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BVerfG 30.05.2012 - 2 BvR 800/12, 2 BvR 1003/12
BVerfG 30.05.2012 - 2 BvR 800/12, 2 BvR 1003/12 - Nichtannahmebeschluss: Mangels Beschwer bzw mangels Rechtswegerschöpfung offensichtlich unzulässige Verfassungsbeschwerden - fehlende Begründung einer Entscheidung über Richterablehnungsgesuch begründet keine Beschwer - Unzumutbarkeit der Rechtswegerschöpfung nicht dargelegt - Missbräuchlichkeit bei offensichtlicher Unzulässigkeit sowie eA-Antrag ohne Dringlichkeit - Auferlegung einer Missbrauchsgebühr iHv 1500 Euro
Normen
Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 34 Abs 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG, § 46 Abs 2 Halbs 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend LG Halle (Saale), 10. Februar 2012, Az: 2 T 35/12, Beschluss
vorgehend AG Halle (Saale), 31. Januar 2012, Az: 105 C 3557/09, Beschluss
vorgehend AG Halle (Saale), 15. Dezember 2011, Az: 105 C 3557/09, Beschluss
vorgehend LG Halle (Saale), 27. März 2012, Az: 6 O 1776/10, Beschluss
Tenor
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Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
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Die Verfassungsbeschwerden werden, ohne dass es auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ankäme, nicht zur Entscheidung angenommen.
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Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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Dem Beschwerdeführer zu II.1. wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 1.500 € (in Worten: eintausendfünfhundert Euro) auferlegt.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Ablehnung von Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit im Zivilprozess.
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I.
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1. Dem Verfahren 2 BvR 800/12 liegt eine zivilrechtliche Streitigkeit zugrunde, die der Beschwerdeführer zu I. vor dem zuständigen Amtsgericht führt. Mit Schriftsatz vom 15. August 2010 lehnte der Beschwerdeführer zu I. die zuständige Richterin am Amtsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Schriftsatz vom 27. September 2010 lehnte er auch einen weiteren Richter am Amtsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2010 wies das Amtsgericht das Ablehnungsgesuch vom 27. September 2010 als rechtsmissbräuchlich und das Ablehnungsgesuch vom 15. August 2010 als unbegründet zurück. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer zu I. mit Schriftsatz vom 13. Januar 2011 sofortige Beschwerde. Mit Beschluss vom 22. August 2011 hob das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Oktober 2010 auf, erklärte das Ablehnungsgesuch vom 27. September 2010 für begründet und verwies die Sache zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch vom 15. August 2010 an das Amtsgericht zurück. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 15. Dezember 2011 erklärte das Amtsgericht das Ablehnungsgesuch vom 15. August 2010 für begründet. Da der Beschluss nach Auffassung des Beschwerdeführers zu I. "keine auch nur ansatzweise diesen Ausspruch tragende Begründung" lieferte, legte er sofortige Beschwerde ein. Dieser half das Amtsgericht mit Beschluss vom 31. Januar 2012 nicht ab und legte die Sache dem Landgericht vor. Das Landgericht verwarf die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 10. Februar 2012 als unzulässig, da der Beschwerdeführer zu I. nicht beschwert und die sofortige Beschwerde gemäß § 46 Abs. 2 1. Halbsatz ZPO nicht statthaft sei.
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Der Beschwerdeführer zu I. vertritt die Auffassung, dass § 46 Abs. 2 ZPO im Lichte des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass die Norm nicht gelte, wenn willkürlich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Ablehnungsgesuch unterblieben sei. Für die Wahrung der Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde komme es deshalb auf die Zustellung des Beschlusses des Landgerichts an. Hilfsweise beantragt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, denn das Amtsgericht habe mit der Entscheidung über die Nichtabhilfe grundlos lange zugewartet. Er sei daher an einer fristgerechten Einlegung der Verfassungsbeschwerde gehindert gewesen, weil er die Unzulässigkeit seiner Beschwerde nicht habe erkennen können.
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2. Dem Verfahren 2 BvR 1003/12 liegt ein zivilrechtliches Ausgangsverfahren zugrunde, das als Arzthaftungssache vor dem zuständigen Landgericht geführt wird. Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2012 lehnten die Beschwerdeführer zu II. die Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Beschluss vom 27. März 2012 wies das Landgericht das Ablehnungsgesuch vom 26. Januar 2012 mit ausführlicher Begründung als unbegründet zurück. Von der Einlegung des statthaften Rechtsmittels der sofortigen Beschwerde haben die Beschwerdeführer zu II. abgesehen, weil das zuständige Oberlandesgericht "beständig und ausnahmslos an der Verletzung der Rechte der Beschwerdeführer in allen bisherigen Verfahren" mitgewirkt habe. Die Erschöpfung des Rechtswegs halten sie aus diesem Grund für unzumutbar.
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Wegen der Schwere der Verletzung ihrer Grundrechte und der vollumfänglichen Verweigerung der Justiz sowie der Dauer der Beeinträchtigungen beantragen die Beschwerdeführer zu II., vorab im Wege einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden.
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II.
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1. Die gemäß § 66 BVerfGG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden (vgl. BVerfGE 15, 303 305>) werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig sind und daher keine Aussicht auf Erfolg haben (vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>).
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a) Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 800/12 ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer zu I. durch die angegriffenen Entscheidungen nicht beschwert ist.
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Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, kann sich die Beschwer in aller Regel nur aus dem Tenor der Entscheidung ergeben; er allein bestimmt verbindlich, welche Rechtsfolgen aufgrund des festgestellten Sachverhalts eintreten (vgl. BVerfGE 28, 151 160>). Nachteilige oder als nachteilig empfundene Ausführungen in den Gründen einer Entscheidung begründen grundsätzlich keine Beschwer. Dieser im Verfahrensrecht allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz gilt auch für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde, weil diese in erster Linie dem Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber der Staatsgewalt dient (BVerfGK 10, 263 265>; BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. März 2010 - 1 BvR 1373/08 -, FamRZ 2010, S. 797 798>). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn - wofür vorliegend keinerlei Anhaltspunkte bestehen - in Entscheidungsgründen Ausführungen enthalten sind, die den Betroffenen für sich genommen so belasten, dass eine erhebliche, ihm nicht zumutbare Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Interesses festzustellen ist (vgl. BVerfGE 6, 7 9>; 28, 151 160>). Danach kann der Beschwerdeführer offensichtlich auch durch die bloße Unvollständigkeit der Begründung einer Entscheidung, die ihn im Ergebnis nicht beschwert, sondern seinem Antrag entsprechend ausgefallen ist, nicht beschwert sein.
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b) Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 1003/12 ist unzulässig, weil die Beschwerdeführer zu II. den Rechtsweg nicht erschöpft haben (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Sie haben es unterlassen, das gemäß § 46 Abs. 2 2. Halbsatz ZPO statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einzulegen. Die durch nichts belegten Anschuldigungen der Beschwerdeführer zu II. gegen das zuständige Oberlandesgericht machen die Erschöpfung des Rechtswegs nicht unzumutbar im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG.
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c) Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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2. Durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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3. Das Bundesverfassungsgericht kann nach § 34 Abs. 2 BVerfGG eine Gebühr bis zu 2.600 € auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Es ist Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben und die Allgemeinheit von Bedeutung sind, und - wo nötig - die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht gehalten, hinzunehmen, dass es in der Erfüllung dieser Aufgaben durch an gravierenden Zulässigkeitsmängeln leidende Verfassungsbeschwerden behindert wird (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2011 - 2 BvR 1430/11 -, juris Rn. 6).
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Die vorliegenden Verfassungsbeschwerden sind wegen ihrer offensichtlichen Unzulässigkeit in diesem Sinne missbräuchlich.
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Auch der im Verfahren 2 BvR 1003/12 mit der Verfassungsbeschwerde verbundene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist missbräuchlich, weil offensichtlich keine besondere Dringlichkeit besteht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2449/11 -, juris Rn. 4) und der Eilantrag nach § 32 BVerfGG zur Inanspruchnahme eines Bearbeitungsvorrangs führt, der einer bedeutungslosen und offensichtlich unzulässigen Sache nicht zusteht (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Juni 2011 - 2 BvR 1150/11 -, juris Rn. 6; Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Oktober 2001 - 2 BvR 1271/01 -, juris Rn. 6).
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Zwar hat jeder Beschwerdeführer Anspruch auf eine richterliche Entscheidung; mit einem Hinweis des Allgemeinen Registers muss er sich nicht zufriedengeben. Es ist ihm aber, wenn er auf besonders offenkundige Zulässigkeitsmängel seiner Verfassungsbeschwerde hingewiesen wird, zumutbar, sorgfältig zu erwägen, ob er seine Verfassungsbeschwerde aufrechterhält (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2010 - 2 BvR 1783/09 -, juris Rn. 3). Dies gilt erst Recht für einen Beschwerdeführer, der - wie der Beschwerdeführer zu II. 1., der gesetzliche Vertreter der übrigen Beschwerdeführer ist - zugelassener Rechtsanwalt ist. Von einem Rechtsanwalt - insbesondere, wenn er in eigener Sache oder in Wahrnehmung seiner elterlichen Sorge tätig wird - ist zu erwarten, dass er sich mit der verfassungsrechtlichen Materie und der hierzu ergangenen Rechtsprechung sowie den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde auseinandersetzt, die Erfolgsaussichten eingehend abwägt und sich den Ergebnissen seiner Prüfung entsprechend verhält (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. Dezember 2011 - 2 BvR 1430/11 -, juris Rn. 6).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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