betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht des Saarlandes (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. März 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 9. April 2019, in dem Verfahren
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. September 2020
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass die Überlassung eines dem Unternehmen des Steuerpflichtigen zugeordneten Fahrzeugs an dessen Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, wenn der Arbeitnehmer dafür weder eine Zahlung erbringt noch einen Teil seiner Vergütung dafür verwendet und das Recht zur Nutzung des Fahrzeugs nicht mit seinem Verzicht auf andere Vorteile verbunden ist.
Die Anwendung von Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112, der den Ort der Mehrwertbesteuerung der Vermietung eines Beförderungsmittels bestimmt, setzt voraus, dass der zu prüfende Umsatz der Mehrwertsteuer unterliegt.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 die Lieferung von Gegenständen definiert als „die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“.
Da es im Ausgangsverfahren bereits an dieser Voraussetzung fehlt, sind die in Rede stehenden Fahrzeugüberlassungen nicht als „Lieferungen von Gegenständen“ im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 anzusehen, sondern als „Dienstleistungen“ im Sinne ihres Art. 24 Abs. 1, wonach jeder Umsatz, der keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne von Art. 14 ist, als Dienstleistung gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2010, Astra Zeneca UK, C-40/09, EU:C:2010:450, Rn. 26).
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 unterliegen Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer.
Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass QM Steuerpflichtige ist und als solche handelte, als sie ihren Arbeitnehmern die Fahrzeuge zur Verfügung stellte.
Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Dienstleistung jedoch nur dann im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 „gegen Entgelt“ erbracht und ist somit steuerbar, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. März 2020, San Domenico Vetraria, C-94/19, EU:C:2020:193, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang kann sich in den Beziehungen zwischen einem Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer durch einen Teil der Barvergütung konkretisieren, auf den Letzterer als Gegenleistung für eine Leistung des Ersteren verzichten muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Oktober 1997, Fillibeck, C-258/95, EU:C:1997:491, Rn. 14 und 15, sowie vom 29. Juli 2010, Astra Zeneca UK, C-40/09, EU:C:2010:450, Rn. 29).
Im vorliegenden Fall bezieht sich das vorlegende Gericht in seiner Vorlagefrage auf eine Fahrzeugüberlassung, für die der Mitarbeiter weder eine Zahlung leistet noch einen Teil seiner Barvergütung verwendet und auch nicht nach einer Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach der Anspruch auf Nutzung des Firmenfahrzeugs mit dem Verzicht auf andere Vorteile verbunden ist, zwischen verschiedenen vom Steuerpflichtigen angebotenen Vorteilen gewählt hat.
Somit kann diese Leistung vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Sachverhaltsprüfungen nicht als eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 eingestuft werden.
Hinsichtlich der Frage, ob dieser Umsatz einer Dienstleistung gegen Entgelt nach Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 gleichzustellen sei, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung einen Umsatz einer Dienstleistung gegen Entgelt in zwei Fällen gleichstellt. Der erste Fall in Abs. 1 Buchst. a dieser Vorschrift betrifft die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat; der zweite Fall in Abs. 1 Buchst. b dieser Bestimmung betrifft die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.
Wie der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann eine Dienstleistung, die in der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke besteht und einer Dienstleistung gegen Entgelt nicht nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 gleichgestellt werden kann, weil der betreffende Gegenstand, anders als es diese Bestimmung verlangt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, einer solchen Dienstleistung nicht hilfsweise auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie gleichgestellt werden; anderenfalls würde die praktische Wirksamkeit der in Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 enthaltenen Voraussetzung betreffend den Vorsteuerabzug in Frage gestellt.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten, dass QM in Luxemburg dem vereinfachten Besteuerungsverfahren unterlag; in dessen Rahmen konnte sie in den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Jahren keinen Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem einem Mitarbeiter ohne Gegenleistung überlassenen Fahrzeug geltend machen.
Aus den Akten geht jedoch nicht ausdrücklich hervor, ob ein solcher Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht möglicherweise in Deutschland entstanden wäre.
Auch wenn das vorlegende Gericht die Auffassung vertreten sollte, dass diese Voraussetzung in Deutschland erfüllt sei und dass selbiges für die anderen Anwendungsvoraussetzungen von Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 gelte, kann jedoch die Gleichstellung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fahrzeugüberlassung mit einer sich daraus dann ergebenden Dienstleistung gegen Entgelt jedenfalls nicht unter Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 fallen.
Ein einer Dienstleistung gegen Entgelt nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 gleichgestellter Umsatz kann nämlich keine „Vermietung eines Beförderungsmittels“ im Sinne ihres Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 darstellen.
Mangels einer Definition in der Richtlinie 2006/112 oder eines Verweises auf das Recht der Mitgliedstaaten stellt der Begriff „Vermietung eines Beförderungsmittels“ im Sinne von Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 einen autonomen Begriff des Unionsrechts dar, der unabhängig von den Wertungen in den Mitgliedstaaten in der gesamten Union eine einheitliche Auslegung erhalten muss (vgl. entsprechend Urteil vom 9. Juli 2020, AJPF Caraş-Severin und DGRFP Timişoara, C-716/18, EU:C:2020:540, Rn. 30).
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt eine „Vermietung eines Grundstücks“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie voraus, dass mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar, dass der Eigentümer eines Grundstücks dem Mieter gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, seine Sache in Besitz zu nehmen und andere von diesem Recht auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Oktober 2001, Goed Wonen, C-326/99, EU:C:2001:506, Rn. 55, sowie vom 18. Juli 2013, Medicom und Maison Patrice Alard, C-210/11 und C-211/11, EU:C:2013:479, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Diese Voraussetzungen gelten entsprechend bei der Bestimmung, was eine „Vermietung eines Beförderungsmittels“ im Sinne von Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 darstellt.
Folglich setzt eine solche Einstufung voraus, dass der Eigentümer des Beförderungsmittels dem Mieter gegen die Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, das Beförderungsmittel zu benutzen und andere davon auszuschließen.
Was die Voraussetzung eines Mietzinses betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Fehlen einer solchen Zahlung nicht durch den Umstand aufgewogen werden kann, dass im Rahmen der Einkommensteuer die private Nutzung des dem in Rede stehenden Unternehmen zugeordneten Gegenstands als ein quantifizierbarer geldwerter Vorteil und somit in gewisser Weise als ein Teil der Vergütung angesehen wird, auf die der Begünstigte als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des fraglichen Gegenstands verzichtet hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Medicom und Maison Patrice Alard, C-210/11 und C-211/11, EU:C:2013:479, Rn. 28).
Aus der Rechtsprechung geht nämlich hervor, dass der Begriff des Mietzinses zum Zwecke der Anwendung von Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 nicht im Wege der Analogie ausgelegt werden kann, indem ihm ein geldwerter Vorteil gleichgestellt wird, und dass er das Vorliegen eines in Geld zu entrichtenden Mietzinses voraussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Medicom und Maison Patrice Alard, C-210/11 und C-211/11, EU:C:2013:479, Rn. 29 und 34).
Diese Voraussetzung kann im Fall einer kostenfreien Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, die einer Dienstleistung gegen Entgelt nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 gleichgestellt sein soll, nicht erfüllt sein.
Ein solcher Umsatz fällt daher nicht unter Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112.
Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch darüber hinaus ausdrücklich hervor, dass das Ausgangsverfahren auch die Überlassung eines Fahrzeugs durch QM an einen ihrer Mitarbeiter betrifft, der hierfür während der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Jahre rund 5700 Euro jährlich zahlte, die von seinem Gehalt in Abzug gebracht wurden.
Obwohl diese Leistung vom vorlegenden Gericht in seiner Frage nicht ausdrücklich genannt wurde, erachtet es der Gerichtshof für erforderlich, diesbezüglich ergänzende Ausführungen zu machen.
In einem solchen Fall kann es sich nämlich um eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 handeln, die somit möglicherweise unter Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie fällt, was vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Beweise zu prüfen ist.
Insoweit ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass das Fahrzeug einem Nichtsteuerpflichtigen durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelte, zur Verfügung gestellt wurde und dass es sich um ein „Beförderungsmittel“ im Sinne von Art. 38 der Durchführungsverordnung handelt. Es ist offenkundig auch nicht streitig, dass es sich um eine Überlassung mit einer Dauer von mehr als 30 Tagen handelt und sie somit keine Überlassung über einen „kürzere[n] Zeitraum“ im Sinne von Art. 56 Abs. 3 der Richtlinie 2006/112 darstellt, die vom Anwendungsbereich ihres Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 ausgeschlossen wäre.
Zudem kann, wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Umstand, dass QM nach nationalem Recht in juristischer Hinsicht möglicherweise nicht Eigentümerin des Fahrzeugs ist und es in anderer Eigenschaft vermieten konnte, insbesondere, weil sie über das Fahrzeug im Rahmen eines Leasingvertrags verfügen kann, der Annahme nicht entgegenstehen, dass diese Überlassung eine Vermietung dieses Fahrzeugs nach Art. 56 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 darstellt.
Auch die beiden Umstände, dass die Überlassung des Fahrzeugs nicht Gegenstand eines vom Arbeitsvertrag getrennten Vertrags war und dass die Mietdauer zeitlich nicht genau begrenzt ist, sondern vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses zwischen QM und ihrem Mitarbeiter abhängig ist, würden einer solchen Einstufung nicht entgegenstehen, solange die Dauer gleichwohl 30 Tage übersteigt.
Dagegen ist es Sache des Gerichts, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, zu prüfen, ob zwischen diesen Personen eine „wirkliche Vereinbarung“ über die Dauer des Nutzungsrechts sowie über das Recht, den Gegenstand zu benutzen und andere von ihm auszuschließen, vorhanden ist, wie dies im Bereich des Wohnraums entschieden worden ist (vgl. entsprechend Urteile vom 8. Mai 2003, Seeling, C-269/00, EU:C:2003:254, Rn. 51, und vom 29. März 2012, BLM, C-436/10, EU:C:2012:185, Rn. 29).
Außerdem erfordert es die Voraussetzung, wonach der Mieter dazu befugt sein muss, das Fahrzeug zu nutzen und andere davon auszuschließen, zwar nicht, dass es dem Steuerpflichtigen unmöglich sein muss, die Fahrzeugnutzung zu dienstlichen Zwecken vorzugeben. Wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, beruht sie aber auf der Prämisse, dass das Fahrzeug dem Mitarbeiter dauerhaft auch für seinen privaten Bedarf zur Verfügung bleibt.
Diese Auslegung wird durch die Überlegungen, die den Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 über den Ort der Dienstleistung zugrunde liegen, gestützt, wonach die Besteuerung nach Möglichkeit an dem Ort erfolgt, an dem die Gegenstände verbraucht oder die Dienstleistungen in Anspruch genommen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2019, Srf konsulterna, C-647/17, EU:C:2019:195, Rn. 29); dabei handelt es sich nach Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 um den Ort, an dem der Nichtsteuerpflichtige, dem das Fahrzeug vermietet wird, ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass die Überlassung eines dem Unternehmen des Steuerpflichtigen zugeordneten Fahrzeugs an dessen Arbeitnehmer nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, wenn dieser Umsatz keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Buchst. c darstellt. Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 findet dagegen auf einen solchen Umsatz Anwendung, wenn es sich um eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Buchst. c handelt und der Arbeitnehmer gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer von mehr als 30 Tagen dauerhaft über das Recht verfügt, das Fahrzeug zu privaten Zwecken zu benutzen und andere davon auszuschließen.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20 Januar 2021.
J.-C. Bonichot