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BFH 28.05.2010 - III S 4/09 (PKH)
BFH 28.05.2010 - III S 4/09 (PKH) - Prozesskostenhilfe - Rechtsschutzbedürfnis für noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde nach Abhilfebescheid - Klageänderung
Normen
§ 116 Abs 2 S 1 FGO, § 123 Abs 1 S 1 FGO, § 142 FGO, § 114 ZPO
Leitsatz
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1. NV: Ergeht nach Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde ein Abhilfebescheid, ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde daraus, dass nur sie dem Antragsteller die Möglichkeit gewährt, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären und zu beantragen, dem Beschwerdegegner die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
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2. NV: Die beabsichtigte Rechtsverfolgung (hier: Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde) hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit der Antragsteller damit eine in einem etwaigen Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung begehrt.
Tatbestand
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I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Klägers und Antragstellers (Antragsteller), mit der er ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vor dem FG beantragt hatte, "unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom … in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger Kindergeld für die Kinder A und B in Höhe von insgesamt 7.700 € zu zahlen", ab. Ausweislich des angegriffenen Urteils war streitig, ob dem Antragsteller für seine beiden Kinder "im Zeitraum seiner Erwerbstätigkeit in Deutschland vom …", also für insgesamt 25 Monate, Kindergeld zusteht.
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Für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision begehrt der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung seines Bevollmächtigten und legte hierzu einen als Beschwerdeentwurf gekennzeichneten Schriftsatz sowie mittlerweile auch eine aktuelle eigene Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen vor. Die Beklagte (Familienkasse) hat zwischenzeitlich den im Klageverfahren angegriffenen Ablehnungsbescheid vom … dahin geändert, dass "…" Kindergeld für die Kinder A und B in Höhe von "insgesamt 7.700 € festgesetzt" wird.
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Nach Ergehen des Änderungsbescheids macht der Antragsteller geltend, ihm stehe Kindergeld in Höhe von insgesamt 11.088 €, für die gesamten Jahre 2005 bis 2007 (36 Monate), zu. Er habe seinen Antrag zu keiner Zeit zeitlich eingeschränkt. Er stütze seinen Antrag allein auf die antragsgemäße Veranlagung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In einem solchen Fall bestehe der Anspruch auf Kindergeld für jedes volle Kalenderjahr, in dem die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG vorlägen, denn eine unterjährige (monatliche) Veranlagung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei dem EStG fremd. Die entsprechende Korrektur seines Leistungsantrags sei auch zulässig, denn nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. März 1990 X R 68/82 (BFH/NV 1991, 162) handele es sich dabei nicht um eine Klageänderung, so dass § 123 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht anwendbar sei. Sollte die Familienkasse seinem entsprechend erweiterten Begehren nicht folgen, sei das Verfahren --nach Zulassung der Revision-- an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH und auf Beiordnung von Rechtsanwalt X hat nur teilweise Erfolg.
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1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Handelt es sich bei der beabsichtigten Rechtsverfolgung um die Zulassung der Revision, so fehlt es an der erforderlichen Erfolgsaussicht, wenn weder der Antrag noch eine summarische (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Rz 45, m.w.N.) Prüfung von Amts wegen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO erkennen lassen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 13. März 2008 III S 13/07 (PKH), BFH/NV 2008, 1145).
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2. Danach ist der Antrag auf Bewilligung von PKH und auf Beiordnung von Rechtsanwalt X begründet, soweit der Antragsteller die Bewilligung von PKH für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG begehrt, das die Festsetzung von Kindergeld für zwei Kinder für die Zeit von … in einer Höhe von insgesamt 7.700 € abgelehnt hat.
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a) Insoweit hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei rechtzeitig und ordnungsgemäß gestelltem Wiedereinsetzungsantrag steht der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde aufgrund der Bewilligung der PKH nicht entgegen, dass die Frist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO bereits abgelaufen ist.
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Die (noch einzulegende) Beschwerde ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil die Familienkasse dem Klagebegehren durch Änderungsbescheid bereits in vollem Umfang abgeholfen hat. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich daraus, dass nur eine Nichtzulassungsbeschwerde --sofern sie den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt-- dem Antragsteller die Möglichkeit gewährt, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären und das Ziel weiter zu verfolgen, der Familienkasse die Verfahrenskosten aufzuerlegen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 1990 IX R 79/90, BFH/NV 1991, 611, und vom 29. Mai 2007 X B 66/06, BFH/NV 2007, 1693).
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Dem Vortrag des Antragstellers in seinem Beschwerdeentwurf lassen sich --auch nach Ansicht der Familienkassen-- zudem hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes entnehmen.
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b) Ausweislich der zwischenzeitlich vorgelegten aktuellen eigenen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen kann der Antragsteller die Kosten der Prozessführung auch nicht aufbringen.
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c) Soweit dem Antragsteller danach PKH zu bewilligen ist, ist ihm nach § 142 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO Rechtsanwalt X als Prozessbevollmächtigter beizuordnen.
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3. Unbegründet ist der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsvertreters hingegen insoweit, als der Antragsteller mit der noch einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde --nach Zulassung der Revision-- im Ergebnis erreichen möchte, dass die Familienkasse verpflichtet wird, über das bereits festgesetzte Kindergeld von 7.700 € hinaus Kindergeld in Höhe von weiteren (11.088 € ./. 7.700 € =) 3.388 € festzusetzen. Insoweit hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn der Antragsteller begehrt damit eine in einem etwaigen Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung, so dass auch eine darauf gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
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Das Wesen des Revisionsverfahrens besteht darin, die Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zu überprüfen. Eine solche Entscheidung liegt aber nur insoweit vor, als sie durch den Klageantrag angestrebt war. Über ein Begehren, das erstmals im Revisionsverfahren erhoben wird, ist gerichtlich noch nicht entschieden, so dass es insoweit an einem Gegenstand der revisionsrichterlichen Nachprüfung fehlt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 11. Februar 2009 X R 51/06, BFHE 226, 1, BStBl II 2009, 892, m.w.N.). Soweit der Antragsteller nunmehr nicht nur --wie noch im Klageverfahren vor dem FG-- die Verpflichtung der Familienkasse zur Festsetzung von lediglich 7.700 €, sondern von insgesamt 11.088 € begehrt, fehlt es an einer formellen Beschwer als Voraussetzung für eine Sachentscheidung des Senats. Denn eine entsprechende Verpflichtung war nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens. Der Antrag, Kindergeld in diesem erweiterten Umfang --d.h. für weitere Monate-- festzusetzen, stellt demnach eine Klageerweiterung dar, die im Revisionsverfahren unzulässig ist (§ 123 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil es dazu an einer Entscheidung des FG als dem Gegenstand der revisionsgerichtlichen Nachprüfung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 2006 VI R 61/05, BFH/NV 2007, 45, m.w.N.).
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Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsteller zitierten BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 162. Denn diese Entscheidung betraf die betragsmäßige Erweiterung einer Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid nach Ablauf der Klagefrist im finanzgerichtlichen Verfahren vor dem FG und nicht eine Erweiterung des Klagebegehrens in der Revisionsinstanz.
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4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis).
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