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BFH 11.12.2019 - X B 40/19
BFH 11.12.2019 - X B 40/19 - Pflicht des Gerichts zur Entgegennahme von Unterlagen, die ein Beteiligter anbietet
Normen
§ 65 Abs 2 S 2 FGO, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 79b FGO, § 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 295 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 8. Januar 2019, Az: 8 K 8169/15, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs beinhaltet u.a., dass der Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens das Recht hat, sich vor dem Erlass der Entscheidung zu dem Sachverhalt zu äußern, der der Entscheidung zugrunde gelegt wird. Daraus folgt zugleich, dass das Gericht derartige Äußerungen entgegennehmen muss.
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2. NV: Die Anforderungen des § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO sind erfüllt, wenn der Kläger dem FG so viele sachverhaltsmäßige Erläuterungen gibt, dass das Gericht die Streitpunkte wenigstens in ihren Grundzügen erkennen kann und so in die Lage versetzt wird, ggf. in einer zweiten Stufe der Klagekonkretisierung von der in § 79b Abs. 2 FGO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen und zu "bestimmten Vorgängen" nähere Sachverhaltserläuterungen zu verlangen. Daraus ergibt sich, dass die Streitkomplexe bis zur Erkennbarkeit "bestimmter Vorgänge" erläutert werden müssen, um den Anforderungen des § 79b Abs. 1 FGO zu genügen.
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3. NV: Auch nach dem Ablauf einer wirksam gesetzten Ausschlussfrist berechtigt § 79b Abs. 3 FGO das Gericht nicht dazu, verspätete vorgelegte Unterlagen nicht einmal entgegenzunehmen und sich dadurch selbst außerstande zu setzen, sich die von § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO zwingend vorausgesetzte Überzeugung von der Verzögerung des Rechtsstreits überhaupt erst bilden zu können.
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 08.01.2019 - 8 K 8169/15 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr 1999 Medizinstudent im Praktischen Jahr sowie Doktorand. Er wurde einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
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Am 29.12.2006 reichte er seine Einkommensteuererklärung 1999 ein. Darin machte er einen Verlust aus einem gewerblichen Wertpapierhandel in Höhe von insgesamt 537.405 DM sowie --betragsmäßig aufgegliederte-- vorweggenommene Werbungskosten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 42.751 DM geltend. Nachweise zu den erklärten negativen Einkünften sind in den --dem Senat vorliegenden-- Einkommensteuerakten nicht enthalten. Diese Akten enthalten auch keine Hinweise darauf, dass der Kläger Nachweise eingereicht haben könnte, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) wieder zurückgesandt hätte.
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Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.12.2011 stellte das FA den verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf 3.597 DM fest. In einer Anlage zum Bescheid erläuterte es, welche Werbungskosten es anerkannt hatte. Zu den weiteren als Werbungskosten geltend gemachten Beträgen vertrat es die Auffassung, es handele sich um Kosten der privaten Lebensführung. Den begehrten gewerblichen Verlust stellte das FA nicht fest. Hierzu verwies es darauf, dass der An- und Verkauf von Wertpapieren nicht unter § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern unter § 23 EStG falle. Insoweit bat das FA den Kläger, innerhalb der Einspruchsfrist Nachweise über den An- und Verkauf von Wertpapieren einzureichen.
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Der Kläger legte Einspruch ein, den er aber nicht begründete. Das FA wies den Einspruch am 04.05.2015 zurück.
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Auch die Klage wurde zunächst nicht begründet. Das Finanzgericht (FG) setzte dem Kläger mit einem am 15.09.2015 zugestellten Schreiben eine bis zum 23.10.2015 laufende Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens (§ 65 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie eine Frist zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sich der Kläger beschwert fühle (§ 79b Abs. 1 FGO).
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Mit einem am 23.10.2015 beim FG eingegangenen Schriftsatz erklärte der Kläger, er begehre den Ansatz von Verlusten aus dem Wertpapierhandel in Höhe von 537.405 DM. Er habe diese Tätigkeit hauptberuflich und nachhaltig betrieben. Die Höhe des Verlusts sei im Rahmen der Einkommensteuererklärung belegt worden und dürfte unstreitig sein. Falls die Höhe des Verlusts streitig sein sollte, werde er die Unterlagen "nochmals" einreichen. Hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit würden über die bereits mit der Einkommensteuererklärung bezeichneten Werbungskosten von 42.751 DM hinaus nunmehr weitere Werbungskosten von 15.000 DM geltend gemacht. Nachweise oder andere Unterlagen waren diesem Schreiben nicht beigefügt.
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Am 21.12.2017 bat das FG den Kläger --ohne nähere Spezifizierung--, "den Klagevortrag zu ergänzen und zu begründen". Der Kläger reagierte hierauf nicht. Mit Schreiben vom 22.08.2018 teilte das FG dem Kläger mit, im Termin zur mündlichen Verhandlung bzw. im Rahmen einer umfassenden Erörterung bestehe die Gelegenheit, weiter vorzutragen. Allerdings seien in mehreren Verfahren Ausschlussfristen gesetzt worden, die weiteren Vortrag präkludiert haben dürften.
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In der mündlichen Verhandlung am 08.01.2019 übergab der Kläger der Einzelrichterin, der das FG den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hatte, einen Schriftsatz vom 07.01.2019, in dem mehrfach auf eine noch einzureichende geänderte Einkommensteuererklärung für 1999 sowie auf noch einzureichende Belege Bezug genommen wurde. Ferner behauptete er, im Rahmen seines Wertpapierhandels auch für Dritte tätig geworden zu sein, eine Provision erhalten und seine Geschäfte überwiegend fremdfinanziert zu haben. Er begehrte nunmehr die Feststellung vortragsfähiger Verluste in Höhe von 555.192 DM bei § 15 EStG und 66.935 DM bei § 19 EStG.
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Das FG wies die Klage ab. Hinsichtlich eines Wertpapierhandels habe der Kläger seine Behauptungen zur Ausgestaltung seiner Tätigkeit nicht nachgewiesen. Ein Verlust aus Wertpapiergeschäften könne auch nicht nach § 23 EStG berücksichtigt werden, da der Kläger keine Unterlagen eingereicht habe, die zur Ermittlung eines solchen Verlusts geeignet wären. Die geltend gemachten Werbungskosten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit seien weder der Höhe nach noch hinsichtlich der erforderlichen Abgrenzung zu den Kosten der Lebensführung nachgewiesen. Soweit die im Schriftsatz vom 07.01.2019 geltend gemachten Beträge über das innerhalb der Ausschlussfrist bezeichnete Klagebegehren hinausgingen, seien sie präkludiert.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger, die Sache wegen Verfahrensmängeln an das FG zurückzuverweisen.
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Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist begründet.
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Es liegt ein vom Kläger geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
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1. Wie vom Kläger gerügt, hat das FG sowohl dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) als auch die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt, indem es in der mündlichen Verhandlung abgelehnt hat, die vom Kläger angebotenen Unterlagen entgegenzunehmen.
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Nach den Behauptungen des Klägers über den Ablauf der mündlichen Verhandlung vor dem FG (dazu unten a), die der Senat als zutreffend unterstellt (unten b), hat das FG den Anspruch auf rechtliches Gehör sowie seine Sachaufklärungspflicht verletzt (unten c). Der Ablauf der gesetzten Ausschlussfristen rechtfertigt die Vorgehensweise des FG nicht (unten d). Der Kläger hat sein Recht, diese Verfahrensmängel zu rügen, nicht verloren (unten e). Auch die von ihm selbst vorgetragene Bereitschaft des FG, letztlich die Steuererklärung entgegenzunehmen, lässt unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Gehörsverletzung nicht entfallen (unten f). Der Annahme einer formgerechten Darlegung der Gehörsrüge steht im Streitfall --anders als das FA meint-- nicht entgegen, dass der Kläger im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen hat, welchen Inhalt die vom FG nicht entgegengenommenen Unterlagen im Einzelnen hatten (unten g).
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a) Der Kläger behauptet in seiner Beschwerdebegründung, er habe in der mündlichen Verhandlung versucht, der Richterin einen Schriftsatz vom 07.01.2019 sowie eine aktualisierte Einkommensteuererklärung 1999 mitsamt der als Nachweis dienenden Belege zu übergeben. Die Richterin habe dies unter Hinweis auf den Ablauf der Präklusionsfristen zunächst vollständig abgelehnt, letztlich aber den Schriftsatz entgegen genommen.
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In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 24.04.2019, die der Kläger für Zwecke des beim FG gestellten Protokollberichtigungsantrags abgegeben hat, hat der Kläger den Ablauf der mündlichen Verhandlung wie folgt dargestellt: "Sobald die Klägerseite das Wort (erstmals in dieser mündlichen Verhandlung) durch die Richterin erhielt, teilte ich der Richterin mit, dass ich alle Schriftsätze vom 07.01.2019 und vom 27.04.2018 nebst Anlagen (aktualisierte vollständige Einkommensteuererklärungen aus 2018) für alle Verfahren 8 K 8169/15 (ESt 1999) … mitgebracht habe und ihr überreichen möchte, für 2001 und 2002 nebst der Ergänzungsschreiben. Ich verwies darauf, dass die o.g. Schriftsätze vom 07.01.2019 und vom 27.04.2018 Ergänzungen zu Klagebegründungen und Antragstellungen beinhalteten. Gleichsam bat ich die Richterin um steuerliche Berücksichtigung all dieser mitgebrachten Schriftsätze und aktualisierter, vollständiger Steuererklärungen in allen verhandelten Verfahren, was sie unter Verweis auf verspätetes Vorbringen dieser Dokumente ablehnte. Auf meine unmittelbare Frage, ob der BFH dies genauso sehe, erwiderte die Richterin, dass der BFH dies genauso sehe. Als Nächstes fragte mich die Richterin, ob ich dennoch wenigstens die o.g. Schriftsätze und aktualisierten Steuererklärungen einreichen möchte - also eine Einreichung weiterhin ohne steuerliche Berücksichtigung. Durch mein unübersehbares, nachhaltiges und für alle Beteiligten erkennbaren Kopfschütteln sowie durch mein wiederholtes "nein"-Sagen brachte ich fortwährend bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck, dass ich mit der Ablehnung der steuerlichen Berücksichtigung aller o.g. mitgebrachten Unterlagen in allen verhandelten Verfahren nicht einverstanden war."
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Im gerichtlichen Protokoll der mündlichen Verhandlung heißt es hierzu lediglich: "Der Kläger überreicht einen Schriftsatz vom 07.01.2019. Der Beklagtenvertreter erhält eine Abschrift."
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b) Der Senat unterstellt trotz des weitestgehenden Schweigens des vom FG aufgenommenen Protokolls zu diesen --gemäß § 160 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) protokollierungspflichtigen-- Vorgängen, dass sich die mündliche Verhandlung hinsichtlich der versuchten (und letztlich gelungenen) Übergabe des Schriftsatzes vom 07.01.2019 sowie der versuchten Übergabe der geänderten Einkommensteuererklärung 1999 und der dazugehörigen Belege so abgespielt hat, wie der Kläger es in seiner eidesstattlichen Versicherung beschrieben hat (vgl. zu einem ähnlichen Fall Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.12.2010 - IX B 107/10).
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Dafür, dass die eidesstattliche Versicherung des Klägers den Verlauf dieses Teils der mündlichen Verhandlung zutreffend wiedergibt, spricht, dass das FA in seiner Beschwerdeerwiderung ebenfalls ausführt, der Kläger habe im Zuge der mündlichen Verhandlung "Beweismittel in Form eines Schriftsatzes vom 07.01.2019 und einer aktualisierten Einkommensteuererklärung 1999 nebst Belegen" beigebracht. Das FG habe diese Unterlagen mit Ausnahme des Schriftsatzes als präkludiert zurückgewiesen. Auch das FG hat in seinem Beschluss über die Ablehnung der Anträge auf Tatbestandsberichtigung und Urteilsergänzung vom 07.03.2019 das entsprechende Vorbringen --im Gegensatz zu weiteren, hier nicht interessierenden Behauptungen des Klägers-- nicht etwa als inhaltlich unzutreffend bezeichnet, sondern insoweit lediglich ausgeführt, nachträgliche Ergänzungen und Erläuterungen des Sachverhalts seien im Rahmen eines Tatbestandsberichtigungsantrags nicht vorgesehen. Zudem erwähnt das FG im angefochtenen Urteil eine "weitere Einkommensteuererklärung für 1999" sowie "noch weiter einzureichende Belege".
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c) Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs beinhaltet u.a., dass der Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens das Recht hat, sich vor dem Erlass der Entscheidung zu dem Sachverhalt zu äußern, der der Entscheidung zugrunde gelegt wird (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.11.1989 - 1 BvR 1011/88, BVerfGE 81, 123, unter B.I.). Daraus folgt zugleich, dass das Gericht derartige Äußerungen entgegennehmen muss. Ebenso zwingt auch die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) das Gericht, Unterlagen, die der Kläger vorlegen will, entgegenzunehmen und zu würdigen.
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d) Anders als das FG offenbar meint, haben ihm die gesetzten Fristen nach § 65 Abs. 2 und § 79b Abs. 1 FGO im Streitfall nicht die Befugnis verliehen, die Entgegennahme der Unterlagen zu verweigern.
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Den Anforderungen des § 65 Abs. 2 FGO (dazu unten aa) und des § 79b Abs. 1 FGO (unten bb) hatte der Kläger innerhalb der ihm vom FG jeweils gesetzten Fristen genügt (unten cc). Damit war dem FG eine Berufung auf die Präklusionsfristen verwehrt (unten dd). Abgesehen davon berechtigt § 79b Abs. 3 FGO das Gericht nicht dazu, verspätet vorgelegte Unterlagen nicht einmal entgegenzunehmen und sich dadurch selbst außerstande zu setzen, sich die von § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO zwingend vorausgesetzte Überzeugung von der Verzögerung des Rechtsstreits überhaupt erst bilden zu können (unten ee).
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aa) Gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter einen Kläger, dessen Klage nicht den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO entspricht, zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist, die ausschließende Wirkung hat, auffordern. Eine ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens erfordert, dass der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26.11.1979 - GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99). Wie weit das Klagebegehren im Einzelnen zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Falles ab (BFH-Urteil vom 14.06.2000 - X R 18/99, BFH/NV 2001, 170, m.w.N.). Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin die den Kläger treffende Rechtsverletzung nach dessen Ansicht liegt (BFH-Beschlüsse vom 30.04.2001 - VII B 325/00, BFH/NV 2001, 1227, und vom 17.01.2002 - VI B 114/01, BFHE 198, 1, BStBl II 2002, 306). Kommt der Kläger einer auf der Grundlage des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO wirksam gesetzten Ausschlussfrist nicht nach, ist seine Klage unzulässig (BFH-Urteil vom 12.09.1995 - IX R 78/94, BFHE 178, 549, BStBl II 1996, 16, unter II.1.a, m.w.N.). Bezeichnet der Kläger hingegen den Gegenstand des Klagebegehrens innerhalb der Ausschlussfrist, ist die gerichtliche Anordnung damit erfüllt; die Klage kann in einem solchen Fall regelmäßig auch nach Ablauf der Ausschlussfrist erweitert werden (BFH-Urteil in BFHE 178, 549, BStBl II 1996, 16, unter II.2.).
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bb) § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO lässt es zu, dem Kläger eine Frist zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt, zu setzen. Diese Anforderungen sind erfüllt, wenn der Kläger dem FG so viele sachverhaltsmäßige Erläuterungen gibt, dass das Gericht die Streitpunkte wenigstens in ihren Grundzügen erkennen kann und so in die Lage versetzt wird, ggf. in einer zweiten Stufe der Klagekonkretisierung von der in § 79b Abs. 2 FGO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen und zu "bestimmten Vorgängen" nähere Sachverhaltserläuterungen --durch nunmehr speziellere Tatsachenangaben oder die Vorlage von Beweismitteln-- zu verlangen. Daraus ergibt sich, dass die Streitkomplexe bis zur Erkennbarkeit "bestimmter Vorgänge" erläutert werden müssen, um den Anforderungen des § 79b Abs. 1 FGO zu genügen (zum Ganzen vgl. Senatsbeschluss vom 08.03.1995 - X B 243-244/94, BFHE 177, 201, BStBl II 1995, 417). Diese Regelung dient der Substantiierung der Beschwer, nicht aber der Angabe von Tatsachen schlechthin (BFH-Urteil vom 23.04.2003 - IX R 22/00, BFH/NV 2003, 1198, unter II.2.a).
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Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer gemäß § 79b Abs. 1 und Abs. 2 FGO gesetzten Frist vorgebracht werden, beim Vorliegen der in § 79b Abs. 3 FGO genannten Voraussetzungen zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden.
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cc) Der Kläger hat der Aufforderung zur Bezeichnung des Klagebegehrens (§ 65 Abs. 2 FGO) mit seinen Ausführungen in seinem innerhalb der Ausschlussfrist eingegangenen Schriftsatz vom 23.10.2015 entsprochen. Er hat sein Begehren in Bezug auf die geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit betragsmäßig eingegrenzt und hinsichtlich der einzelnen Positionen --soweit sich sein Begehren im Rahmen des bereits mit der Einkommensteuererklärung geltend gemachten Betrages hielt-- auf die mit der Steuererklärung eingereichte Aufgliederung verwiesen. Soweit er sein Begehren gegenüber der Steuererklärung erweitert hat, hat er die zugrunde liegenden Tatsachen wenigstens grob umrissen (Umzugspauschalen für drei Umzüge, weitere Promotionskosten, Bewerbungskosten). In Bezug auf die Verluste aus einem gewerblichen Wertpapierhandel hat er ebenfalls einen konkreten Betrag benannt und rudimentäre Behauptungen zum Sachverhalt vorgebracht. Dies genügt den Anforderungen des § 65 FGO. Hiervon ist ersichtlich auch das FG ausgegangen; andernfalls hätte es die Klage als unzulässig verwerfen müssen.
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Zugleich hat der Kläger mit seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 23.10.2015 auch die Anforderungen des § 79b Abs. 1 FGO erfüllt. Er hat die beiden Streitkomplexe innerhalb der gesetzten Frist so erläutert, dass bestimmte Vorgänge erkennbar wurden. Das FG war danach in der Lage, die tatsächlichen Streitpunkte in ihren Grundzügen zu erkennen. Es hätte den Kläger nun gemäß § 79b Abs. 2 FGO zur weiteren Konkretisierung seines Vortrages, zur Bezeichnung von Beweismitteln und zur Vorlage von Urkunden auffordern können. Hierauf hat es allerdings verzichtet.
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dd) Nachdem der Kläger die vom FG gestellten Anforderungen innerhalb der ihm gesetzten Ausschlussfristen erfüllt hatte, fehlte es an einer verfahrensrechtlichen Grundlage für das FG, sich auf einen fruchtlosen Ablauf der Ausschlussfristen zu berufen und es dem Kläger zu verwehren, seinen Sachvortrag zu ergänzen, hierzu Unterlagen nachzureichen und seine Klageanträge zu erweitern. Es hätte vielmehr die Unterlagen entgegen nehmen und deren einkommensteuerrechtliche Relevanz prüfen müssen. Es hat offenbar verkannt, dass eine Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 2 FGO --wie dargelegt-- nicht gesetzt wurde.
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ee) Unabhängig davon berechtigt § 79b Abs. 3 FGO das Gericht auch nach dem Ablauf einer wirksam gesetzten Ausschlussfrist nicht dazu, verspätet vorgelegte Unterlagen nicht einmal entgegenzunehmen und sich dadurch selbst außerstande zu setzen, sich die von § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO zwingend vorausgesetzte Überzeugung von der Verzögerung des Rechtsstreits überhaupt erst bilden zu können. Ohne eine wenigstens kursorische Würdigung verspätet abgegebener Erklärungen bzw. eine wenigstens kursorische Durchsicht verspätet vorgelegter Unterlagen wird das FG regelmäßig nicht in der Lage sein, zu beurteilen, ob die verspätete Vorlage die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Denn es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass aufgrund erstmals vorgelegter Unterlagen --ob verspätet oder nicht-- bestimmte Tatsachen unstreitig werden.
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e) Der Kläger hat sein Recht, diese Verfahrensmängel zu rügen, nicht verloren.
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aa) Nach § 295 ZPO, der über § 155 Satz 1 FGO sinngemäß auch im finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 05.10.1967 - V B 29/67, BFHE 90, 452, BStBl II 1968, 179), kann die Verletzung einer --verzichtbaren-- Verfahrensvorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn der Beteiligte bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich er erschienen und ihm der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Der Begriff der "nächsten mündlichen Verhandlung" setzt nicht notwendig einen neuen Termin voraus. Vielmehr genügt dafür auch eine Verhandlung, die sich --wie § 370 Abs. 1 ZPO es vorsieht-- an eine Beweisaufnahme unmittelbar anschließt (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.08.1987 - 6 B 2/87, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 579, m.w.N.).
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bb) Vorliegend kann offenbleiben, ob --da lediglich ein einziger Termin zur mündlichen Verhandlung ohne Beweisaufnahme stattgefunden hat-- § 295 ZPO nach seinem Wortlaut überhaupt einschlägig sein könnte. Jedenfalls hätte der Kläger einer bestehenden Rügeobliegenheit genügt.
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Er hatte ausweislich seiner --vom Senat insoweit als wahr unterstellten-- eidesstattlichen Versicherung nach der Zurückweisung der Unterlagen durch das FG zunächst gefragt, ob der BFH dies genauso sehe. Bereits hierin ist eine hinreichend deutliche Rüge der Verfahrensführung durch das FG zu sehen. Darüber hinaus hat der Kläger persönlich keinen Sachantrag, sondern lediglich einen Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung gestellt. Aus all dem ergibt sich mit der erforderlichen Deutlichkeit, dass er mit der vom FG erklärten Zurückweisung seines Vorbringens in der mündlichen Verhandlung nicht einverstanden war. Einer ausdrücklichen Rüge bedurfte es nicht, zumal auch umgekehrt die Wirkung des § 295 ZPO nicht nur bei einem ausdrücklichen, sondern auch bei einem konkludenten Rügeverzicht eintritt.
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f) Auch die vom Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung selbst vorgetragene Bereitschaft des FG, letztlich wenigstens die geänderte Steuererklärung entgegenzunehmen, lässt unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Gehörsverletzung nicht entfallen.
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Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie aus der Sachverhaltsdarstellung des FA ergibt sich die Bereitschaft des FG, wenigstens die geänderte Steuererklärung entgegenzunehmen, ohnehin nicht. Allein der Kläger hat dies in seiner eidesstattlichen Versicherung --nicht aber in der Beschwerdebegründung-- vorgetragen, jedoch zugleich erklärt, trotz einer Einreichung wäre eine steuerliche Berücksichtigung aus Sicht des FG nicht möglich gewesen.
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Zwar ist der Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn ein Gericht dem Beteiligten die Möglichkeit einräumt, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern bzw. diese vorzutragen. Ein Gehörsverstoß kann daher mit dem Vorbringen, bestimmte Unterlagen seien dem Gericht trotz dessen ausdrücklich bekundeter Bereitschaft zur Entgegennahme nicht vorgelegt worden, regelmäßig nicht dargelegt werden.
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Im Streitfall bestand aber die besondere Situation, dass eine Übergabe der Unterlagen für den Kläger infolge der --rechtlich unzutreffenden-- Äußerungen der Richterin zu der aus ihrer Sicht gegebenen Präklusionswirkung sinnlos war, weil das Gericht dem Kläger deutlich vor Augen geführt hatte, dass die Unterlagen für den Ausgang des Klageverfahrens unbeachtlich waren. Er musste davon ausgehen, dass die Richterin die Unterlagen keinesfalls berücksichtigen würde und hat --wie sich aus seinen Darlegungen schlüssig ergibt-- allein infolge dieses Umstandes auf deren Übergabe verzichtet.
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g) Der Annahme einer formgerechten Darlegung der Gehörsrüge steht im Streitfall --anders als das FA meint-- nicht entgegen, dass der Kläger im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen hat, welchen Inhalt die vom FG nicht entgegengenommenen Unterlagen im Einzelnen hatten.
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Wie der Kläger zutreffend ausführt, ist nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (Beschluss vom 03.09.2001 - GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802) bei der --gemäß § 119 Nr. 3 FGO grundsätzlich nicht unter einem Kausalitätsvorbehalt stehenden-- Gehörsrüge danach zu differenzieren, ob sich der Gehörsverstoß auf das Gesamtergebnis des Verfahrens bezieht (dann sind weitere Ausführungen entbehrlich) oder ob er nur einzelne Feststellungen betrifft (dann kann auf Darlegungen zur Kausalität nicht verzichtet werden). Entscheidet ein Gericht beispielsweise vor Ablauf einer selbst gesetzten Äußerungsfrist, sind weitere Darlegungen zur Kausalität dieses Gehörsverstoßes regelmäßig nicht erforderlich (BFH-Beschluss vom 03.02.2015 - V B 101/14, BFH/NV 2015, 696). So liegt es auch im Streitfall, in dem die vom FG fälschlicherweise angenommene Präklusionswirkung ebenfalls das "Gesamtergebnis des Verfahrens" betraf, da der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung noch keinerlei Nachweise für seine Behauptungen vorgelegt hatte und dies erst in der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden sollte.
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2. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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