten, dass zur Beseitigung von Grundrechtsverstößen die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel über das vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartbare Maß hinaus zum Ausbau der für die Beseitigung dieses Verstoßes zuständigen Behörde verwendet werden (vgl. BVerfGE 77, 84 110 f.>). Das Gericht durfte daher davon ausgehen, dass der Zweckverband die anhängigen Verfahren im normalen Geschäftsbetrieb in zumutbarer Zeit abschließen werde. Hinzu kommt, dass der Zweckverband den Beschwerdeführern die Aufhebung der Bescheide angekündigt und sie damit nicht einem Zustand der Ungewissheit ausgesetzt hatte. Eine besondere Dringlichkeit oder unzumutbare Härte hatten die Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Hierfür ist jedenfalls in den Fällen, in denen der Zweckverband die Vollziehung der angefochtenen Bescheide ausgesetzt hatte, auch sonst nichts ersichtlich.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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