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BVerfG 15.10.2014 - 1 BvR 3210/10
BVerfG 15.10.2014 - 1 BvR 3210/10 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 6 Abs 1 S 1 GG und Art 6 Abs 2 GG durch Entfallen der durch eine Vaterschaftsanerkennung begründete Staatsangehörigkeit des Kindes aufgrund einer erfolgreichen Behördenanfechtung nach § 1600 Abs 1 Nr 5 BGB - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
Art 6 Abs 2 GG, Art 16 Abs 1 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 1600 Abs 1 Nr 5 BGB vom 13.03.2008
Vorinstanz
vorgehend OLG Karlsruhe, 16. November 2010, Az: 18 UF 159/10, Beschluss
vorgehend AG Freiburg (Breisgau), 1. Juli 2010, Az: 42 F 279/09, Beschluss
Tenor
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1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 1. Juli 2010 - 42 F 279/09 - und des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 16. November 2010 - 18 UF 159/10 - verletzen die Beschwerdeführerin zu 2) in ihrem Grundrecht aus Artikel 16 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und die Beschwerdeführerin zu 1) in ihrem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben, die Sache wird an das Amtsgericht Freiburg im Breisgau zurückverwiesen.
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2. Das Land Baden-Württemberg hat den Beschwerdeführerinnen ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
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3. Der Gegenstandswert für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen Entscheidungen, die das Nichtbestehen der Vaterschaft nach einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB feststellen.
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1. Die Beschwerdeführerin zu 1) stammt aus dem heutigen Serbien und ist die Mutter der im September 2001 geborenen Beschwerdeführerin zu 2). Im September 2005 erkannte ein deutscher Mann mit Zustimmung der Beschwerdeführerin zu 1) die Vaterschaft für die Beschwerdeführerin zu 2) an. Im Dezember 2009 reichte die anfechtungsberechtigte Behörde eine Vaterschaftsanfechtungsklage nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB gegen die Beschwerdeführerin zu 2) und deren rechtlichen Vater ein. Das Amtsgericht Freiburg im Breisgau stellte mit Beschluss vom 1. Juli 2010 fest, dass der bisherige rechtliche Vater nicht der Vater der Beschwerdeführerin zu 2) ist. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 16. November 2010 zurück.
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2. Mit der Verfassungsbeschwerde wird unter anderem eine Verletzung von Art. 6 und Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG gerügt.
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3. Die Landesregierung Baden-Württemberg, die anfechtungsberechtigte Behörde, das Jugendamt und der bisherige rechtliche Vater hatten Gelegenheit zur Äußerung. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.
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II.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist mit Blick auf die für den vorliegenden Fall maßgeblichen und durch das Bundesverfassungsgericht bereits hinreichend geklärten Fragen offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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Die angegriffenen Entscheidungen greifen in Grundrechte der Beschwerdeführerinnen ein. Da das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - festgestellt hat, dass § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB verfassungswidrig und nichtig ist, fehlt es für diese Eingriffe an einer gesetzlichen Grundlage.
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Die angegriffenen Entscheidungen waren nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Folglich hat das Amtsgericht über den Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft - sofern dieser aufrechterhalten wird - erneut zu entscheiden.
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Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Grundlage der Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ist § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 366 ff.>).
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