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BFH 17.03.2020 - III R 31/19
BFH 17.03.2020 - III R 31/19 - (Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 11.12.2018 - III R 26/18 - Kindergeld; Abgrenzung zwischen mehraktiger Erstausbildung und Zweitausbildung)
Normen
§ 62 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009, § 32 Abs 4 S 2 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 3 EStG 2009, § 66 Abs 3 EStG 2009, § 143 Abs 2 FGO, EStG VZ 2016, EStG VZ 2017, EStG VZ 2018
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 7. März 2019, Az: 8 K 1902/18 Kg, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ein Kindergeldanspruch besteht nicht mehr, wenn das Kind eine erstmalige Berufsausbildung (hier: Industriekauffrau) abgeschlossen hat und während der nachfolgenden (Zweit-)Ausbildung zur Betriebswirtin mehr als 20 Wochenstunden arbeitet, sofern die Berufstätigkeit im Vergleich zur Ausbildung als "Hauptsache" anzusehen ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 11.12.2018 - III R 26/18, BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765).
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2. NV: Wurde ein Kindergeldantrag erst nach dem 31.12.2017 eingereicht, besteht nach § 66 Abs. 3 EStG a.F. nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag bei der Familienkasse eingegangen ist, ein Anspruch auf Kindergeld.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 07.03.2019 - 8 K 1902/18 Kg aufgehoben.
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Die Klage wird insoweit abgewiesen, als das Urteil den Zeitraum September 2016 bis Juni 2017 betrifft.
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Im Übrigen (Juli 2017 bis Mai 2018) wird die Sache an das Finanzgericht Münster zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum September 2016 bis Mai 2018.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater der im Mai 1995 geborenen Tochter I, für die er Kindergeld bezog. I absolvierte nach dem Abitur von August 2013 bis Juli 2016 eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Nach dem Abschluss der Ausbildung war I im bisherigen Ausbildungsbetrieb in Vollzeit beschäftigt. Bereits im April 2016 hatte sie sich bei der … für ein berufsbegleitendes Studium beworben. Sie erhielt den Studienplatz im Juli 2016 für das Studium "Betriebswirtschaft" mit dem Ziel "Betriebswirtin VWA Bachelor of Arts" an der Fachhochschule X. Zulassungsvoraussetzung war eine abgeschlossene Ausbildung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf, ein Beschäftigungsverhältnis in einem Unternehmen sowie die Hochschulzugangsberechtigung. Diese konnte auch durch eine abgeschlossene Ausbildung sowie eine anschließende dreijährige Berufspraxis nachgewiesen werden. Das Bachelorstudium an der Fachhochschule X dauert in der Regel sieben Semester. Das Studium begann am 01.09.2016. Die Lehrveranstaltungen fanden freitags von 16 Uhr bis 21 Uhr sowie samstags von 08 Uhr bis 13 Uhr statt.
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Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob durch Bescheid vom 31.05.2016 die Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2016 auf, gewährte aber durch weiteren Bescheid für den Juli 2016 noch Kindergeld, weil der Ausbildungsabschluss erst in diesem Monat lag.
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Mit Antrag vom 31.12.2017, bei der Familienkasse eingegangen am 03.01.2018, begehrte der Kläger Kindergeld für I. Die Familienkasse lehnte die Festsetzung ab September 2016 ab, weil I bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen habe und es sich um eine Zweitausbildung handele. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 15.05.2018).
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Das Finanzgericht (FG) gab der anschließend erhobenen Klage statt und verpflichtete die Familienkasse, für I Kindergeld für den Zeitraum September 2016 bis Mai 2018 festzusetzen. Es war der Ansicht, der erste berufsqualifizierende Abschluss zur Industriekauffrau habe noch nicht zu einem Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geführt. Ein enger fachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung zur Industriekauffrau und dem Bachelorstudium sei zu bejahen. Die Erwerbstätigkeit der I sei nicht schädlich, ebenso wenig, dass sie das Studium berufsbegleitend absolviert habe.
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Gegen das Urteil wendet sich die Familienkasse mit der Revision. Zur Begründung führt sie u.a. aus, durch die Erwerbstätigkeit der I sei eine Zäsur eingetreten, die einer einheitlichen Erstausbildung entgegenstehe. Auch handele es sich um eine berufsbegleitende Weiterbildung. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei keine einheitliche Erstausbildung anzunehmen, wenn ein Kind während einer beruflichen Weiterbildung eine Erwerbstätigkeit aufnehme, die im Vergleich zur Weiterbildung als "Hauptsache" anzusehen sei.
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Die Familienkasse beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er ist der Ansicht, das Studium der Betriebswirtschaft habe in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur ersten berufsqualifizierenden Ausbildung gestanden.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Hinsichtlich des Zeitraums September 2016 bis Juni 2017 ist die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Übrigen (Juli 2017 bis Mai 2018) wird die Streitsache an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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1. Für den Zeitraum September 2016 bis Juni 2017 kann der Kläger kein Kindergeld beanspruchen, weil sein Kindergeldantrag erst am 03.01.2018 bei der Familienkasse eingegangen ist, so dass aufgrund der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG a.F. nur für die letzten sechs Monate vor der Antragstellung Kindergeld gewährt werden kann.
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Nach § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz --StUmgBG--) vom 23.06.2017 (BGBl I 2017, 1682) wird das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Neuregelung, die am 01.01.2018 in Kraft getreten ist (Art. 11 Abs. 2 StUmgBG), ist gemäß § 52 Abs. 49a Satz 7 EStG i.d.F. des Art. 7 Nr. 6 Buchst. c StUmgBG auf Anträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2017 eingegangen sind. Nach den nicht mit Revisionsrügen angefochtenen Feststellungen des FG ging der Kindergeldantrag des Klägers vom 31.12.2017 erst am 03.01.2018 bei der Familienkasse ein. Die Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG a.F. ist im Streitfall zu beachten. Sie betrifft das Festsetzungsverfahren, somit die Frage, ob ein Anspruch auf Kindergeld (noch) besteht (s. Senatsurteil vom 19.02.2020 - III R 66/18, BFH/NV 2020, 1139). Für die Zeit vor Juli 2017 hatte der Kläger demnach keinen Anspruch auf Kindergeld.
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2. Hinsichtlich des Zeitraums Juli 2017 bis Mai 2018 kann der Senat aufgrund der Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob das berufsbegleitende Studium an der Fachhochschule X noch als Teil der Erstausbildung anzusehen ist.
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a) Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird. In den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).
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aa) Zu den in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmalen der "erstmaligen Berufsausbildung" und des "Erststudiums" hat der Senat entschieden, dass das Erststudium nur einen Unterfall des Oberbegriffes erstmalige Berufsausbildung darstellt (Senatsurteil vom 03.07.2014 - III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 19 ff.) und der Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enger auszulegen ist als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird" (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 22 ff.).
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Die den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG begrenzenden Kriterien hat der Senat dabei vor allem in folgenden Punkten gesehen:
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Es muss sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handeln (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24), der auf einen Abschluss in Form einer Prüfung ausgerichtet ist (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme muss das Kind die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben, die --anders als der Besuch einer allgemein bildenden Schule-- zur Aufnahme eines Berufs befähigen (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 24). Mehrere Ausbildungsabschnitte können eine einheitliche Erstausbildung darstellen, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 27). In einem solchen Fall muss aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar sein, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30). Dabei ist darauf abzustellen, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30).
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An einer Ausbildungseinheit fehlt es dagegen, wenn bereits die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient (Senatsurteil vom 04.02.2016 - III R 14/15, BFHE 253, 145, BStBl II 2016, 615, Rz 15).
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bb) Die vorstehenden Rechtsprechungsgrundsätze sind indessen --wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (z.B. Senatsurteil vom 11.12.2018 - III R 26/18, BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765)-- für Fälle, in denen die einheitliche Erstausbildung mit einer daneben ausgeübten Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen ist, fortzuentwickeln und zu präzisieren.
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Danach kann es an einer einheitlichen Erstausbildung auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen, ist dabei anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden, für die vor allem die nachfolgenden Kriterien von Bedeutung sind.
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(1) Für die Aufnahme einer Berufstätigkeit als Hauptsache spricht, dass sich das Kind längerfristig an einen Arbeitgeber bindet, indem es etwa ein zeitlich unbefristetes oder auf jedenfalls mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis mit einer regelmäßigen vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingeht. Ist das Beschäftigungsverhältnis dagegen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts befristet oder überschreitet die regelmäßige Wochenarbeitszeit die 20-Stundengrenze allenfalls geringfügig, kann dies für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen, die noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist. Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung kommt es auch darauf an, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen. Da die Summe aus Arbeits- und Ausbildungszeit nicht selten über 40 Wochenstunden liegen wird, kann allein eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von über 20 Stunden noch nicht den Ausschlag geben. Betreibt das Kind etwa neben einer 22 Wochenstunden umfassenden Arbeitstätigkeit ein Vollzeitstudium an einer Universität, kann der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen (s. hierzu etwa BFH-Urteil vom 03.09.2015 - VI R 9/15, BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166).
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(2) Weiter ist von Bedeutung, ob das Kind mit der nach dem ersten Abschluss aufgenommenen Berufstätigkeit bereits die durch den Abschluss erlangte Qualifikation nutzt, um eine durch diese eröffnete Berufstätigkeit auszuüben. Wird z.B. ein Geselle oder ein Kaufmann von seinem Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf übernommen oder nimmt ein Bachelor eine durch diesen Abschluss eröffnete Stelle an, kann dies Indiz dafür sein, dass die Berufstätigkeit in den Vordergrund getreten ist. Denn ein solcher Sachverhalt spricht dafür, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der beruflichen Weiterbildung oder Höherqualifizierung in einem bereits aufgenommenen und ausgeübten Beruf dienen. Nimmt das Kind dagegen eine Berufstätigkeit auf, die ihm auch ohne den erlangten Abschluss eröffnet wäre (z.B. Aushilfstätigkeit in der Gastronomie oder im Handel) oder handelt es sich bei der Erwerbstätigkeit typischerweise um keine dauerhafte Berufstätigkeit (z.B. bei einem Bachelor, der während des nachfolgenden Masterstudiums mit 19 Stunden als wissenschaftliche Hilfskraft tätig ist und daneben drei Nachhilfestunden pro Woche gibt), kann das für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung sprechen.
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(3) Darüber hinaus ist in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen, inwieweit die Arbeitszeit den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild "neben der Ausbildung" durchgeführt wird. Arbeitet das Kind z.B. nur nachmittags, abends oder am Wochenende, so dass sich seine Teilzeittätigkeit von regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt. Arbeitet das Kind dagegen annähernd vollzeitig und beschränken sich die Ausbildungsmaßnahmen auf Abende und Wochenenden, deutet dies darauf hin, dass sie nur "neben der Berufstätigkeit" durchgeführt werden. Schließlich kann auch von Bedeutung sein, ob und inwieweit die Berufstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen über den zeitlichen Aspekt hinaus auch inhaltlich aufeinander abgestimmt sind.
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cc) Diese Fortentwicklung und Präzisierung des Erstausbildungsbegriffes widerspricht nicht der Begründung zum Entwurf des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (Senatsurteil in BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765, Rz 20).
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dd) Soweit sich aus der Rechtsprechung des Senats in seinen Urteilen in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, und vom 08.09.2016 - III R 27/15 (BFHE 255, 202, BStBl II 2017, 278) etwas anderes ergibt, wird hieran nicht weiter festgehalten. Der VI. Senat hat mitgeteilt, dass er einer Abweichung von seinem Urteil in BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166 zustimmt.
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b) Das mit der Revision angegriffene FG-Urteil entspricht diesen fortentwickelten Rechtsgrundsätzen nicht und ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
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aa) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass I im Streitzeitraum mit dem Besuch der Fachhochschule X die Voraussetzungen eines Berücksichtigungstatbestandes erfüllte, da sie durch das Bachelorstudium i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf --Betriebswirtin VWA Bachelor of Arts-- ausgebildet wurde.
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bb) Das FG hat den --hier unstreitig gegebenen-- zeitlichen und sachlichen Zusammenhang beider Ausbildungsgänge als für die Zusammenfassung zu einer mehraktigen Erstausbildung ausreichend erachtet. Es hat mithin nicht nach den oben dargelegten Grundsätzen geprüft, ob I die Ausbildung zur Betriebswirtin nicht mehr als Teil einer einheitlichen Erstausbildung, sondern als berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme durchführte. Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze zu prüfen haben, ob die Ausbildung zur Betriebswirtin eher dem Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war oder umgekehrt das Beschäftigungsverhältnis der Ausbildung zur Betriebswirtin; diese Würdigung ist dem BFH als Revisionsgericht versagt.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO. Das FG hat mit Rücksicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch über die Kosten des durch dieses Urteil rechtskräftig abgeschlossenen Teils des Verfahrens zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 17.11.2011 - IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309; Senatsurteil vom 13.06.2013 - III R 10/11, BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706).
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