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BFH 25.11.2011 - III B 179/10
BFH 25.11.2011 - III B 179/10 - Verfristung der Klage bei fehlendem Absendevermerk auf der Einspruchsentscheidung - Umdeutung eines Einspruchs gegen eine Einspruchsentscheidung in eine Klage - Verfahrensmangel bei Prozessurteil statt Sachurteil
Normen
§ 47 FGO, § 56 Abs 2 FGO, § 122 AO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 19 Abs 4 GG
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 21. September 2010, Az: 13 K 381/07, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ist auf einer Einspruchsentscheidung und einem Hinweisschreiben der Zeitpunkt der Zeichnung durch den Sachbearbeiter, nicht aber die Aufgabe zur Post vermerkt, so kann das FG unterstellen, dass beide einige Tage nach der Zeichnung zur Post gegeben wurden, wenn keine Hinweise für einen außergewöhnlichen Verlauf sprechen (z.B. ein zwischenzeitliches Verlegen der Schreiben) und in der Klageschrift kein verzögerter Zugang behauptet wird .
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2. NV: Ein Einspruch gegen eine Einspruchsentscheidung ist nicht in eine Klage umzudeuten, wenn mit ihm nicht um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht wird .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezog Kindergeld für ihre im Februar 1986 geborene Tochter, die Ende März 2005 eine im November 2004 begonnene Einstiegsqualifizierungsmaßnahme abgebrochen hatte.
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Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 31. Mai 2006 ab April 2005 auf und forderte das für die Monate April bis Oktober 2005 gezahlte Kindergeld zurück. Den dagegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 2006 als unbegründet zurück.
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Gegen die Einspruchsentscheidung legte die Klägerin am 5. Januar 2007 erneut Einspruch ein und erhob am 7. Februar 2007 Klage, nachdem die Familienkasse zuvor mitgeteilt hatte, ein erneuter Einspruch gegen die Einspruchsentscheidung sei unzulässig.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Es führte aus, die Klagefrist habe am 9. Januar 2007 geendet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren. Die Klägerin sei nach ihren Angaben durch eine fehlerhafte telefonische Auskunft der Familienkasse davon abgehalten worden, fristgerecht Klage zu erheben. Dieses Hindernis sei jedoch durch das Schreiben der Familienkasse vom 9. Januar 2007 entfallen. Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) habe sie jedoch nicht gewahrt. Soweit die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, das Hinweisschreiben der Familienkasse erst später erhalten zu haben, sei dem nicht zu folgen; es bleibe insoweit bei der Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung.
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Zur Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin sinngemäß vor, das FG-Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Der Einspruchsentscheidung sei nicht zu entnehmen, wann diese in die Post gegangen sei; der 6. Dezember 2006 sei das Bescheid- und nicht das Postausgangsdatum. Das Schreiben vom 9. Januar 2007, mit dem ihr --der Klägerin-- mitgeteilt worden sei, dass gegen die Einspruchsentscheidung nur Klage erhoben werden könne, sei erst mehrere Wochen nach dem 9. Januar 2007 zur Post gegeben worden. Die Wiedereinsetzungsfrist habe sie daher gewahrt. Ihr erneuter Widerspruch vom 5. Januar 2007 sei zudem in eine Klage umzudeuten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit ihre Darlegung überhaupt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, nicht vor.
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1. Das FG-Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensfehler.
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a) Wird über eine Klage objektiv fehlerhaft nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden, so liegt darin ein Verfahrensmangel (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. November 2007 IV B 166/06, BFH/NV 2008, 248). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gericht zu Unrecht davon ausgeht, dass die Klagefrist versäumt wurde (BFH-Beschluss vom 26. Mai 2010 VIII B 228/09, BFH/NV 2010, 2080).
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Das FG hat aber in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Klage verfristet war: Die Einspruchsentscheidung und das Hinweisschreiben tragen zwar keine gesonderten Absendevermerke. In beiden Fällen sind die Reinschriften jedoch vom Sachbearbeiter an den im Briefkopf angegebenen Tagen gezeichnet worden. Die Annahme der Klägerin, bis zur Aufgabe zur Post hätten mehrere Wochen vergehen können, könnte daher nur bei außergewöhnlichen Abläufen zutreffen, z.B. einem zwischenzeitlichen Verlegen der Schreiben. Dafür ist indessen nichts ersichtlich.
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Selbst wenn die Schriftstücke erst einen oder zwei Tage später die Behörde verlassen haben sollten, wären Klage- und Wiedereinsetzungsfrist deutlich überschritten. Schließlich lassen sich weder dem zweiten Einspruchsschreiben noch der Klageschrift Hinweise auf einen verspäteten Zugang der Schriftstücke entnehmen. Die Klageschrift führt im Gegenteil aus, dass die Klägerin am 9. Januar 2007 die Nachricht bekommen habe, dass das von ihr gewählte Rechtsmittel nicht mehr zulässig sei.
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b) Die Rüge der Klägerin, das FG habe durch den Verzicht auf eine Zeugenvernehmung der Cousine der Klägerin seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt, genügt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht.
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Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht liegt zudem nicht vor. Die Klägerin hatte zwar schriftsätzlich am 27. Januar 2010 behauptet, ihre Cousine "am Tage des Posteinwurfs ... von dem Eingang dieses Briefes in Kenntnis gesetzt" zu haben. Diesem Vortrag konnte das FG aber nicht entnehmen, dass die Cousine im Falle ihrer Vernehmung Wahrnehmungen bekunden würde, die zu einer anderen Beurteilung der Einhaltung der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist hätten führen können.
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2. Mit dem Vortrag, der erneute Widerspruch der Klägerin hätte in eine Klage umgedeutet werden müssen, wird kein Revisionszulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO bezeichnet.
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Eine derartige Umdeutung kam zudem nicht in Betracht, denn das Schreiben der Klägerin vom 5. Januar 2007 lässt nicht erkennen, dass sie um gerichtlichen Rechtsschutz nachsucht. Dagegen spricht im Übrigen auch, dass sie nach der telefonisch erteilten Auskunft der Ansicht war, ein erneuter Einspruch sei ausreichend.
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