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BFH 17.11.2022 - V R 12/20
BFH 17.11.2022 - V R 12/20 - Zweckbetriebsvoraussetzungen beim Verkauf von Hilfsmitteln für Blinde
Normen
§ 14 AO, § 64 AO, § 65 AO, § 68 Nr 4 AO, § 12 Abs 2 Nr 8 Buchst a UStG 1999, Art 98 Abs 1 EGRL 112/2006, Art 98 Abs 2 EGRL 112/2006, § 12 Abs 2 Nr 8 Buchst a UStG 2005, UStG VZ 2005, UStG VZ 2006, UStG VZ 2007, UStG VZ 2008, UStG VZ 2009, UStG VZ 2010, UStG VZ 2011, UStG VZ 2012
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 10. April 2019, Az: 5 K 1472/17, Urteil
Leitsatz
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Der Verkauf von Waren ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i.S. von § 68 Nr. 4 AO erfüllt. Der Verkauf von Hilfsmitteln für blinde oder sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft kann aber ein Zweckbetrieb sein, wenn über eine im Einzelhandel übliche reine Produktberatung hinaus weitere --fürsorgeorientierte-- Hilfestellungen gegeben werden.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 10.04.2019 - 5 K 1472/17 hinsichtlich der Streitjahre 2004 bis 2012 aufgehoben.
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Die Sache wird insoweit an das Sächsische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wendet sich in Form einer Konkurrentenklage gegen die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf die durch das X im Y (Beigeladener) erbrachten Leistungen.
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Die Klägerin ist eine gewerblich tätige GbR, deren Unternehmensgegenstand im Wesentlichen der Handel mit Waren und die Erbringung von Dienstleistungen für blinde und sehbehinderte Menschen ist. Sie vertreibt ihre Produkte über das Internet und auf anderen Vertriebswegen (Messen etc.). Die Umsätze der Klägerin unterliegen dem allgemeinen Steuersatz.
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Der Beigeladene ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein.
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In § 3 der Satzung des Beigeladenen ("Gemeinnützigkeit") ist u.a. Folgendes geregelt: "Der Verband verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts 'Steuerbegünstigte Zwecke' der Abgabenordnung. Der Verband vertritt als Selbsthilfeorganisation die Interessen von Menschen, die blind oder wesentlich sehbehindert sind oder als Patienten mit einer bedrohlichen Augenerkrankung der Beratung oder Unterstützung bedürfen. Ausgerichtet auf die vorstehend genannten Personen sind die Zwecke des Verbandes: die Erhaltung und Verbesserung der sozialen Stellung der Betroffenen ... sowie die Erhaltung und Verbesserung ihrer medizinischen Versorgung. ..."
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Ordentliches Mitglied des Beigeladenen kann jeder blinde, wesentlich sehbehinderte und von Sehbehinderung bedrohte Mensch werden, welcher seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Sachsen hat.
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Gemäß § 13 der Satzung unterhält der Beigeladene die in § 13 Abs. 3 der Satzung genannten Einrichtungen, darunter das X, welches blinde, hochgradig sehbehinderte und von Blindheit und Sehbehinderung bedrohte Menschen sowie deren Angehörige zu Hilfsmitteln berät, die spezielle Aufbereitung von Informationen für diesen Personenkreis vornimmt, die Entwicklung, Produktion und Adaption von Hilfsmitteln fördert sowie Hilfsmittel aller Art für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen bereitstellt. Das X vertreibt seine Produkte über ein Ladengeschäft in W sowie über das Internet. Die Umsätze des Beigeladenen aus dem X werden von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert. Die Finanzverwaltung betrachtete das X nicht als wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, sondern als Zweckbetrieb i.S. von § 66 Abs. 1 der Abgabenordnung in der in den Streitjahren (2004 bis 2012) geltenden Fassung (AO).
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Die Klägerin legte Einsprüche gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen des Beigeladenen für 2002 und 2004 bis 2012 ein, weil sie der Auffassung war, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes beim Beigeladenen nicht vorlägen. Das FA verwarf die Einsprüche als unzulässig.
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Das Finanzgericht (FG) hat mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 416 veröffentlichten Urteil die Klage, mit der die Klägerin begehrte, das FA zu verpflichten, die Umsätze des Beigeladenen aus dem X ab dem Jahr 2003 bis zum Jahr 2012 dem Regelsteuersatz zu unterwerfen, als zulässig behandelt, aber als unbegründet abgewiesen.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG) geltend macht. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG sei nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, weil das Unionsrecht für nicht originär gemeinnützige Leistungen keine Steuerermäßigung vorsehe. Zudem seien § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG, soweit sie zur Anwendung des Regelsteuersatzes führten, weit auszulegen. Deshalb werde zwar die Beratung von Blinden und Sehbehinderten von dem ermäßigten Steuersatz umfasst, der Verkauf von Waren und Dienstleistungen betreffe demgegenüber aber nicht die originär satzungsmäßigen gemeinnützigen Leistungen. Auch aus der Entstehungsgeschichte des X ergebe sich, dass der Verkauf von Hilfsmitteln im Vordergrund stehe. Die Beratung und Versorgung sei erst später hinzugekommen. Ebenso ergebe sich aus dem Betrieb von insgesamt vier Internet-Shops, dass die Beratung lediglich ein Annex des Vertriebs sei. Zwar liege ein Zweckbetrieb in Form einer Einrichtung zur Durchführung der Blindenfürsorge gemäß § 68 Nr. 4 AO vor, die darüber hinausgehenden Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG seien aber nicht erfüllt, weil der Beigeladene in erster Linie zusätzliche Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen erziele, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt würden. Auch die Voraussetzungen von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 2 UStG seien nicht erfüllt. Der Verkauf von Waren und Dienstleistungen diene zwar dem gemeinnützigen Zweck des Beigeladenen, dieser werde aber durch den Verkauf nicht selbst verwirklicht. Denn der Verkauf von Waren und Dienstleistungen erfülle weder die beratende noch die unterstützende satzungsmäßige Funktion des Beigeladenen. Die Beratung der betroffenen Menschen sei zwar Grundlage dafür, diesen Menschen das Wissen und die Fähigkeiten zum Erwerb und zur Handhabung von Hilfsmitteln zu vermitteln. Der Erwerb dieser Hilfsmittel aber sei ein sich daran anschließender Prozess, der als solcher nicht erforderlich sei, um die satzungsmäßige Beratungsfunktion zu erfüllen.
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Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag darauf beschränkt,
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das FG-Urteil, die Umsatzsteuerfestsetzungen des Beigeladenen für die Jahre 2004 bis 2012 sowie die auf diese Jahre entfallende Einspruchsentscheidung vom 13.09.2017 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Umsätze des Beigeladenen für 2004 bis 2012 dem Regelsteuersatz zu unterwerfen.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Der Beigeladene sei eine gemeinnützige Einrichtung und die von ihm ausgeführten Umsätze erfolgten im Bereich der sozialen Sicherheit. Damit seien auch die unionsrechtlichen Voraussetzungen der Steuerermäßigung erfüllt.
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Der Betrieb des X sei zwar ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 AO, der aber als Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 4 AO zu beurteilen sei. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Beigeladenen liege nicht im Verkauf, sondern in der Beratung des bedürftigen Personenkreises hinsichtlich möglicher Hilfsmittel und deren Handhabung. Eine derart umfassende Betreuung, Förderung, Beratung und Unterstützung des vom Beigeladenen betreuten Personenkreises könne durch kein steuerpflichtiges Unternehmen geleistet werden. Dabei richteten sich die Angebote des vom Beigeladenen betriebenen X ausschließlich an den vom gemeinnützigen Zweck der Einrichtung begünstigten Personenkreis. Jedenfalls die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 2 UStG seien erfüllt, weil der Beigeladene mit den durch das X ausgeführten Leistungen, einschließlich des Verkaufs von Hilfsmitteln, seine satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirkliche.
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Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG erfüllt, weil der Beigeladene durch den Verkauf der Hilfsmittel nicht in erster Linie zusätzliche Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen erziele, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt würden. Denn das sei nicht der vorrangige Zweck des Verkaufs.
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Der Beigeladene beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das FG habe die Klage jedenfalls zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG sei für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe nicht anwendbar. Zudem seien die Voraussetzungen dieser Norm vollständig erfüllt. Der Verkauf spiele bei ihm, dem Beigeladenen, eine untergeordnete Rolle; im Vordergrund stehe die Beratung und Hilfestellung. Der Verkauf sei vielmehr ein Teil des Beratungsauftrags. Bei der Klägerin als gewerblicher Unternehmerin sei dies anders. Bei ihr werde die Beratung als unterstützender Teilprozess des Verkaufs angesehen. Zudem sei das Einholen von Informationen zum Gebrauch der Artikel eine satzungsmäßige Aufgabe, die ohne den Verkauf gar nicht möglich wäre. Auch unionsrechtlich bestünden keine Bedenken gegen die Steuerermäßigung der Umsätze des Beigeladenen. Der Beigeladene sei unstreitig eine gemeinnützige Einrichtung. Auch würden die konkreten Leistungen für wohltätige Zwecke im Bereich der sozialen Sicherheit erbracht, weil sie unmittelbar blinden und sehbehinderten Menschen zugutekämen. Das von der Klägerin angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24.09.2014 - V R 11/14 (BFH/NV 2015, 528) betreffe einen anderen Fall, nämlich den der Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt. Zwar beschäftige auch er, der Beigeladene, blinde und sehbehinderte Menschen. Das habe aber mit den Gründen der Steuersatzermäßigung seiner Umsätze nichts zu tun.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zwar hat das FG zutreffend die Zulässigkeit der Konkurrentenklage bejaht, aber § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unzutreffend angewandt. Der Verkauf von Waren ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i.S. von § 68 Nr. 4 AO erfüllt. Der Verkauf von Hilfsmitteln für blinde oder sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft kann aber ein Zweckbetrieb sein, wenn über eine im Einzelhandel übliche reine Produktberatung hinaus weitere --fürsorgeorientierte-- Hilfestellungen erforderlich sind.
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1. Die Konkurrentenklage der Klägerin ist zulässig. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für die Zulässigkeit einer Konkurrentenklage das Konkurrenzverhältnis und die Wettbewerbsrelevanz einer Nichtbesteuerung darzulegen. Hierfür bedarf es detaillierter Angaben zum Wettbewerbsverhältnis in Bezug auf Kundenkreis und Güterangebot und zu den Auswirkungen einer Nichtbesteuerung wie etwa zu einem Verdrängungseffekt durch günstigere Preise. Das Klagevorbringen muss es als möglich erscheinen lassen, dass eigene subjektiv-öffentliche Rechte des Klägers verletzt werden, wohingegen es nicht ausreicht, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger geltend gemachten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (BFH-Urteile vom 18.08.2022 - V R 49/19, BFHE 277, 57, unter II.1.a, und vom 15.10.1997 - I R 10/92 , BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63, unter II.B.5.).
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Im Streitfall macht die Klägerin geltend, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Beigeladenen ihr Recht auf Teilnahme an einem steuerrechtlich nicht zu ihrem Nachteil verfälschten Wettbewerb beeinträchtige, dass sich ihr Unternehmensgegenstand und der des Beigeladenen gleiche und sie und der Beigeladene auf demselben räumlichen und sachlichen Markt tätig seien. Das genügt --wie mittlerweile zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- für die Darlegung der erforderlichen Wettbewerbsrelevanz.
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2. Das FG hat rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG bejaht. Zwar handelt es sich bei dem Beigeladenen entsprechend Satz 1 dieser Vorschrift um eine Körperschaft, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Allerdings gilt die Steuersatzermäßigung nach Satz 2 der Vorschrift nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Demnach erfordert die Steuersatzermäßigung, dass gemäß § 64 Abs. 1 AO ein Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 AO vorliegen muss, den das FG rechtsfehlerhaft bejaht hat.
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a) Das FG hat bereits die Beschränkung des Zweckbetriebsbegriffs auf wirtschaftliche Geschäftsbetriebe außer Acht gelassen.
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aa) Zweckbetriebe sind gemäß § 64 Abs. 1 AO wirtschaftliche Geschäftsbetriebe i.S. von § 14 AO, die die Voraussetzungen der §§ 65 bis 68 AO erfüllen. Der Zweckbetrieb erfasst auf dieser Grundlage nur eine "selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden". Fehlt es mangels einer Leistung gegen Entgelt oder mangels einer Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr an einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S. von § 14 AO, stellt sich die Frage des Zweckbetriebs nicht (vgl. z.B. Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht und Spendenrecht, 5. Aufl., Rz 6.287).
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bb) Im Streitfall hat das FG danach bei der Prüfung der von ihm bejahten Tatbestände des § 68 Nr. 4 AO und des § 65 AO den Umfang der vom Beigeladenen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit unzutreffend bestimmt, in dem es die unentgeltliche Vorstellung von Hilfsmitteln und deren Gebrauch sowie das unentgeltliche Kursangebot (FG-Urteil in EFG 2021, 416, Rz 30) als Teil der im Zweckbetrieb ausgeübten Tätigkeit ansah. Stattdessen beschränkte sich die wirtschaftliche Tätigkeit, für die eine Zweckbetriebseigenschaft in Betracht kommt, auf die entgeltlichen Tätigkeiten des Beigeladenen und damit im Wesentlichen auf dessen Verkaufstätigkeit.
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b) Das FG hat zudem die Anforderungen verkannt, die an die Fürsorgedurchführung i.S. des § 68 Nr. 4 AO zu stellen sind.
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aa) Zweckbetriebe sind nach § 68 Nr. 4 AO Einrichtungen, die zur Durchführung der Blindenfürsorge und zur Durchführung der Fürsorge für Körperbehinderte unterhalten werden.
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Unionsrechtlich beruhte in den Streitjahren die Steuersatzermäßigung für die Umsätze der Zweckbetriebe gemeinnütziger Einrichtungen auf Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) i.V.m. Anh. III Nr. 15 (sowie zuvor auf Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) i.V.m. Anh. H Nr. 14).
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Danach konnte eine Steuersatzermäßigung geschaffen werden für Leistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit. Die in § 68 Nr. 4 AO genannten Einrichtungen dienen jedenfalls wohltätigen Zwecken im Sinne dieser Richtlinienbestimmung, wie es sich insbesondere aus dem Begriff der Fürsorge für die dort genannten Personen ergibt.
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bb) Bei der Auslegung von § 68 Nr. 4 AO ist --ebenso wie bei § 68 Nr. 3 AO-- zu beachten, dass die steuerrechtliche Begünstigung nach diesen Tatbeständen über deren Wortlaut hinaus voraussetzt, dass sich die Einrichtung in ihrer Gesamtrichtung als Zweckbetrieb darstellt, wofür sie erkennbar darauf abzielen muss, die satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen und diesen zu dienen. Daher sind die für einen Zweckbetrieb grundlegenden Erfordernisse des § 65 Nr. 1 AO auch im Rahmen einer "restriktiven Auslegung" des § 68 AO "entsprechend" zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 04.06.2003 - I R 25/02, BFHE 202, 391, BStBl II 2004, 660, unter II.3.a zu § 68 Nr. 3 AO; vgl. auch allgemein Seer in Tipke/Kruse, § 68 AO Rz 1).
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Somit muss die von § 68 Nr. 4 AO vorausgesetzte Fürsorgedurchführung dazu dienen, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen, die beim Beigeladenen vorliegend darin bestanden, als Selbsthilfeorganisation die Interessen von Menschen, die blind oder wesentlich sehbehindert sind oder als Patienten mit einer bedrohlichen Augenerkrankung der Beratung oder Unterstützung bedürfen, zu vertreten und dabei die soziale Stellung der Betroffenen und deren medizinische Versorgung zu erhalten und zu verbessern. Jede andere Auslegung würde jedenfalls im hier streitigen Bereich der Umsatzsteuer nicht den unionsrechtlichen Anforderungen (s. oben II.2.b aa) entsprechen.
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cc) Auf dieser Grundlage hat das FG nicht nur den Gegenstand der Zweckbetriebsprüfung nach § 68 Nr. 4 AO unzutreffend bestimmt (s. oben II.2.a bb), sondern zudem die Anforderungen verkannt, die vorliegen müssen, damit der Verkauf und die Lieferung von Hilfsmitteln für blinde Personen als Durchführung der Blindenfürsorge anzusehen ist.
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Entscheidend sind hierfür im Ausgangspunkt die Umstände der einzelnen Verkaufsgeschäfte, die im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Dabei ist der bloße Verkauf im Ladengeschäft oder über das Internet im Sinne einer typischen Handelstätigkeit, die nur mit einer üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einhergeht, wie sie im Facheinzelhandel allgemein üblich ist, nicht als Durchführung der Blindenfürsorge anzusehen, die dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke des Beigeladenen zu verwirklichen. Demgegenüber können Verkaufstätigkeiten dem Fürsorgezweck des § 68 Nr. 4 AO entsprechen und die steuerbegünstigten Satzungszwecke des Beigeladenen verwirklichen, wenn z.B. neu erblindeten Personen neben einer reinen Produktberatung weitere --fürsorgeorientierte-- Hilfestellungen gegeben werden oder wenn Verkaufstätigkeiten im Zusammenhang mit einem unentgeltlichen Kursangebot zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit stehen.
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Ist auf dieser Grundlage davon auszugehen, dass der Beigeladene beim Warenverkauf in Einzelfällen sowohl in einer § 68 Nr. 4 AO entsprechenden Weise fürsorgend tätig war, während sich seine Tätigkeit in anderen Fällen von der anderer Verkäufer nicht unterschied, ist zu beachten, dass eine Aufteilung in einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb und einen steuerschädlichen Teil des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausscheidet, wenn die Verkaufstätigkeiten nicht trennbar sind (BFH-Urteil in BFHE 202, 391, BStBl II 2004, 660, unter II.3.b). Es kann dann auf den überwiegenden Charakter der Tätigkeiten abzustellen sein, wobei die sich aus § 66 Abs. 3 Satz 1 AO ergebende Wertung Berücksichtigung finden kann, so dass nicht durch Fürsorgegesichtspunkte geprägte Verkaufstätigkeiten von weniger als einem Drittel unbeachtlich sein können.
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c) Dienten die Verkaufstätigkeiten nach den vorstehenden Ausführungen in ihrer Gesamtrichtung nicht dem steuerbegünstigten Satzungszweck, fehlt es auch an einem Zweckbetrieb nach § 65 AO, wie sich aus dessen Nr. 1 ergibt. Zudem ist nicht erkennbar, weshalb die Erhaltung und Verbesserung der sozialen Stellung von Blinden sowie die Erhaltung und Verbesserung ihrer medizinischen Versorgung ausschließlich i.S. des § 65 Nr. 2 AO durch eine Vertriebsorganisation zum Verkauf von Hilfsmitteln über das Internet erreicht werden könnte. Schließlich tritt der Beigeladene durch diese Art des Verkaufs von Hilfsmitteln zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art --wie im Streitfall zu der Klägerin-- in größerem Umfang in Wettbewerb, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Denn nach den Feststellungen des FG zeigen das Warenangebot der Klägerin und des Beigeladenen etliche Überschneidungen, so dass auch nach Auffassung des FG beide zumindest teilweise auf demselben sachlichen Markt agieren. Klägerin und Beigeladener handelten nach den Feststellungen des FG zumindest teilweise auch auf demselben räumlichen Markt, weil beide über Internet-Shops verfügten und ihre Produkte damit im gesamten Inland vertrieben.
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3. Das Urteil des FG erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Insbesondere kommt eine unmittelbare Berufung auf Art. 98 Abs. 1 und 2 MwStSystRL i.V.m. Anh. III Nr. 4 MwStSystRL (Anh. H Nr. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) nicht in Betracht. Zwar konnten danach die Mitgliedstaaten in den Streitjahren einen ermäßigten Steuersatz anwenden auf die Lieferung von medizinischen Geräten, Hilfsmitteln und sonstigen Vorrichtungen, die üblicherweise für die Linderung und die Behandlung von Behinderungen verwendet werden und die ausschließlich für den persönlichen Gebrauch von Behinderten bestimmt sind. Der nationale Gesetzgeber hat von dieser Ermächtigung aber keinen Gebrauch gemacht, da § 12 Abs. 2 UStG eine entsprechende Regelung nicht enthält.
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4. Die Sache ist nicht spruchreif.
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a) Das FG hat --aus seiner Sicht folgerichtig-- keine Feststellungen zu der Art der Beratung bei den Verkäufen über das Ladengeschäft getroffen. Insoweit ist hinsichtlich des Verkaufs von Hilfsmitteln über das Ladengeschäft zu differenzieren. Soweit der Verkauf im Ladengeschäft nur mit einer üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung, wie sie im Facheinzelhandel allgemein üblich ist, einherging, liegt ebenso wenig wie beim Internethandel ein Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 4 AO oder nach § 65 AO vor. Insoweit ist lediglich von einer --qualitativ hochwertigen-- Handelstätigkeit auszugehen. Etwas anderes kann aber bei einer speziell durch die Fürsorge für Blinde und Sehbehinderte gebotenen Käuferberatung gelten. Das kommt insbesondere bei neu erblindeten Personen in Betracht, bei denen neben einer reinen Produktberatung weitere --fürsorgeorientierte-- Hilfestellungen erforderlich sein können, wie z.B. Rat und Unterstützung bei zu stellenden Anträgen, Hilfe bei der Akzeptanz der neuen Lebenssituation. In welchem Umfang die Umsätze des Beigeladenen auf diese beiden Bereiche entfallen, wird das FG nachholen müssen.
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Weiter sind ggf. Feststellungen zu einer möglichen Trennbarkeit unterschiedlicher Verkaufsbereiche, wie etwa nach Verkäufen in Ladenlokalen oder über das Internet zu treffen.
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b) In Bezug auf einen möglichen Zweckbetrieb nach § 66 AO hat das FG zu prüfen, ob beim Beigeladenen eine einen derartigen Zweckbetrieb ausschließende Erwerbsorientierung vorliegt. Das ist der Fall, wenn Gewinne angestrebt wurden, die den konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs übersteigen, die Wohlfahrtspflege mithin nur als Vorwand dient, um das eigene Vermögen zu mehren (BFH-Urteil vom 27.11.2013 - I R 17/12, BFHE 244, 194, BStBl II 2016, 68, Rz 45).
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c) Bejaht das FG auch im zweiten Rechtsgang einen Zweckbetrieb, hat es zusätzlich auch die Voraussetzungen von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG, der durch Art. 7 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. Art. 20 Abs. 1 des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) mit Wirkung ab 19.12.2006 in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden ist, zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 26.08.2021 - V R 5/19, BFHE 274, 284, Rz 48 ff.), was bislang unterblieben ist.
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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