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BVerfG 14.02.2012 - 2 BvE 3/11
BVerfG 14.02.2012 - 2 BvE 3/11 - Verwerfung des Antrags einer politischen Partei, im Rahmen eines Organstreitverfahrens festzustellen, dass das gesetzgeberische Unterlassen einer fristgemäßen Neuregelung zur Beseitigung des negativen Stimmrechts sie in ihrem aus Art 21 Abs 1 S 1 GG herzuleitenden organschaftlichen Recht auf Chancengleichheit bei der Teilnahme an einer Bundestagswahl verletzt
Normen
Art 21 Abs 1 S 1 GG, § 64 Abs 1 BVerfGG
Gründe
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I.
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Das Organstreitverfahren betrifft das Unterlassen des Gesetzgebers, entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2008 (BVerfGE 121, 266) bis zum 30. Juni 2011 das Bundeswahlgesetz dahingehend zu ändern, dass der Effekt des sogenannten negativen Stimmgewichts nicht mehr auftreten kann.
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1. Mit Urteil vom 3. Juli 2008 erklärte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts § 7 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 4 und 5 des Bundeswahlgesetzes in der bis zum 2. Dezember 2011 gültigen Fassung für unvereinbar mit den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG niedergelegten Grundsätzen der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl, soweit die Vorschriften ermöglichten, dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen konnte. Zugleich verpflichtete das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber, spätestens bis zum 30. Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Die Frist ist verstrichen, ohne dass eine entsprechende Neuregelung verabschiedet worden war. Erst am 29. September 2011 hat der Deutsche Bundestag das Neunzehnte Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (BGBl I S. 2313) beschlossen, welches den für verfassungswidrig erklärten Regelungskomplex durch eine Neuregelung ersetzt hat. Das Gesetz ist am 3. Dezember 2011 in Kraft getreten.
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2. Die Antragstellerin ist eine auf Bundesebene organisierte politische Partei. Mit ihrem Antrag begehrt sie die Feststellung, dass das gesetzgeberische Unterlassen einer fristgemäßen Neuregelung sie in ihrem aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG herzuleitenden organschaftlichen Recht auf Chancengleichheit bei der Teilnahme an einer Bundestagswahl verletzt habe. Angesichts der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungswidrigkeit des bei Antragstellung geltenden Wahlrechts sei nach Ablauf der gesetzten Übergangsfrist kein verfassungsgemäßes Wahlgesetz mehr in Kraft gewesen. Der Antragstellerin sei daher ab diesem Zeitpunkt eine Teilnahme an einer verfassungsgemäßen Wahl verwehrt gewesen. Die Rechtsverletzung sei mit der Fristversäumnis des Gesetzgebers unwiderruflich eingetreten und durch die zwischenzeitlich verabschiedete Neuregelung nur für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit abgestellt worden. Diese verbleibende Rechtsverletzung sei weiterhin feststellungsfähig.
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II.
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Der Antrag ist unzulässig. Der Antragstellerin fehlt es an einem im Organstreitverfahren auf Seiten des Antragstellers erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfGE 62, 1 33>; 87, 207 209>; 104, 310 331>; stRspr).
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Das am 3. Dezember 2011 in Kraft getretene Neunzehnte Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (BGBl I S. 2313) hat die für verfassungswidrig erklärten wahlrechtlichen Vorschriften durch neue Bestimmungen ersetzt. Eine etwaige Rechtsverletzung, welche in der unterbliebenen Neuregelung von Teilen des Bundestagswahlrechts liegen könnte, ist damit entfallen.
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Ein gleichwohl fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis ist nicht erkennbar. Die begehrte Feststellung dient insbesondere nicht der Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. BVerfGE 103, 44 58>). Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungswidrigkeit der früheren wahlrechtlichen Regelung mit Urteil vom 3. Juli 2008 bereits festgestellt. Dass die zugleich gesetzte Frist für eine Neuregelung verstrichen ist, ohne dass bis zu diesem Zeitpunkt ein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden war, ist evident und bedarf keiner gesonderten Feststellung im Organstreitverfahren. Das vorübergehende Unterbleiben einer Neuregelung beeinträchtigt die Antragstellerin jedenfalls gegenwärtig auch nicht mehr in ihrem organschaftlichen Recht, an Wahlen teilnehmen zu können. Die Gefahr einer Wiederholung (vgl. BVerfGE 104, 310 331>) besteht nach der in Kraft getretenen Änderung des Bundeswahlgesetzes offenkundig nicht.
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