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BFH 23.02.2018 - X B 65/17
BFH 23.02.2018 - X B 65/17 - Notwendige Beweiserhebung hinsichtlich der Unterlagen zur Dokumentation eines PC-Kassensystems
Normen
§ 147 Abs 1 Nr 1 AO, § 147 Abs 2 AO, § 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 162 AO
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 29. März 2017, Az: 7 K 3675/13 E,G,U, Urteil
nachgehend FG Münster, 22. Dezember 2021, Az: 9 K 702/18 E,G,U, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Behauptet ein Steuerpflichtiger, dass das von ihm genutzte PC-Kassensystem die gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzubewahrenden Organisationsunterlagen zur Kassenprogrammierung vollständig speichert und beantragt er, über diese Behauptung u.a. durch Vorlage der entsprechenden Datenbank, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch die Zeugenaussage eines Vertreters des Kassenherstellers Beweis zu erheben, handelt es sich nicht um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, sondern um einen erheblichen Beweisantrag.
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2. NV: Die gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzubewahrenden Organisationsunterlagen zur Kassenprogrammierung können gemäß § 147 Abs. 2 AO auch auf Datenträgern aufbewahrt werden.
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3. NV: Stützt das FG die von ihm angenommene Schätzungsbefugnis auf einen formellen Mangel der Buchführung oder der Aufzeichnungen, muss es Feststellungen dazu treffen, welches Gewicht dieser Mangel hat.
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 29. März 2017 7 K 3675/13 E,G,U aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren 2007 bis 2009 zwei Friseursalons in derselben Gemeinde. Er ermittelte den Gewinn zunächst durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung; zum 1. Januar 2009 ging er zum Betriebsvermögensvergleich über. Seine baren Betriebseinnahmen erfasste er über eine PC-Kassensoftware, die speziell auf die Bedürfnisse des Friseurhandwerks zugeschnitten ist und u.a. eine Kunden- und Terminverwaltung enthält. Die Software zeichnet die Einnahmen einzeln auf und speichert sie. Der Hersteller der Software hat erklärt, dass diese den Grundsätzen ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme und den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen entspricht.
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Der Kläger erklärte für die Streitjahre die folgenden Besteuerungsgrundlagen:
Nettoumsatz
Gewinn
2007
343.089 €
60.458 €
2008
347.406 €
25.152 €
2009
331.801 €
76.989 €
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Die Kunden des Klägers konnten Trinkgelder sowohl für den Kläger persönlich als auch für jeden seiner Arbeitnehmer in jeweils eigene Sparschweine einwerfen. Hierüber führte der Kläger keine Aufzeichnungen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass in das Sparschwein des Klägers jährlich Trinkgelder in Höhe von 3.600 € gelangt sind, die bisher nicht erfasst wurden.
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Während einer Außenprüfung kam der Prüfer zu der Auffassung, die Kassenführung des Klägers sei nicht ordnungsgemäß. Die vom PC-Kassensystem erstellten Kassenberichte seien nicht fortlaufend nummeriert, so dass nicht erkennbar sei, wann die Berichte erzeugt worden seien. Der Kläger habe ausgegebene Gutscheine, die von Kunden eingelöst worden seien, nicht vollständig aufbewahrt. Wenn im Kassensystem Löschungen vorgenommen worden seien, seien die Gründe hierfür nicht immer erkennbar. Auch stimmten die Eintragungen in der Kundendatei nicht immer mit denen in der Kasse überein. Protokolle über die Einrichtung und Programmierung des Kassensystems seien nicht vorhanden. Die Kassensturzfähigkeit sei wegen der nicht erfassten Trinkgelder nicht gegeben.
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Der Prüfer führte eine Bargeldverkehrsrechnung durch, bei der er allerdings weder die unstreitigen zusätzlichen Einnahmen aus Trinkgeldern noch Anfangs- und Endbestände berücksichtigte. Er ermittelte für alle drei Streitjahre Unterdeckungen, die sich auf Beträge zwischen 7.981,91 € und 13.928,06 € jährlich beliefen. Ferner führte der Prüfer für das Jahr 2007 eine Erlösverprobung (Nachkalkulation der "Chemieumsätze") durch. Für den Anteil der "Chemieumsätze" an den Gesamtumsätzen wertete er 250 von insgesamt 17 252 Datensätzen aus. Auf dieser Grundlage ermittelte der Prüfer einen Mehrerlös von 201.166,19 €.
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Insgesamt legte der Prüfer seinem Bericht die folgenden Hinzuschätzungen zugrunde (auf volle Euro gerundet):
2007
2008
2009
Trinkgelder
3.600 €
3.600 €
Bargeldverkehrsrechnung
13.928 €
13.216 €
Nachkalkulation
201.166 €
"Zuschlag Richtsatz"
35.000 €
10.000 €
"Abschlag Richtsatz"
./. 101.166 €
./. 12.528 €
./. 1.816 €
Hinzuschätzung brutto
+ 100.000 €
+ 40.000 €
+ 25.000 €
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ entsprechende Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag. Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA für das Jahr 2009 den Übergangsgewinn geringfügig herabsetzte.
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Im Klageverfahren trug der Kläger vor, die vom Prüfer als "Kassenberichte" bezeichneten Ausdrucke seien nicht mit denjenigen Tagesabschluss-Unterlagen vergleichbar, die bei Nutzung von Registrierkassen angefertigt werden müssten. Maßgebend seien vielmehr die Einzelaufzeichnungen aller Erlöse, die vom Kassensystem vollständig gespeichert worden seien.
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In einem Erörterungstermin vertrat der beim Finanzgericht (FG) zuständige Berichterstatter vorläufig die Auffassung, die fehlende Aufzeichnung der außerhalb der Kasse vereinnahmten Trinkgelder stehe der Kassensturzfähigkeit im Übrigen nicht entgegen. Der Prüfer habe sowohl die Nachkalkulation als auch die Bargeldverkehrsrechnung fehlerhaft vorgenommen. Allerdings stelle das Fehlen der Programmierunterlagen einen erheblichen Mangel dar. Letztlich komme wohl nur ein Sicherheitszuschlag in Betracht.
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Das FG beschloss, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben über die Frage, ob das vom Kläger in den Streitjahren verwendete Kassensystem Manipulationsmöglichkeiten eröffne. Mit der Begutachtung beauftragte das FG einen Diplom-Informatiker, der als Sachverständiger für Rechnerhardware und -systeme öffentlich bestellt und vereidigt ist. In seinem Gutachten führte der Sachverständige (S) aus, die vom Kläger verwendete Kassensoftware basiere auf dem relationalen Datenbanksystem "Microsoft Access". Diese Datenbank erzeuge lediglich eine Datei auf der Festplatte, in der sich strukturierte Tabellen befänden. Der Begriff "relational" bedeute, dass die einzelne Tabelle mit weiteren Tabellen in Verbindung (in Relation) stehe. Eine Manipulation der Kassendaten sei mittels der Software Microsoft Access --die allerdings nicht Bestandteil der vom Kläger verwendeten Kassensoftware sei-- "natürlich" erst einmal teilweise möglich. Mit Ausnahme der laufenden Nummer könnten sämtliche Daten in den einzelnen Spalten der Datenbank-Tabellen direkt verändert werden. Allerdings lasse die Manipulation einzelner Daten eines relationalen Datenbanksystems die Datenbank aufgrund der Abhängigkeit zu weiteren Daten bzw. Tabellen möglicherweise inkonsistent werden. Solche Daten würden einer Plausibilitätsprüfung erst einmal nicht standhalten. Mit erhöhtem Aufwand wäre es jedoch möglich, weitere Daten zu manipulieren.
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Zusammenfassend erklärte S, es sei in der Regel eine Frage des Aufwands und des Know-how, inwieweit Daten generell --also nicht nur dieses Software-Produkts-- manipuliert werden könnten. In Bezug auf die vom Kläger konkret verwendete Software habe er nicht feststellen können, dass die Kassendaten durch eingebaute Funktionalitäten vom Anwender einfach verändert werden könnten. Er halte eine Manipulation der Daten durch den Anwender der Software für schwerlich möglich.
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Der Kläger legte während des finanzgerichtlichen Verfahrens u.a. das Handbuch zu der von ihm verwendeten Kassen-Software vor. Er erklärte, das Kassensystem ausschließlich nach der Vorgabe des Herstellers verwendet zu haben. Ferner behauptete er unter Beweisantritt, jede einzelne Änderung der Programmierung und der Einstellungen werde im System unveränderbar protokolliert. Damit seien die vom FA als fehlend beanstandeten Programmierprotokolle vollständig vorhanden. Zwar sehe die Software insoweit keinen Ausdruck auf Papier vor. In die Protokollierungsdaten könne aber jederzeit am Bildschirm Einsicht genommen werden. Hierzu legte der Kläger beispielhaft Bildschirmausdrucke von Protokollen zur Artikelliste, Kundenhistorie und Mitarbeiter-/Benutzerhistorie vor.
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Ferner legte der Kläger ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten eines Büroinformationselektronikermeisters vor, der als Sachverständiger für das Informationstechniker-Handwerk öffentlich bestellt und vereidigt ist. Der Privatgutachter (P) hatte den Auftrag, die Kassendaten des Klägers für die Streitjahre auf Vollständigkeit, undokumentiertes Löschen von Datensätzen und Spuren von Manipulationen zu überprüfen.
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P führte aus, die vom Kläger verwendete Software erzeuge bei jedem Kassiervorgang automatisch eine Rechnungsnummer, die weder programmtechnisch noch auf Datenbankebene verändert werden könne. Eine stichprobenweise Überprüfung der steuerrelevanten Datei mit der Hauptdatei habe keine Abweichungen ergeben. Die vom Kläger verwendete Software nehme auch die Verwaltung der mit den Kunden vereinbarten Termine vor. Bereits aufgrund einer Terminvereinbarung werde in der Hauptdatei automatisch ein Datensatz mit einer Rechnungsnummer angelegt, zunächst noch ohne Umsätze. Erst bei der Abrechnung mit dem Kunden gebe der Bediener die Umsätze --getrennt nach handwerklichen Leistungen und Warenverkauf-- ein. Nehme ein Kunde einen vereinbarten Termin nicht wahr, könne der Bediener den "Kunden im Salon" löschen, müsse hierfür aber einen Löschgrund eingeben. Dann werde die zuvor bereits angelegte Rechnungsnummer in der Hauptdatei gelöscht; die Löschung werde aber in einer anderen Datei ("Kassenschublade") dokumentiert. Auch die dortige laufende Nummer werde automatisch vergeben und sei nicht änderbar. Dies erkläre, weshalb die Rechnungsnummern in der Hauptdatei nicht fortlaufend seien. Alle fehlenden Rechnungsnummern müssten in der Datei "Kassenschublade" vorhanden sein.
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Eine Analyse der Hauptdatei habe ergeben, dass das System in den Streitjahren 2007 bis 2009 insgesamt 17 764 Rechnungsnummern vergeben habe. Hiervon seien 512 Rechnungsnummern in der Hauptdatei nicht mehr vorhanden. Von diesen 512 Rechnungsnummern seien 504 in der Datei "Kassenschublade" zu finden. Sieben der acht fehlenden Rechnungsnummern seien in der Hauptdatei mit einem "defekten" Rechnungsdatum gespeichert. Solche Datensätze würden bei einem Export in die Steuerdatei nicht berücksichtigt. Zu derartigen Defekten könne es durch die tägliche Reorganisation der Datenbankdateien kommen. Auch bei Systemabstürzen der Hard- oder Software könnten Teile von Zeileneinträgen beschädigt werden. Eine Rechnungsnummer fehle ganz.
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Zusammenfassend erklärte P, ein undokumentiertes Löschen von steuerlich relevanten Datensätzen sei bei der vom Kläger verwendeten Kassensoftware nicht möglich. Spuren von Manipulationen seien in den Streitjahren nicht erkennbar. Unterstützend zum Gutachten des S sei generell nicht ausgeschlossen, dass gewisse Manipulationen mit dem richtigen technischen Know-how, der entsprechenden kriminellen Energie, den richtigen technischen Voraussetzungen und der notwendigen Zeit in beinahe jeder Datenbank erzeugt werden könnten.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem FG erläuterte S sein Gutachten dahingehend, dass zwar eine Manipulation durch den Anwender nur schwerlich möglich sei, eine entsprechend geschulte Person mit EDV-Kenntnissen aber Manipulationen vornehmen könne. Er jedenfalls könne dies. Wenn eine Manipulation vorgenommen worden sei und eine fachkundige Person wisse, wo sie im System danach suchen müsse, erkenne sie eine Lücke. Eine Manipulation, die niemand mehr erkennen würde, sei nur dann möglich, wenn das System komplett neu aufgebaut werde. Er würde jedes Ergebnis, das ein Geschäftsinhaber wünsche, hinbekommen, und zwar auch so, dass es im Nachhinein nicht rückverfolgbar sei. Es sei ausschließlich eine Frage der Kenntnisse und des Aufwands. Alle heute handelsüblichen Softwarelösungen seien mit mehr oder weniger Aufwand manipulierbar. Den Zeitaufwand für die Manipulation der Buchhaltungsdaten für eine Woche schätze er auf die Arbeitszeit eines Wochenendes. Schwieriger werde es allerdings, wenn eine bereits abgeschlossene Buchführung --für die Umsatzsteuer-Voranmeldungen beim FA eingereicht seien-- manipuliert werden solle.
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Der Kläger stellte in der mündlichen Verhandlung weitere Beweisanträge. Ferner bat er um richterliche Hinweise zu mehreren --näher bezeichneten-- Fragen. Das FG führte ausweislich des Protokolls hierzu aus, es sei ihm nicht möglich, einen sicheren richterlichen Hinweis dazu zu geben, welche Anforderungen nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Einzelfall an den Gegenbeweis der fehlenden Manipulationsmöglichkeiten zu stellen seien. Im Übrigen bestehe zu etwaigen richterlichen Hinweisen derzeit keine Veranlassung.
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Das FG gab der Klage teilweise statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 846). Die Schätzungsbefugnis folge daraus, dass der Kläger die Programmierprotokolle nicht vorgelegt habe, was einen gravierenden formellen Mangel seiner Aufzeichnungen bzw. Buchführung darstelle. Diese Unterlagen seien nicht nur bei Registrierkassen aufzubewahren (so der Sachverhalt, zu dem das BFH-Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 ergangen sei), sondern auch bei Nutzung eines PC-Kassensystems. Der Kläger habe keine Protokolle in Papierform vorgelegt. Auf die Frage, ob die Programmierprotokolle auch in elektronischer Form aufbewahrt werden könnten, komme es im Streitfall nicht an, da der Kläger derartige Protokolle ebenfalls nicht vorgelegt habe. Hierfür reichten die beispielhaften Bildschirmausdrucke nicht aus. Den entsprechenden Beweisanträgen des Klägers sei nicht nachzugehen. Es sei Sache des Klägers, die Organisationsunterlagen aufzubewahren und vorzulegen. Dies habe er nicht getan. Der auf die Auswertung der vorhandenen Datenbank gerichtete Beweisantrag sei nicht ausreichend. Der Kläger hätte vielmehr substantiiert bezeichnen müssen, welche konkreten Daten nach seiner Auffassung als Programmierprotokolle anzusehen seien, wann sie erstellt worden und an welcher Stelle der Datenbank sie abgespeichert seien. Das bloße Angebot auf Vorlage und Begutachtung der Datenbank sei als unzulässiger Ausforschungsbeweis anzusehen.
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Das Gewicht dieses Mangels trete nicht deshalb --entsprechend der Ausführungen in Rz 28 des BFH-Urteils in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743-- zurück, weil das vom Kläger verwendete Kassensystem ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffne. Dies stehe aufgrund des Gutachtens und der ergänzenden Vernehmung des S fest. Nach der BFH-Rechtsprechung komme es nicht darauf an, welchen Aufwand eine Manipulation verursachen würde. Es sei denkbar, dass ein Steuerpflichtiger einen IT-Spezialisten mit Manipulationen beauftrage. Auch der vom Kläger beauftragte Gutachter P habe Manipulationen nicht generell ausschließen können. Ob der Kläger tatsächlich Manipulationen vorgenommen habe, sei nicht entscheidungserheblich und daher vom Senat nicht zu prüfen.
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Auch die Nichtaufbewahrung der ausgegebenen und wieder eingelösten Gutscheine stelle einen formellen Mangel dar. In der Nichterfassung der Trinkgelder liege ein materieller Mangel.
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Der Höhe nach sei die Hinzuschätzung allerdings auf einen Sicherheitszuschlag von 7,5 % der erklärten Erlöse zuzüglich der Trinkgelder zu begrenzen. Mit dieser Schätzung bewege sich das FG innerhalb der Bandbreite der Richtsatzsammlung. Die vom FA vorgenommene Bargeldverkehrsrechnung sei hingegen keine geeignete Schätzungsgrundlage, da sie keine Anfangs- und Endbestände enthalte und zudem keine Tatsachengrundlage für den Ansatz der Lebenshaltungskosten angegeben werde. Die Nachkalkulation sei ebenfalls ungeeignet. Sie sei nicht schlüssig, weil sie zu einem außerordentlich hohen Ergebnis führe, das im Betrieb des Klägers nicht erzielbar sei.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger in erster Linie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG wegen Verfahrensmängeln. Hilfsweise begehrt er die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
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Das FA tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein vom Kläger geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) jedenfalls dadurch verletzt, dass es trotz eines entsprechenden förmlichen Antrags des Klägers keinen Beweis über die Frage erhoben hat, ob die steuerlich erheblichen Daten zur Programmdokumentation in dem vom Kläger verwendeten Kassensystem gespeichert sind.
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a) Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 8. Januar 2014 X B 68/13, BFH/NV 2014, 566, Rz 13, m.w.N.).
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Nicht ordnungsgemäß gestellt ist ein Beweisantrag insbesondere dann, wenn er unsubstantiiert ist. Hierzu gehören auch Ausforschungs- bzw. Beweisermittlungsanträge (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 16. Mai 2013 X B 131/12, BFH/NV 2013, 1260, Rz 21 ff., mit zahlreichen Nachweisen).
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b) Keine dieser Ausnahmefallgruppen, in denen ein Beweisantrag unberücksichtigt bleiben kann, war hier gegeben. Insbesondere war der vom Kläger gestellte Beweisantrag --anders als das FG meint-- nicht etwa auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gerichtet.
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aa) Darunter sind Beweisermittlungsanträge zu verstehen, die so unbestimmt sind, dass erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, zu denen dann in einem weiteren Schritt der eigentliche Beweis zu erheben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 22. August 2012 X B 155/11, BFH/NV 2012, 2015, Rz 37, m.w.N.). Dies betrifft Tatsachenbehauptungen, die ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich aus der Luft gegriffen, ins Blaue hinein, also erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden sind (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2017 6 B 54/16, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2017, 1388, Rz 7).
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bb) Vorliegend hatte der Kläger eine hinreichend bestimmte Tatsache --die vollständige Speicherung der zur Dokumentation erforderlichen Daten in seinem Kassensystem-- unter Beweis gestellt und verschiedene Beweismittel hierzu benannt (u.a. Vorlage der Datenbank, Einholung eines Sachverständigengutachtens, Zeugenaussage eines --konkret bezeichneten und im Termin zur mündlichen Verhandlung präsenten-- Vertreters des Kassenherstellers). Er hatte dem FG darüber hinaus beispielhaft Bildschirmausdrucke vorgelegt, um zu verdeutlichen, dass das Kassensystem die steuerlich erheblichen Daten tatsächlich speichert. Darin ist kein auf einen Ausforschungsbeweis gerichteter Antrag, sondern die weitere Substantiierung eines ordnungsgemäß gestellten Beweisantrags zu sehen.
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c) Der Beweisantrag war für die Entscheidung des Streitfalls auch erheblich. Weder dem Gesetz noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch der Verwaltungsauffassung lässt sich entnehmen, dass die erforderliche Dokumentation ausschließlich in Papierform vorgenommen werden darf. Vielmehr lässt § 147 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ausdrücklich zu, dass insbesondere die in § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO genannten "sonstigen Organisationsunterlagen" --zu denen auch die Dokumentation der Kassenprogrammierung zählt (Senatsurteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 26)-- auf Datenträgern aufbewahrt werden können.
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Darüber hinaus hat das FG im angefochtenen Urteil die Annahme einer Schätzungsbefugnis in erster und entscheidender Linie darauf gestützt, der Kläger habe die erforderlichen Programmierprotokolle nicht vorgelegt. Hätte die vom Kläger beantragte Beweiserhebung ergeben, dass die steuerlich erforderlichen Dokumentationen --in elektronischer Form-- doch vorhanden waren, wäre die wesentliche Grundlage für die vom FG angenommene Schätzungsbefugnis entfallen.
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2. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat --ohne Bindungswirkung für das FG-- auf die folgenden Punkte hin:
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a) Das vom FG und den Beteiligten herangezogene Senatsurteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 betraf eine Registrierkasse eher einfacherer Bauart. Auf derartige Systeme bezog sich die in Rz 28 jener Entscheidung enthaltene Aussage, das Gewicht des in der Nichtaufbewahrung der Bedienungsanleitungen und Programmdokumentationen liegenden Mangels trete zurück, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlege, dass die von ihm verwendete Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffne. Für Registrierkassen einfacher Bauart hält der Senat trotz der vom FG und in Teilen der Literatur (z.B. Henn, Der Betrieb 2016, 254, 255) erhobenen Kritik an dieser Aussage fest. Bei derartigen Kassen, die im Allgemeinen nur sehr eingeschränkte Programmiermöglichkeiten bieten, erscheint es zumindest nicht als grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein Steuerpflichtiger den Nachweis führen kann, die vorhandene --eingeschränkte-- Programmiermöglichkeit eröffne keine Manipulationsmöglichkeiten.
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Der Kläger hat aber zutreffend dargelegt, dass die Frage, ob bzw. mit welchen Modifikationen diese Rechtsprechung auf --weitestgehend frei programmierbare-- PC-Kassensysteme übertragbar ist, ungeklärt ist und daher von grundsätzlicher Bedeutung sein dürfte. Dies gilt gerade angesichts der im Streitfall durch zwei Sachverständige herausgearbeiteten Erkenntnis, dass jedes PC-Kassensystem manipulierbar sei (so auch Äußerungen aus dem Bereich der Kassenhersteller, vgl. Reckendorf, Buchführung-Bilanz-Kostenrechnung 2017, 796, 800), vorliegend aber keine Anhaltspunkte für Manipulationen durch den Anwender erkennbar seien und schon die Manipulation der Kassendaten für einen kurzen Zeitraum von nur einer Woche die Arbeitskraft eines IT-Spezialisten für ein ganzes Wochenende binden würde. Vor diesem Hintergrund wird das FG im zweiten Rechtsgang --sollte diese Frage nach Durchführung der erforderlichen Beweiserhebung überhaupt noch entscheidungserheblich sein-- zu prüfen haben, ob es die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zulassen muss.
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b) Als weiteren formellen Mangel neben den fehlenden Programmierprotokollen hat das FG angeführt, der Kläger habe einen Teil der von ihm ausgegebenen und von den Kunden wieder eingelösten Gutscheine nicht aufbewahrt. Dem angefochtenen Urteil lässt sich indes nicht entnehmen, welches Gewicht dieser Mangel hat. Insbesondere fehlen Angaben zum Wert der fehlenden Gutscheine im Vergleich zum Wert der insgesamt ausgegebenen und eingelösten Gutscheine bzw. im Vergleich zum Gesamtumsatz des Klägers. Entsprechende Feststellungen werden im zweiten Rechtsgang ggf. nachzuholen sein.
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Soweit das FG die Nichterfassung der dem Kläger --im Wege der Einlage in das von der Kasse getrennte Sparschwein-- zugewendeten Trinkgelder als materiellen Mangel ansieht, trifft dies im Ausgangspunkt zwar zu. Der Senat neigt aber zu der bereits vom Berichterstatter des FG im Erörterungstermin geäußerten Auffassung, dass dieser Mangel punktuell auf die Trinkgelder begrenzt ist und allein hieraus keine Schätzungsbefugnis für die Hauptkasse folgen dürfte.
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c) Im Übrigen verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 11. Januar 2017 X B 104/16 (BFH/NV 2017, 561, Rz 37). Danach reicht es beim Fehlen der erforderlichen Unterlagen zur Dokumentation der Kassenprogrammierung zwar nicht aus, wenn der Steuerpflichtige lediglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Er hat aber die Möglichkeit, den Zustand der Programmierung des von ihm verwendeten Kassensystems anhand geeigneter (Ersatz-)Unterlagen darzulegen.
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d) Auch wenn die vom FA vorgenommene Bargeldverkehrsrechnung nicht in den Akten enthalten ist, die dem Senat vorliegen, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass es jedenfalls nicht als grundsätzlich ausgeschlossen erscheint, die vom FG in der Bargeldverkehrsrechnung festgestellten punktuellen Mängel (unterbliebene Einbeziehung der unstreitigen zusätzlichen Bareinnahmen aus den Trinkgeldern, fehlende Berücksichtigung von Anfangs- und Endbeständen, Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung für die Höhe der angesetzten Lebenshaltungskosten) im weiteren Verlauf des Verfahrens noch zu beheben. Sollte es danach möglich sein, eine ordnungsgemäße Bargeldverkehrsrechnung zu erstellen und sollte diese weiterhin zu Fehlbeträgen führen, wäre zu erwägen, ob eine solche --unmittelbar auf den individuellen Verhältnissen des Steuerpflichtigen basierende-- Schätzung im Vergleich zu einem bloßen Sicherheitszuschlag (der als Unterfall einer griffweisen Schätzung anzusehen ist) vorzugswürdig sein könnte. Eine griffweise Schätzung stellt im Spektrum der verschiedenen denkbaren Schätzungsmethoden diejenige dar, die mit den größten Unsicherheiten behaftet ist und konkreter Tatsachengrundlagen vollständig oder nahezu vollständig entbehrt. Sie ist daher grundsätzlich nachrangig (BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 3.).
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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