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BFH 12.02.2015 - V R 42/14
BFH 12.02.2015 - V R 42/14 - Zur Hinzuziehung bei Festsetzungsverjährung
Normen
§ 169 Abs 2 AO, § 170 Abs 2 AO, § 171 Abs 4 AO, § 171 Abs 5 AO
Vorinstanz
vorgehend FG München, 29. April 2014, Az: 2 K 1887/11, Urteil
Leitsatz
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NV: Das im Hinzuziehen eines Dritten liegende Zurückdrängen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zugunsten der Rechtsrichtigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Dritte vor Ablauf der Festsetzungsfrist der gegen ihn gerichteten steuerlichen Ansprüche hinzugezogen oder beigeladen wird .
Tenor
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Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Finanzgerichts München vom 29. April 2014 2 K 1887/11, der Hinzuziehungsbescheid des Beklagten vom 24. August 2010 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 25. Mai 2011, soweit sie den Hinzuziehungsbescheid vom 24. August 2010 betrifft, aufgehoben.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob der Hinzuziehung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) zum Einspruchsverfahren der G-GmbH (GmbH) die Festsetzungsverjährung entgegensteht.
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Der Kläger erzielte in den Streitjahren als Einzelunternehmer steuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb einer Landwirtschaft sowie aus der Verpachtung von Gebäuden und Anlagen des landwirtschaftlichen Betriebs an die GmbH. Er war zu 51 % an der GmbH beteiligt und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Seine Ehefrau war zu 49 % an der GmbH beteiligt und ebenfalls einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin.
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Die Umsätze des Klägers aus dem Betrieb der Landwirtschaft unterlagen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung. Seine Lieferungen an die GmbH wurden mit 9 % der Besteuerung unterworfen. Die Umsätze aus der Verpachtung unterlagen der Regelbesteuerung. Die in den gegenüber der GmbH ausgestellten Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge wurden von dieser als Vorsteuerbeträge abgezogen.
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Im Anschluss an eine beim Kläger und bei der GmbH im Jahr 2005 begonnene Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) von einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zwischen dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und der GmbH aus. Bei den Umsätzen zwischen dem Kläger und der GmbH habe es sich demnach um nicht steuerbare Innenumsätze gehandelt mit der Folge, dass die GmbH nicht zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Klägers berechtigt sei und die Umsätze der GmbH dem Kläger als Organträger zugerechnet werden müssten.
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Das FA erließ deshalb am 9. Januar 2009 gegenüber dem Kläger Umsatzsteueränderungsbescheide, mit denen es ihm für die Streitjahre (2000 bis 2002) insgesamt … € Umsatzsteuer zzgl. Zinsen erstattete. Im Gegenzug wurde mit Umsatzsteueränderungsbescheiden vom 20. Januar 2009 von der GmbH für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt … € zzgl. Zinsen nachgefordert.
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Während der Kläger keinen Einspruch einlegte, legte die GmbH gegen die Änderungsbescheide vom 20. Januar 2009 Einspruch ein. Der Kläger wurde mit Bescheid vom 24. August 2010 zum Einspruchsverfahren der GmbH gemäß § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) hinzugezogen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Hinzuziehungsbescheid nicht beigefügt.
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Im Einspruchsverfahren der GmbH erfolgte eine Einigung dahingehend, dass zwischen dem Kläger und der GmbH doch keine Organschaft vorliege. Das FA erstattete der GmbH mit Änderungsbescheiden vom 7. September 2010 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt … € zzgl. Zinsen.
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Am 15. September 2010 erließ das FA gegenüber dem Kläger nach § 174 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, mit denen für die Streitjahre Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt … € zzgl. Zinsen nachgefordert wurde.
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Der Kläger legte sowohl gegen den Hinzuziehungsbescheid vom 24. August 2010 als auch gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 15. September 2010 Einspruch ein. Das FA wies die Einsprüche, die es zu gemeinsamer Entscheidung verband, mit Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011 als unbegründet zurück.
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Die Klage (2 K 1886/11) gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide 2000 bis 2002 vom 15. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011 hatte keinen Erfolg. Hiergegen richtet sich nach Zulassung der Revision durch das Finanzgericht (FG) das Revisionsverfahren V R 28/14.
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Gegen den Hinzuziehungsbescheid vom 24. August 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011 wandte sich der Kläger mit der Klage 2 K 1887/11 zum FG. Das FG wies die Klage als unbegründet ab.
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Das FG begründete sein Urteil im Wesentlichen wie folgt:
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Das FA habe den Kläger zu Recht zum Einspruchsverfahren der GmbH hinzugezogen. Die Anordnung der Hinzuziehung durch das FA nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO setze voraus, dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern sei, und dass hieraus möglicherweise steuerrechtliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides gezogen werden könnten. Die Hinzuziehung sei nicht deshalb unzulässig, weil für eine dem Kläger gegenüber vorzunehmende Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen 2000 bis 2002 die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Denn im Hinzuziehungsverfahren sei noch nicht abschließend zu prüfen, ob die übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides vorlägen. Für eine Hinzuziehung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO reiche es vielmehr aus, dass sich bei einem Erfolg des Einspruchs eine Folgeänderung i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO ergeben könne. Es sei nicht zu prüfen, ob eine etwaige Folgeänderung Bestand habe.
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Auf die hiergegen beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde V B 67/14 hat der BFH die Revision, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, zugelassen.
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Mit der Revision macht der Kläger geltend, er habe zu dem Einspruchsverfahren der GmbH nicht hinzugezogen werden dürfen, weil ihm gegenüber bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Er, der Kläger, sei in keiner Weise an den Einspruchsverfahren der GmbH beteiligt. Soweit er Anträge für die GmbH gestellt habe, habe er das nicht als Einzelunternehmer, sondern in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH getan. Einen Antrag im eigenen Namen habe er im Besteuerungsverfahren der GmbH zu keiner Zeit gestellt. Der Sachverhalt des BFH-Urteils vom 20. November 2013 X R 7/11 (BFH/NV 2014, 482), auf das sich das FG berufe, sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, denn dort sei die später hinzugezogene Ehefrau zunächst selbst im eigenen Namen Einspruchsführerin gewesen und sei wegen der eigenen verfahrensrechtlichen Initiative in der Folgezeit zu Recht als nicht schutzwürdig behandelt worden.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil, den Hinzuziehungsbescheid vom 24. August 2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011, soweit sie den Hinzuziehungsbescheid vom 24. August 2010 betrifft, aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Zur Begründung stützt es sich auf die Entscheidungsgründe des FG-Urteils.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, des Hinzuziehungsbescheides vom 24. August 2010 sowie der Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2011, soweit diese den Hinzuziehungsbescheid betrifft (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger noch nach Eintritt der Festsetzungsverjährung für die Streitjahre 2000 bis 2002 zu den Einspruchsverfahren der GmbH hat hinzugezogen werden können.
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1. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Hinzuziehungsbescheides vom 24. August 2010 war gegenüber dem Kläger die Festsetzungsfrist für die Streitjahre 2000 bis 2002 bereits abgelaufen.
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a) Die reguläre Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 2000 und 2001 begann mit Ablauf des Jahres 2003, die für das Jahr 2002 mit Ablauf des Jahres 2004, weil der Kläger seine Umsatzsteuererklärungen 2000 und 2001 am 21. November 2003, die Umsatzsteuererklärung 2002 am 1. Juli 2004 abgegeben hatte. Die Festsetzungsfrist für die Jahre 2000 und 2001 endete daher regulär mit Ablauf des 31. Dezember 2007, die für 2002 mit Ablauf des 31. Dezember 2008 (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO i.V.m. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).
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b) Allerdings wurde der Fristablauf durch den Beginn der Außenprüfung im Jahr 2005 nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt bis zu dem Zeitpunkt, an dem die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Da der Kläger gegen die auf Grund der Außenprüfung ergangenen Umsatzsteueränderungsbescheide 2000 bis 2002 vom 9. Januar 2009 keinen Einspruch eingelegt hat, sind diese mit Ablauf des 12. Februar 2009 unanfechtbar geworden. Zu diesem Zeitpunkt und damit bereits vor Bekanntgabe des Hinzuziehungsbescheides vom 24. August 2010 war Festsetzungsverjährung eingetreten.
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2. Eine Hinzuziehung war --entgegen der Auffassung des FG-- nach Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich.
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Zwar ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 3 AO grundsätzlich unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides gezogen werden.
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Gegenüber Dritten gilt das gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 AO aber nur, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt waren. Eine Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO). Dabei ist im Beiladungsverfahren eines Dritten zwar noch nicht abschließend zu prüfen, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides vorliegen. Die in der Hinzuziehung eines Dritten liegende Zurückdrängung des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zugunsten der Rechtsrichtigkeit ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die gegen ihn gerichteten steuerlichen Ansprüche hinzugezogen oder beigeladen wird (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817; vom 20. November 2013 X R 7/11, BFH/NV 2014, 482; BFH-Beschlüsse vom 17. Oktober 2006 VIII B 90/06, BFH/NV 2007, 199; vom 7. April 2003 III B 127/02, BFH/NV 2003, 887). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Dritte, der nicht durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf eine Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheides hinwirkt und typischerweise deshalb auch keine Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur hat, mit Ablauf der ihn betreffenden Festsetzungsfrist endgültig auf die Bestandskraft der ihm gegenüber erfolgten oder ggf. unterbliebenen Besteuerung vertrauen darf.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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