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BFH 22.01.2013 - IX R 11/12
BFH 22.01.2013 - IX R 11/12 - (Voraussetzungen für die Änderung einer Verlustfeststellung gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG a.F.)
Normen
§ 10d Abs 4 S 4 EStG 2002, EStG VZ 2006
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 5. Mai 2011, Az: 10 K 263/10, Urteil
Leitsatz
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NV: Die Änderung der Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG setzt nicht nur voraus, dass sich die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte geändert haben. Zudem muss der korrespondierende Einkommensteuerbescheid verfahrensrechtlich geändert werden können oder eine Änderung deshalb unterbleiben, weil er eine Steuer von 0 € festsetzt .
Tatbestand
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I. Da die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ihre Einkommensteuererklärung für 2006 nicht rechtzeitig abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Besteuerungsgrundlagen und erließ im Februar 2008 einen Einkommensteuerbescheid für 2006, in dem bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von ./. 18.617 € die Steuer auf 0 € festgesetzt wurde. Am selben Tage erließ das FA einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2006, in dem der verbleibende Verlustvortrag auf 106.428 € festgestellt wurde (verbleibende negative Einkünfte lt. Steuerbescheid für 2006 18.617 € zzgl. verbleibender Verlustvortrag zum 31. Dezember 2005: 87.811 €). Beide Bescheide wurden nicht angefochten.
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Aufgrund eines Prüfhinweises erließ das FA im März 2008 einen nach § 10d Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2006, in dem der verbleibende Verlustvortrag auf 93.064 € festgestellt wurde (verbleibende negative Einkünfte 18.617 € zzgl. verbleibender Verlustvortrag 74.447 €). Auch dieser Bescheid wurde nicht angefochten.
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Aufgrund einer Mitteilung für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen hinsichtlich der Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb erließ das FA im Mai 2008 einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid über Einkommensteuer 2006, in dem die Steuer wiederum auf 0 € festgesetzt wurde. In den Besteuerungsgrundlagen ist ein Gesamtbetrag der Einkünfte von ./. 10.672 € enthalten. Am selben Tag erließ das FA auch einen nach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2006, in dem der verbleibende Verlustvortrag auf 85.119 € festgestellt wird (verbleibende negative Einkünfte 10.672 € zzgl. verbleibender Verlustvortrag 74.447 €).
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Gegen den geänderten Verlustfeststellungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung reichte sie die Einkommensteuererklärung für 2006 ein. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA erneut einen Bescheid für 2006 über Einkommensteuer, in dem die Steuer wiederum auf 0 € festgesetzt wurde. Der in den Besteuerungsgrundlagen aufgeführte Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich wieder auf ./. 18.617 €. Als "weitere Erläuterungen" ist ausgeführt: "Der Verlustvortrag zum 31.12.2006 konnte gem. § 351 Abs. 1 AO nur in Höhe des durch Bescheid vom März 2008 bestandskräftig festgestellten Betrags von 93.064 € festgestellt werden. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden daher für die zutreffende Ermittlung des Verlustvortrags --entgegen der Erklärung-- mit 3.659 € angesetzt. Den Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 sehe ich hiermit als erledigt an." Am gleichen Tag erließ das FA einen nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO (handschriftlicher Vermerk) und nach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG (maschinenschriftlicher Vermerk) geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2006, mit dem der verbleibende Verlustvortrag wiederum auf 93.064 € festgestellt wurde (verbleibende negative Einkünfte 18.617 € zzgl. verbleibender Verlustvortrag 74.447 €).
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Im April 2009 beantragte die Klägerin gegenüber dem FA, den Einkommensteuerbescheid 2006 hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu ändern. Diese seien --wie erklärt-- in Höhe von ./. 30.328 € statt mit 3.659 € anzusetzen. Am folgenden Tag legte die Klägerin gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2006 vom April 2009 Einspruch ein. Zur Begründung verwies die Klägerin auf ihr Schreiben vom Vortrag zum Einkommensteuerbescheid für 2006.
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Das FA wies den Einspruch gegen den Bescheid für 2006 über Einkommensteuer vom April 2009 als unzulässig zurück, da die Klägerin durch die Festsetzung der Steuer auf 0 € nicht beschwert sei. Mit Einspruchsentscheidung vom selben Tage wies das FA den Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2006 vom April 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies das FA darauf, dass der angefochtene Verlustfeststellungsbescheid vom Mai 2008 den insoweit unanfechtbaren Bescheid vom März 2008 geändert habe, so dass nach § 351 Abs. 1 AO die Änderung aufgrund der Anfechtung auf den im Ursprungsbescheid festgesetzten Betrag beschränkt sei.
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Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Der Berücksichtigung weiterer von der Klägerin nunmehr erklärter negativer Einkünfte stehe § 351 AO entgegen. Der Verlustfeststellungsbescheid vom Mai 2008, mit dem ein Verlust in Höhe von 85.119 € festgestellt wurde, habe den bestandskräftigen Bescheid vom März 2008 geändert, mit dem ein Verlust in Höhe von 93.064 € festgestellt worden sei. Damit sei die Anfechtbarkeit und Änderbarkeit des Verlustfeststellungsbescheides vom Mai 2008 nach § 351 Abs. 1 1. Halbsatz AO auf die Differenz zwischen 93.064 € und 85.119 € beschränkt. Im Rahmen dieser Beschränkung habe das FA mit dem geänderten Verlustfeststellungsbescheid vom April 2009 dem Begehren der Klägerin in vollem Umfang entsprochen, in dem es den Verlust nunmehr wiederum in Höhe von 93.064 € festgestellt habe.
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Eine weitergehende Änderung durch Festsetzung eines höheren Verlustvortrags setze nach § 351 Abs. 1 2. Halbsatz AO voraus, dass die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt seien. Daran fehle es hier. Die Änderung des Feststellungsbescheides nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG erfordere, dass der diesbezügliche Steuerbescheid auch verfahrensrechtlich noch geändert werden könne. Eine solche verfahrensrechtliche Änderungsnorm für den bestandskräftigen Bescheid vom März 2008 sei nicht ersichtlich.
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Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügt. § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG sei anzuwenden. Auf eine Änderungsmöglichkeit könne es nicht ankommen, da das FA den Einkommensteuerbescheid tatsächlich geändert habe. Im Übrigen habe die Klägerin den der Verlustfestsetzung zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid vom April 2009 mit dem Einspruch angefochten, den das FA wiederum als unzulässig zurückgewiesen habe.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben sowie die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2006 vom 6. April 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2010 dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag auf 119.733 € festgestellt wird.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG die von der Klägerin begehrte Änderung der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2006 gemäß § 351 Abs. 1 AO abgelehnt und eine Änderungsmöglichkeit gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG verneint.
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1. Nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Abs. 1 abgezogenen und die nach Abs. 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d Abs. 4 Satz 2 EStG). Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG sind Feststellungsbescheide u.a. zu erlassen, soweit sich die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Ändern sich die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge aber nicht, ist die Vorschrift von vornherein unanwendbar (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. September 2008 IX R 70/06, BFHE 223, 50, BStBl II 2009, 897).
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§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG verlangt auch, dass wegen der Änderung der nach § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Beträge der entsprechende Steuerbescheid --vorliegend der Einkommensteuerbescheid-- zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Dies gilt gemäß Satz 5 auch, wenn die Änderung mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt. Gründe dafür, dass § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG abweichend von diesem Gesetzeswortlaut auszulegen wäre, sind nicht ersichtlich. Danach setzt die Änderung des Feststellungsbescheides nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG voraus, dass der korrespondierende Einkommensteuerbescheid verfahrensrechtlich --d.h. gemäß §§ 164 f., §§ 172 ff. AO-- zu ändern ist oder dies allein wegen fehlender steuerlicher Auswirkung unterbleibt (so auch BFH-Beschluss vom 27. September 2005 XI B 123/04, BFH/NV 2006, 301, m.w.N.).
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2. Nach diesen Grundsätzen ist § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG zwar anwendbar, weil sich die der Verlustfeststellung zugrunde liegenden, bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte in Gestalt eines Werbungskostenüberschusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unstreitig geändert haben.
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Gleichwohl hat das FG zutreffend eine Änderung des streitbefangenen Änderungsbescheides gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG abgelehnt, da der korrespondierende Einkommensteuerbescheid 2006 unstreitig verfahrensrechtlich nicht geändert werden kann. Darauf, dass er eine Steuer von 0 € festsetzt, kommt es nicht an (§ 10d Abs. 4 Satz 5 EStG).
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