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BFH 12.05.2010 - IV B 19/09
BFH 12.05.2010 - IV B 19/09 - Keine Vollbeendigung einer Personengesellschaft bis zur Bestandskraft des Gewerbesteuermessbescheids - Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Normen
§ 48 Abs 1 Nr 1 FGO, § 57 FGO, § 96 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 3. Februar 2009, Az: 8 K 455/03, Urteil
Leitsatz
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NV: Eine (nicht liquidationslos erloschene) Personengesellschaft ist jedenfalls bis zur Bestandskraft des an sie gerichteten Gewerbesteuermessbescheids noch nicht voll beendet .
Tatbestand
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I. Die Beschwerdegegner waren im Streitjahr (1995) Gesellschafter der L GmbH & Co. KG (L KG).
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Diese Gesellschaft erwarb im Streitjahr Wäsche, die sie an die S KG verleaste. Bei den erworbenen Textilien handelte es sich ausnahmslos um geringwertige Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (EStG). In der Bilanz des Streitjahres schrieb die L KG die Wäsche bis auf einen Erinnerungsposten (1 DM) ab.
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Die L KG hat mit Beschluss vom 28. Oktober 1998 ihre Auflösung beschlossen. Die Löschung der Firma ist am 1. November 2002 im Handelsregister eingetragen worden.
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Im Anschluss an eine Außenprüfung ließ der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) den sofortigen Betriebsausgabenabzug für geringwertige Wirtschaftsgüter hinsichtlich der Textilien nicht zu. Das FA änderte daraufhin u.a. den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung für das Streitjahr und den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1997.
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Die Einsprüche gegen diese Bescheide wies das FA mit Einspruchsbescheid vom 7. Mai 2003 als unbegründet zurück.
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Die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung für das Streitjahr hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die L KG sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht voll beendet gewesen. Die Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG sei nicht missbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO).
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Das FA begehrt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
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1. Die Revision ist nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.
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a) Bei diesem Zulassungsgrund handelt es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision. Eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts ist nur erforderlich, wenn über bisher nicht geklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 2009 IV B 126/08, BFH/NV 2010, 37). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein (BFH-Beschluss vom 27. Juli 2009 IV B 124/08, BFH/NV 2009, 1981).
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b) Das FA hält sinngemäß für nicht geklärt, ob eine Personengesellschaft, die Einspruch gegen einen Gewerbesteuermessbescheid eingelegt hat, bereits mit der Zurückweisung des Einspruchs oder erst mit Bestandskraft dieses Bescheides voll beendet ist.
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c) Diese Rechtsfrage ist indessen nicht klärungsbedürftig.
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aa) Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nicht schon dann, wenn sie --wie hier-- noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist (BFH-Beschlüsse vom 20. April 2000 V B 156/99, BFH/NV 2000, 1347; vom 23. Januar 2001 V B 129/00, BFH/NV 2001, 940). Vielmehr ist erforderlich, dass ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (BFH-Beschluss vom 30. Mai 2007 V B 104/05, BFH/NV 2007, 1724, m.w.N.).
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bb) Anhand der ergangenen Rechtsprechung ergibt sich allerdings ohne Weiteres, dass eine Personengesellschaft jedenfalls bis zur Bestandskraft des an sie gerichteten Gewerbesteuermessbescheides noch nicht voll beendet ist.
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(1) Richtet sich ein Gewerbesteuermessbescheid gegen eine Personengesellschaft als Steuerschuldnerin, so kann grundsätzlich auch nur diese klagebefugt sein. Dies gilt auch dann, wenn die Personengesellschaft zivilrechtlich voll beendet wird, da dies auf die steuerrechtliche Existenz der Gesellschaft keinen Einfluss hat; denn die Personengesellschaft ist steuerrechtlich so lange als materiell-rechtlich existent anzusehen, wie gegen sie noch Gewerbesteueransprüche geltend gemacht werden (BFH-Urteil vom 25. Juli 2000 VIII R 32/99, BFH/NV 2001, 178, unter II.1.a bb der Gründe, m.w.N.).
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Für die Dauer des Rechtsstreits über den Gewerbesteuermessbescheid gilt die Personengesellschaft weiter als steuerrechtlich existent (BFH-Beschluss vom 12. April 2007 IV B 69/05, BFH/NV 2007, 1923).
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(2) Hieraus folgt, dass eine Personengesellschaft noch nicht mit der Bekanntgabe der an sie gerichteten Einspruchsentscheidung über den Gewerbesteuermessbescheid voll beendet ist. Dass sie im Rechtsstreit gegen den Gewerbesteuermessbescheid steuerrechtlich existent ist und dass nur sie klagebefugt ist, setzt nämlich auch ihre steuerrechtliche Existenz zwischen Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung und der Klageerhebung voraus. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die Personengesellschaft tatsächlich Klage erhoben hat, weil ansonsten die steuerrechtliche Existenz von einer späteren Klage abhinge. Ferner kann eine Personengesellschaft bis zur Bestandskraft Klage erheben und ist klagebefugt. Bereits diese Möglichkeit setzt ihre Existenz jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt voraus.
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2. Die Revision ist nicht wegen Vorliegens eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (vgl. § 96 Abs. 1 FGO) liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlich festgehaltenen Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht oder eine nach den Akten eindeutig festgestellte Tatsache unberücksichtigt lässt (BFH-Beschluss vom 27. August 2008 IX B 207/07, BFH/NV 2008, 2022, m.w.N.). Die Darlegung dieses Verfahrensmangels (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) erfordert die genaue Bezeichnung des nicht berücksichtigten Akteninhalts sowie Ausführungen, inwieweit dessen Berücksichtigung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH-Beschluss vom 24. August 2005 IV B 61/04, BFH/NV 2006, 85).
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a) Soweit das FA rügt, die Feststellung des FG, die L KG sei auf unbestimmte Zeit gegründet worden, stehe im Gegensatz zum Akteninhalt, wonach die Initiatoren der L KG von einer regelmäßigen Laufzeit von drei bzw. vier Jahren ausgegangen seien, genügt die Begründung nicht diesen Anforderungen.
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Das FA hat nämlich nicht ausreichend dargelegt, inwiefern dies nach dem Standpunkt des FG Einfluss auf das Ergebnis haben könnte.
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Das FA zitiert die Ausführungen des FG-Urteils, wonach im Rahmen der Prüfung des § 42 AO zu bedenken sei, dass bei der auf unbestimmte Zeit laufenden L KG in "den Streitjahren" nicht absehbar gewesen sei, wann die Gesellschaft ggf. beendet werden würde und ob sich ggf. durch einen bei Beendigung zu erfassenden Veräußerungsgewinn ein Steuervorteil ergeben würde. Das FA meint, das FG habe einen "Gesamtplan" verneint.
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Allerdings hat das FG auf einen "Gesamtplan" im Rahmen des § 42 AO nicht abgestellt. Vielmehr hat es ausgeführt, für die Beurteilung der Frage, ob ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliege, sei nicht entscheidend, welche Vorstellungen oder Absichten die Beteiligten ursprünglich gehabt hätten, sondern welcher konkrete Sachverhalt tatsächlich verwirklicht worden sei (FG-Urteil, S. 9, vorletzter Absatz). Zudem hat es zu § 6 Abs. 2 EStG ausgeführt, der Gesetzgeber habe bewusst in Kauf genommen, dass sich durch den sofortigen Betriebsausgabenabzug niedrigere Gewinne ergäben, die bei einer Betriebsaufgabe vor dem tatsächlichen Verbrauch der Wirtschaftsgüter zu einem höheren, ermäßigt besteuerten Aufgabegewinn führten. Allein die Inanspruchnahme der vom Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsmöglichkeit sei nicht rechtsmissbräuchlich (FG-Urteil, S. 10, dritter Absatz).
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Das FA hätte sich auch mit diesen Aussagen des FG auseinandersetzen und darlegen müssen, inwiefern die Berücksichtigung des vom FA vorgetragenen Akteninhalts dennoch zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
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b) Zudem trägt das FA vor, ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liege auch darin, dass das FG hilfsweise angenommen habe, im Falle der Vollbeendigung sei die Klageschrift als Klage der ehemaligen Gesellschafter auszulegen. Denn aus den Akten ergebe sich kein Hinweis, dass die Gesellschafter die Klage erhoben hätten. Das FG ist indessen von dem Akteninhalt nicht abgewichen, sondern ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu seinem Auslegungsergebnis gelangt. Das FA rügt demnach im Ergebnis die (unzutreffende) Rechtsanwendung des FG. Dies führt aber nicht zur Zulassung der Revision.
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