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BFH 23.05.2016 - V R 21/15
BFH 23.05.2016 - V R 21/15 - Rückwirkende Änderung einer Berechtigtenbestimmung
Normen
§ 64 Abs 2 S 2 EStG 2002, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 18. Juli 2014, Az: 6 K 660/12 (Kg), Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Berechtigtenbestimmung i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur dann einvernehmlich geändert werden, wenn noch keine Kindergeldfestsetzung für das betreffende Kind erfolgt ist .
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2. NV: Eine rückwirkende Änderung der Berechtigtenbestimmung scheidet auch aus, wenn die auf der ursprünglichen Berechtigtenbestimmung beruhende Kindergeldfestsetzung aus anderen Gründen aufgehoben wurde .
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 18. Juli 2014 6 K 660/12 (Kg) aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) zum Bezug von Kindergeld für seinen im Juli 2004 geborenen Sohn für den Zeitraum von Dezember 2007 bis Juni 2008.
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Das Kind ist in den gemeinsamen Haushalt des Klägers und der Kindesmutter aufgenommen. Die Mutter hatte mit Antrag vom 14. September 2004, in dem sich der Kläger mit der Auszahlung des Kindergeldes an die Mutter einverstanden erklärt hatte, Kindergeld beantragt und in der Folgezeit auch gewährt bekommen. Nach ihrer Heirat mit dem Kläger hatte die Kindesmutter von der Beklagten und Revisionsklägerin (der Familienkasse) angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt. Daraufhin hatte die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung mit bestandskräftigem Bescheid vom 19. Juni 2008 ab Dezember 2007 aufgehoben und das Kindergeld für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 zurückgefordert. Auf Antrag der Kindesmutter und nunmehrigen Ehefrau des Klägers vom 22. August 2008, in dem sich der Kläger erneut mit der Zahlung des Kindergeldes an seine Ehefrau einverstanden erklärt hatte, bewilligte ihr die Familienkasse ab Juli 2008 wieder Kindergeld.
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Am 17. Dezember 2008 stellte der Kläger für seinen Sohn einen Kindergeldantrag, in dem nunmehr seine Ehefrau erklärte, mit der Auszahlung des Kindergeldes an den Kläger einverstanden zu sein. Mit Schreiben vom 3. Juni 2009 teilte die Familienkasse der Ehefrau des Klägers mit, dass es bei der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des Kindergeldes für den Zeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 bleibe. Die Familienkasse behandelte dieses Schreiben als Verwaltungsakt und einen Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16. Dezember 2009, mit dem dieser die rückwirkende Bewilligung des Kindergeldes zugunsten des Klägers begehrte, als Einspruch.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2012 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klage hatte Erfolg. Zur Begründung seines Urteils führte das Finanzgericht (FG) aus, die Bestimmung des Kindergeldberechtigten gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hätten der Kläger und seine Ehefrau in dem am 17. Dezember 2008 gestellten Antrag vorgenommen, in dem sich die Ehefrau ausdrücklich mit der Zahlung an den Kläger einverstanden erklärt habe. In der Zahlung des Kindergeldes an den Kläger liege auch kein Verstoß gegen § 64 Abs. 1 EStG vor, da die frühere Zahlung an die Ehefrau bestandskräftig zurückgefordert und zurückgezahlt worden sei, sodass Kindergeld nur an einen Berechtigten gezahlt worden sei. Es liege auch keine Änderungsproblematik im Zusammenhang mit der Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 2 EStG vor. Die mit einem Berechtigtenwechsel verbundene Neugestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten sei zwar rückwirkend nur möglich, wenn sie bislang ungeregelt gewesen seien. Das sei vorliegend aber der Fall, weil mit der durch die Familienkasse am 19. Juni 2008 bewirkten Aufhebung und Rückforderung des Kindergeldes für den Bezugszeitraum Dezember 2007 bis Juni 2008 die Rechtsverhältnisse der Beteiligten nicht (mehr) geregelt seien.
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Hiergegen wendet sich die Familienkasse mit der Revision, mit der sie Verletzung materiellen Rechts (§ 64 EStG) geltend macht. Die Berechtigtenbestimmung i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG gelte so lange, bis sie einvernehmlich geändert oder von einem Elternteil einseitig widerrufen werde. Eine Rückwirkung für die Vergangenheit komme weder der einvernehmlichen Änderung noch dem einseitigen Widerruf zu. Die mit einem Beteiligtenwechsel verbundene Neugestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten sei nur für die Zukunft möglich. Nur wenn die Rechtsverhältnisse bislang ungeregelt gewesen seien, komme eine rückwirkende Gestaltung in Betracht. Vorliegend seien die Rechtsverhältnisse aber nicht ungeregelt gewesen.
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Die Familienkasse beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Bei einer --hier vorliegenden-- Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld werde das zunächst geregelte Rechtsverhältnis im Ergebnis wieder ungeregelt. Die Bestandskraft beziehe sich nur auf die Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung zulasten der Ehefrau des Klägers. Das könne aber nicht dazu führen, dass ein eigentlich Anspruchsberechtigter nicht mehr in der Lage sei, ihm zustehende Ansprüche rückwirkend geltend zu machen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Familienkasse ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Kläger für den Streitzeitraum Kindergeld zustand, weil die Berechtigtenbestimmung i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG wirksam zu seinen Gunsten geändert worden sei.
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1. Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Ist das Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmen diese untereinander den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Regelungen in § 64 Abs. 2 und 3 EStG dienen dazu, bei einem Zusammentreffen mehrerer Ansprüche den letztlich und allein Anspruchsberechtigten festzulegen.
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Wurde eine Bestimmung des Berechtigten getroffen, dann gilt diese so lange, bis sie von den Eltern einvernehmlich geändert oder von einem Elternteil einseitig widerrufen wird (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. April 2012 III R 42/10, BFHE 238, 24, BStBl II 2013, 21, Rz 8; vom 23. März 2005 III R 91/03, BFHE 209, 338, BStBl II 2008, 752, Rz 16). Eine solche einvernehmliche Änderung der Berechtigtenbestimmung oder ihr Widerruf können nicht mit Wirkung für die Vergangenheit vorgenommen werden. Die mit einem Berechtigtenwechsel verbundene Neugestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten ist grundsätzlich nur für die Zukunft möglich. Eine rückwirkende Gestaltung derartiger Rechtsverhältnisse ist nur dann möglich, wenn sie bislang ungeregelt waren. Der Senat verweist zur weiteren Begründung auf das BFH-Urteil in BFHE 238, 24, BStBl II 2013, 21, Rz 8 ff., dem sich der Senat bereits angeschlossen hat (Senatsurteil vom 18. April 2013 V R 41/11, BFHE 241, 264, BStBl II 2014, 34, Rz 26).
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Für den hier streitigen Zeitraum lag eine Berechtigtenbestimmung durch den Kindergeldantrag vom 14. September 2004 vor, in dem sich der Kläger mit der Zahlung des Kindergeldes an die Kindesmutter einverstanden erklärt hatte. Die Versagung des Kindergeldes durch den Bescheid der Familienkasse vom 19. Juni 2008 hatte --entgegen der Auffassung des FG-- hierauf keinen Einfluss, zumal die Entscheidung aus Gründen erging, die mit der Berechtigtenbestimmung durch die Eltern in keinem Zusammenhang stand. Eine rückwirkende Änderung der Berechtigtenbestimmung scheidet schon aus diesem Grund aus.
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Im Übrigen haben die Eltern auch noch im Antrag der Mutter vom 22. August 2008, auf den hin ihr die Familienkasse ab Juli 2008 wieder Kindergeld gewährte, eine einvernehmliche Berechtigtenbestimmung zugunsten der Mutter vorgenommen. Eine Berechtigtenbestimmung zugunsten des Klägers enthielt erst der Kindergeldantrag vom 17. Dezember 2008. Dieser konnte aber aus den o.g. Gründen keine Rückwirkung entfalten.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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