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BFH 23.05.2011 - I B 11/11
BFH 23.05.2011 - I B 11/11 - Ausschluss von Teilwertabschreibungen bei ausländischem Beteiligungsbesitz im Veranlagungszeitraum 2000
Normen
§ 8b Abs 6 Nr 1 KStG 1999, § 3c Abs 2 EStG 1997, Art 56 EG, Art 43 EG, Art 63 AEUV, Art 49 AEUV
Vorinstanz
vorgehend FG München, 13. Dezember 2010, Az: 7 K 2662/09, Urteil
Leitsatz
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NV: Für die Rechtsfragen, ob 1. die außerbilanzielle Hinzurechnung von Gewinnminderungen bei der Ermittlung des Einkommens nach § 8b Abs. 6 Nr. 1 KStG 1999 a.F., die auf den Ansatz des niedrigeren Teilwerts für eine Alleinbeteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat zurückgeht, wegen des Anwendungsvorrangs gemeinschaftlichen Primärrechts gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG - nun Art. 63 AEUV) und/oder gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG - nun Art. 49 AEUV) verstößt, wenn der Ansatz des niedrigeren Teilwerts auf eine vorausgegangene Gewinnausschüttung der ausländischen Gesellschaft zurückzuführen ist, oder ob 2. die gewinnmindernde Berücksichtigung der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung subsidiär nach § 3c EStG zu versagen ist, falls die Anwendung des § 8b Abs. 6 Nr. 1 KStG 1999 a.F. als europarechtswidrig eingestuft wird, besteht kein (weiteres) Klärungsbedürfnis .
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob eine Gewinnminderung durch den Ansatz einer ausländischen Beteiligung mit dem niedrigeren Teilwert einkommenswirksam ist.
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Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), eine GmbH, ist Rechtsnachfolgerin der X-GmbH. Im Streitjahr 2000 war die X-GmbH Alleingesellschafterin der X-Ltd. (Irland), welche ihre Geschäftstätigkeit bereits eingestellt hatte. Zum 31. Dezember 1999 bestand das Betriebsvermögen der X-Ltd. aus Umlaufvermögen in Höhe von 2.630.167 IEP (6.531.730 DM); das Eigenkapital setzte sich wie folgt zusammen:
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IEP
DM
Nennkapital 550.000
1.365.861
+ Gewinnvortrag 2.080.167
5.165.865
= Eigenkapital 2.630.167
6.531.730
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Die X-Ltd. schüttete im Streitjahr den Gewinnvortrag an die X-GmbH aus. Anschließend wurde die X-Ltd. in eine "unlimited company" umgewandelt und das Nennkapital auf 2 IEP = 4,96 DM herabgesetzt (sog. "Dormant 2 IEP Company"). Am 28. Dezember 2000 kam es zu einer entsprechenden Kapitalrückzahlung (549.998 IEP = 1.365.860 DM) an die X-GmbH.
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In der Bilanz zum 31. Dezember 2000 nahm die X-GmbH auf ihre Beteiligung an der X-Ltd. eine Teilwertabschreibung in Höhe von 1.131.378,65 DM vor (Differenzbetrag zwischen dem Ansatz der Beteiligung zum 31. Dezember 1999 in Höhe von 2.497.244,11 DM und dem Restbuchwert in Höhe von 4,96 DM einerseits und der Kapitalrückzahlung in Höhe von 1.365.860,50 DM andererseits). Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) erkannte die Teilwertabschreibung unter Hinweis auf § 8b des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG 1999 a.F.) nicht an. Die Klage war erfolgreich (Finanzgericht --FG-- München, Urteil vom 13. Dezember 2010 7 K 2662/09).
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Das FA beantragt unter Hinweis auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Revision zuzulassen.
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Die Klägerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Eine Zulassung der Revision kommt weder nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO oder nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Betracht.
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1. Das FA hat als abstrakte --klärungsbedürftige-- Rechtsfrage formuliert, ob "die außerbilanzielle Hinzurechnung von Gewinnminderungen bei der Ermittlung des Einkommens nach § 8b Abs. 6 Nr. 1 KStG 1999 a.F., die auf den Ansatz des niedrigeren Teilwerts für eine Alleinbeteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat zurückgeht, wegen des Anwendungsvorrangs gemeinschaftlichen Primärrechts gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG - nun Art. 63 AEUV) und/oder gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG - nun Art. 49 AEUV) (verstößt), wenn der Ansatz des niedrigeren Teilwerts auf eine vorausgegangene Gewinnausschüttung der ausländischen Gesellschaft zurückzuführen ist?". Dazu kann offenbleiben, ob das FA mit seinem weiteren Vortrag zu "offenen Steuerfällen", in denen die Grundsätze des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 22. Januar 2009 C-377/07 "STEKO Industriemontage GmbH" (Slg. 2009, I-299) entscheidungserheblich sein könnten, ausreichend dargelegt hat, dass angesichts der unmittelbar nach dem Streitzeitraum geänderten Rechtslage die konkret streiterhebliche Norm in nicht absehbarer Zukunft weiterhin bei einem nicht überschaubaren Personenkreis von Bedeutung ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. November 1999 III B 58/99, BFH/NV 2000, 748). Denn es fehlt jedenfalls --bezogen auf die für den Streitfall erhebliche Rechtsfrage der Vereinbarkeit des § 8b Abs. 6 KStG 1999 a.F. mit Unionsrecht-- an einem entsprechenden Klärungsbedürfnis durch eine (weitere) Entscheidung des BFH. Die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist damit ebenso ausgeschlossen wie das Erfordernis für eine Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO). Die aufgeworfene Rechtsfrage ist auf der Grundlage der Senatsurteile vom 22. April 2009 I R 57/06 (BFHE 231, 35, BStBl II 2011, 66) und vom 28. Oktober 2009 I R 27/08 (BFHE 227, 73, BStBl II 2011, 229) und des Senatsbeschlusses vom 8. Juni 2010 I B 199/09 (BFH/NV 2010, 1863) so zu entscheiden, wie es das FG getan hat.
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Aus unionsrechtlicher Sicht ist nicht hinzunehmen, dass Betriebsausgaben im Zusammenhang mit einer ausländischen Beteiligung gegenüber der Situation der Inlandsbeteiligung benachteiligt werden. Eine derartige Benachteiligung verletzt, wie sich aus dem EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-299 und der nachfolgenden Senatsrechtsprechung in BFHE 231, 35, BStBl II 2011, 66, in BFHE 227, 73, BStBl II 2011, 229 und in BFH/NV 2010, 1863 ergibt, Art. 56 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. C 325, 1) --EG-- (jetzt Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV-- i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01). Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen, und das prinzipiell auch insoweit, als es um die Alleinbeteiligung an der Auslandsgesellschaft geht (Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 11. November 2010, BStBl I 2011, 40).
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Darüber hinaus hat der Senat im Beschluss vom 11. April 2011 I B 180/10 festgehalten, dass eine Beschränkung dieser Grundsätze auf die Situation börsenkursbedingter Teilwertabschreibungen keinen Rückhalt in dem EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-299 findet: Der EuGH hat dort (in Tz. 55) ausgeführt, dass dann, wenn man die Notwendigkeit, eine effektive Steuerkontrolle sicherzustellen, als Rechtfertigungsgrund anerkennt, ein solcher zwingender Grund des Allgemeininteresses jedenfalls nicht eingreift, wenn der Wertverlust von Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften die Folge eines Börsenkursrückgangs ist. Daraus kann aber --gerade auch angesichts der sonst vorbehaltlos und allgemein auf Teilwertabschreibungen abstellenden Formulierungen (s. Schwetlik, GmbH-Steuerberater 2011, 45)-- nicht abgeleitet werden, die unionsrechtliche Frage bei einer nicht börsenkursbedingten Teilwertabschreibung auf Beteiligungsbesitz sei in den EU-Mitgliedstaaten abweichend zu beurteilen. Soweit die Finanzverwaltung in diesem Punkt (offenbar) anderer Auffassung ist (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 40), bleibt dies ohne Begründung.
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2. Das FA hat als weitere abstrakte --klärungsbedürftige-- Rechtsfrage formuliert, ob "die gewinnmindernde Berücksichtigung der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung subsidiär nach § 3c EStG zu versagen (ist), falls die Anwendung des § 8b Abs. 6 Nr. 1 KStG 1999 a.F. als europarechtswidrig eingestuft wird". Auch insoweit bestehen schon Zweifel, ob das FA mit seinem Vortrag zu den "offenen Steuerfällen" ausreichend dargelegt hat, dass angesichts der unmittelbar nach dem Streitzeitraum geänderten Rechtslage die konkret streiterhebliche Norm in nicht absehbarer Zukunft weiterhin bei einem nicht überschaubaren Personenkreis von Bedeutung ist. Jedenfalls hätte es insoweit weiterer Darlegungen zur Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage bedurft.
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Denn zur Rechtsfrage der (subsidiären) Anwendung des § 3c des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1997 a.F. ist das FA zwar davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm "unzweifelhaft erfüllt" seien. Insbesondere biete sich die im Tatbestandsbegriff der "Einnahmen" praktizierte weite Auslegung "auch für den Ausgabenbegriff an. Danach wären nicht nur tatsächliche Ausgaben und betrieblicher Aufwand unter diesen Begriff zu subsumieren, sondern auch buchmäßiger Aufwand." Bei diesem Verständnis würden auch Teilwertabschreibungen (substanzbezogene Gewinnminderungen) Ausgaben i.S. des § 3c EStG 1997 a.F. darstellen. Das FA hat sich dabei aber nicht mit der Rechtsprechung des Senats auseinandergesetzt, die zwar auch lediglich buchmäßigen Aufwand als Ausgaben i.S. des § 3c EStG 1997 a.F. anerkennt, dies aber mit dem Hinweis auf die Situation der Einstellung eines Passivpostens verbindet, mit dem künftige Ausgaben antizipiert werden (Senatsurteil vom 20. Oktober 2004 I R 11/03, BFHE 207, 295, BStBl II 2005, 581, zu II.4.b der Gründe). Darüber hinaus wäre darzulegen gewesen, auf welcher Grundlage die belastende Rechtsfolge, die § 8b Abs. 6 KStG 1999 a.F. nach den unionsrechtlichen Maßgaben nicht bewirken kann, ohne Eingriff in das Unionsrecht durch § 3c EStG 1997 a.F. ausgelöst werden könnte.
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3. Ein Verfahrensfehler i.S. des § 119 Nr. 6 FGO liegt nicht vor. Das FG hat die im Tatbestand des Urteils aufgelisteten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen dahin gewürdigt, dass keine Liquidation der X-Ltd. vorgelegen hat, sondern eine Umwandlung (verbunden mit einer Kapitalherabsetzung, wobei die Kapitalrückzahlung zu einer Minderung der Anschaffungskosten der Beteiligung geführt hat). Damit hat das FG in einer Sachfrage eine Entscheidung getroffen, wobei es der Sachdeutung des FA, es habe (im Streitjahr) eine "stille Liquidation" vorgelegen, nicht gefolgt ist. Es hat diese abweichende Ansicht aber ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils (Beteiligtenvortrag des FA) zur Kenntnis genommen. Das FG war nicht zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der abweichenden Rechtsansicht des FA verpflichtet.
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