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BFH 24.04.2018 - VII R 21/17
BFH 24.04.2018 - VII R 21/17 - Stromentnahme durch eine Tochtergesellschaft kann der Muttergesellschaft nicht zugerechnet werden
Normen
§ 2 Nr 4 StromStG, § 3 StromStG, § 9b Abs 1 StromStG, § 9b Abs 3 StromStG, § 17b Abs 4 StromStV, § 7 Abs 3 Nr 1 ProdGewStatG, § 2 Nr 3 StromStG, § 2 Nr 2a StromStG, V-82-01
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 3. Mai 2017, Az: 4 K 1995/16 VSt, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die kleinste rechtliche Einheit i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG wird durch die rechtliche Selbständigkeit eines Unternehmens maßgeblich gekennzeichnet. Auf Eigeninitiative oder Unternehmerrisiko kommt es bei der Einstufung als Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG nicht an .
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2. NV: Bei der Entnahme von Strom handelt es sich um einen Realakt, der mit dem Verbrauch zeitlich zusammenfällt .
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3. NV: Eine Stromentnahme durch die Tochtergesellschaft kann der Muttergesellschaft nicht zugerechnet werden. Dies gilt auch bei einer Organschaft .
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 3. Mai 2017 4 K 1995/16 VSt wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, übernahm aus der Insolvenzmasse eines anderen Unternehmens das Anlage- und Vorratsvermögen. Die Arbeitnehmer übernahm ihre 100%ige Tochtergesellschaft, eine GmbH. Der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft war zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin.
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Die Klägerin schloss mit ihrer Tochtergesellschaft am 10. November 2012 einen Vertrag über Produktionsleistungen. Danach verpflichtete sich diese, unbefristet Produktionsleistungen aller Art am Standort der Klägerin zu übernehmen. Die Tochtergesellschaft sollte die Leistungen in eigener Verantwortung ausführen, Arbeitszeit, -ort, -ablauf und den Einsatz von Erfüllungsgehilfen selbständig organisieren und keinen Weisungen unterliegen. Die Klägerin stellte Arbeitsgerät und Arbeitsmittel sowie sämtliche zu verarbeitenden Rohstoffe zur Verfügung. Für Mängel der Werkleistung und alle schuldhaft verursachten Schäden haftete die Tochtergesellschaft. Für ihre Leistungen erhielt sie einen monatlichen Nettobetrag, mit welchem alle Kosten (Steuern, Beiträge zur Berufsgenossenschaft, An- und Abfahrt, einschließlich aller Risiken wie Unfall, Krankheit, Tod) abgegolten sein sollten.
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Die Klägerin beantragte beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) für den Monat Dezember 2013 eine Steuerentlastung nach § 9b des Stromsteuergesetzes (StromStG) in Höhe von 4.509,21 €. Dabei verwies sie auf die bereits vorliegende Beschreibung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit "Herstellung von Verpackungsfolien aus Polyethylen", mit der sie ihr Unternehmen dem Unterabschnitt DH 25.22.0 der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts, Ausgabe 2003 (WZ 2003), zugeordnet hatte. Das HZA zahlte daraufhin einen Entlastungsbetrag in Höhe von 4.509,22 €.
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Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das HZA die Auffassung, die Klägerin sei nicht entlastungsberechtigt, weil ihre Tochtergesellschaft die Produktion übernommen habe. Die Klägerin vermiete lediglich technische Anlagen und Maschinen zur Herstellung von Kunststoffen und sei deshalb in den Unterabschnitt K 71.34 der WZ 2003 einzuordnen.
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Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin erstmals geltend, bei dem mit der Tochtergesellschaft abgeschlossenen Vertrag handele es sich nicht um einen Werk-, sondern um einen Dienstvertrag. Weil ihr Geschäftsführer gleichzeitig Geschäftsführer der Tochtergesellschaft gewesen sei, habe er deren Arbeitnehmern Weisungen erteilt.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Die Klägerin sei nicht entlastungsberechtigt, weil der Strom für betriebliche Zwecke der Tochtergesellschaft entnommen worden sei. Sie sei kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, weil sie nicht selbst Verpackungsmittel hergestellt habe. Die Tochtergesellschaft sei als kleinste rechtlich selbständige Einheit i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG anzusehen und nicht als unselbständiger Teil der Klägerin. Dass sie eine von der Klägerin beherrschte Gesellschaft sei, ändere an ihrer zivilrechtlichen und damit auch stromsteuerrechtlichen (§ 2 Nr. 4 StromStG) Selbständigkeit nichts. Der Herstellungsprozess sei der Tochtergesellschaft zuzurechnen, weil deren Arbeitnehmer die Verpackungsmittel hergestellt hätten. Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko seien für die Frage der rechtlichen Selbständigkeit eines Unternehmens nicht von Bedeutung.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, ihre Tochtergesellschaft sei keine "rechtlich selbständige Einheit" i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG, sondern nichtselbständiger Teil ihres Unternehmens. Ihre Tochtergesellschaft werde ausschließlich zu ihren Gunsten tätig, indem sie das Personal beschäftige und ihr zu Selbstkosten zur Verfügung stelle. Die Tätigkeit der Tochtergesellschaft sei völlig risikolos, weil sie dieser alle Kosten ersetze. Die Tochtergesellschaft habe auch keinen Gestaltungsspielraum, weil sie aufgrund der identischen Geschäftsführer ausschließlich ihren (der Klägerin) Weisungen unterworfen sei. Der Vertrag über Produktionsdienstleistungen sei tatsächlich nicht wie vereinbart gelebt worden. Man habe stattdessen vereinbart, dass jede Entscheidung durch ihren Geschäftsführer getroffen werden solle.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das HZA unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Bescheids vom 8. Dezember 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 2016 zu verpflichten, die Stromsteuer gemäß § 9b StromStG in Höhe von 4.509,22 € zu erstatten.
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Das HZA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurück-zuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
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Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin keine Begünstigung nach § 9b StromStG zusteht. Die Klägerin hat den Strom nicht für eigene betriebliche Zwecke entnommen, weil die Tätigkeit ihrer Tochtergesellschaft ihr nicht zugerechnet werden kann.
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1. Nach § 9b Abs. 1 Satz 1 StromStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich nach § 3 StromStG versteuerten Strom gewährt, den ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen hat und der nicht nach § 9 Abs. 1 StromStG von der Steuer befreit ist. Entlastungsberechtigt ist derjenige, der den Strom entnommen hat (§ 9b Abs. 3 StromStG). Die Begünstigung setzt voraus, dass es sich um ein Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG handelt, das produzierend tätig ist und den Strom für eigenbetriebliche Zwecke entnommen hat.
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2. Im Streitfall ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes ist. Jedenfalls aber hat sie den Strom nicht gemäß § 9b Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StromStG zu eigenbetrieblichen Zwecken entnommen, sondern im Rahmen des Vertrags über Produktionsleistungen ihrer Tochtergesellschaft zur Verfügung gestellt.
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a) Ein Unternehmen --und damit stromsteuerrechtlich begünstigt-- ist nach § 2 Nr. 4 StromStG die jeweils kleinste rechtlich selbständige Einheit. Schon der Wortlaut dieser Norm spricht gegen die Behandlung von Unternehmenszusammenschlüssen (z.B. in einem Organkreis) als Unternehmen i.S. des Stromsteuerrechts. Die Definition in § 2 Nr. 4 StromStG ist im Zusammenhang mit den Regelungen in § 2 Nr. 3 und Nr. 2a StromStG zu sehen, welche auf die WZ 2003 Bezug nehmen (zur grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit dieses Verweises vgl. Senatsentscheidungen vom 24. August 2004 VII R 23/03, BFHE 207, 88, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2005, 88; vom 16. Juni 2005 VII R 10/03, BFH/NV 2005, 1876, ZfZ 2005, 418). Nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes über die Statistik im Produzierenden Gewerbe wird ein Unternehmen als die kleinste rechtlich selbständige Einheit, die aus handels- oder steuerrechtlichen Gründen Bücher führt, definiert. Die stromsteuerrechtliche Definition des Unternehmens ist mithin an die statistische Definition gekoppelt (Gesetzesbegründung zu § 2 Nr. 4 StromStG in BTDrucks 14/440, S. 14). Eine Zurechnung der durch die GmbH verbrauchten Strommengen stünde somit im Widerspruch zur WZ 2003.
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b) Soweit in anderen rechtlichen Regelungen der Unternehmensbegriff anders definiert wird (z.B. § 2 des Umsatzsteuergesetzes, § 12 der Abgabenordnung), ist dies nicht auf das Stromsteuerrecht übertragbar. Dem entsprechend hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass eine Steuerentlastung nicht in Betracht kommt, wenn ein Unternehmen auf dem eigenen Betriebsgelände einem anderen Unternehmen Strom zur Verfügung stellt, damit Mitarbeiter dieses Unternehmens im Rahmen eines Werkvertrags einen Teil der Produktion übernehmen (Senatsurteile vom 25. September 2013 VII R 64/11, BFHE 242, 460, ZfZ 2014, 26, und vom 18. März 2014 VII R 12/13, BFH/NV 2014, 1093, ZfZ 2014, 305). Die selbständige Tätigkeit des Werkunternehmers kann dem Auftraggeber stromsteuerrechtlich nicht zugerechnet werden. Dabei kommt es weder auf die Art und das Ausmaß der Einbindung des Auftragnehmers in den Produktionsablauf noch auf die nähere Ausgestaltung des jeweiligen Werkvertrags an. Das gilt auch, wenn es sich --wie vorliegend-- um verbundene Unternehmen handelt (Urteil des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 2014, 1093, ZfZ 2014, 305).
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Gegen die Möglichkeit einer "Verschiebung" der Entnahme des Stroms durch ein Unternehmen (hier die GmbH) auf ein anderes Unternehmen (hier die Klägerin) durch vertragliche Gestaltungen spricht außerdem, dass es sich bei der Entnahme um einen Realakt handelt, der im Stromsteuerrecht zeitlich mit dem Verbrauch zusammenfällt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 VII R 7/15, BFHE 252, 568, ZfZ 2016, 138). Es kommt grundsätzlich darauf an, wer den Strom verbraucht, unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage dies geschieht. Diesen Grundsatz verdeutlicht auch die Regelung in § 17b Abs. 4 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV), die durch Art. 3 Nr. 3 der Verordnung zur Umsetzung unionsrechtlicher Transparenzpflichten im Energiesteuer- und im Stromsteuergesetz sowie zur Änderung weiterer Verordnungen vom 4. Mai 2016 (BGBl I 2016, 1158) eingeführt worden und mit Wirkung zum 18. Mai 2016 in Kraft getreten ist. Danach liegt eine Entnahme für betriebliche Zwecke auch dann vor, wenn Strom durch ein anderes Unternehmen im Betrieb des Antragstellers entnommen wird, sofern dieses Unternehmen dort nur zeitweise eine Leistung erbringt. Die Regelung wurde zwar erst nach dem Streitzeitraum eingeführt, sie stützt jedoch die Auffassung des Senats, dass die Entnahme von Strom durch ein Unternehmen, das im Haus eines anderen Unternehmens tätig ist, nicht ohne Weiteres dem "übergeordneten" Unternehmen zugerechnet werden kann. Anderenfalls hätte es dieser Ausnahmevorschrift nicht bedurft.
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Maßgebend ist allein die rechtliche Selbständigkeit eines Unternehmens. Dies entspricht den Wertungen des Gesetzgebers, der aus Gründen der Praktikabilität und um eine Kongruenz mit dem Unternehmensbegriff der Klassifikation der Wirtschaftszweige herzustellen, eine Lösung gefunden hat, die zu einem effektiven Verwaltungsvollzug beiträgt (Senatsurteil vom 30. November 2004 VII R 41/03, BFHE 208, 361, ZfZ 2005, 168; Senatsbeschlüsse vom 15. September 2006 VII B 234/05, BFH/NV 2007, 278; vom 31. Januar 2008 VII B 79/07, BFH/NV 2008, 1013; vom 21. August 2014 VII R 11/13, BFH/NV 2015, 62, ZfZ 2015, 54).
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Es kommt nicht darauf an, ob der Unternehmer ein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt oder in welchem Umfang ihm das Geschäftsrisiko durch seinen Auftraggeber abgenommen wird (Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 62, ZfZ 2015, 54). Soweit der Senat vereinzelt die Begriffe Eigeninitiative und finanzielles bzw. unternehmerisches Risiko verwendet hat (Senatsurteile vom 2. November 2010 VII R 48/09, BFH/PR 2011, 249; vom 26. September 2017 VII R 27/16, nicht veröffentlicht), bedeutet das nicht, dass er eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtbetrachtung anstellt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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