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BVerfG 05.02.2025 - 2 BvR 24/25, 2 BvR 69/25
BVerfG 05.02.2025 - 2 BvR 24/25, 2 BvR 69/25 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 2 Abs 2 S 2 GG iVm Art 104 Abs 1 GG durch Fortdauer von Untersuchungshaft - unzureichende Begründung des Fortdauerbeschlusses trotz geringer Verhandlungsdichte - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 104 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 RVG, § 121 Abs 1 StPO, § 122 StPO
Vorinstanz
vorgehend OLG Dresden, 2. Juli 2024, Az: 6 Ws 106/24, Beschluss
Tenor
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1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
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2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Dezember 2024 - 6 Ws 106/24 und 6 Ws 107/24 - verletzt die Beschwerdeführer zu I. und II. in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 des Grundgesetzes.
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3. Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen.
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4. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden, soweit sie über die Entscheidung in der Hauptsache hinausgehen, abgelehnt. Im Übrigen werden sie gegenstandslos.
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5. Der Freistaat Sachsen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
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6. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für jede der Verfassungsbeschwerden auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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A.
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Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Dezember 2024, durch den die Haftbeschwerden der Beschwerdeführer als unbegründet verworfen wurden.
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I.
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1. Aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Chemnitz befinden sich die Beschwerdeführer wegen des dringenden Tatverdachts insbesondere des versuchten Mordes in zehn tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung in Untersuchungshaft, der Beschwerdeführer zu I. seit dem 1. Juli 2023, der Beschwerdeführer zu II. seit dem 14. Juli 2023. Den Beschwerdeführern und einem weiteren Mitangeklagten wird im Wesentlichen vorgeworfen, in Chemnitz in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 2023 auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatentschlusses versucht zu haben, den Geschädigten S. mittels Brandsätzen zu töten, die gegen dessen in einem vierstöckigen und von elf Mietparteien bewohnten Reihenfamilienhaus befindliche Wohnung gerichtet gewesen seien. Als sich jedenfalls einer der mit Tötungsabsicht geworfenen Brandsätze entzündet habe, hätten die Beteiligten die Flucht ergriffen. Das Feuer habe sich derweil unbemerkt ausgebreitet. Hierdurch habe der zum Tatzeitpunkt schlafende Geschädigte S. eine Rauchgasvergiftung erlitten. Während des Brandes hätten sich neun weitere Personen im Wohnhaus befunden. Mit Beschluss vom 23. Januar 2024 ordnete das Oberlandesgericht Dresden im Rahmen der besonderen Haftprüfung die Fortdauer der Untersuchungshaft an.
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2. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz erhob am 1. Februar 2024 wegen der haftbefehlsgegenständlichen Taten Anklage zum Landgericht Chemnitz, das mit Beschluss vom 3. April 2024 das Hauptverfahren eröffnete und die weitere Haftfortdauer anordnete. Der ursprünglich für den 23. April 2024 geplante Beginn der Hauptverhandlung konnte aufgrund nicht rechtzeitig zugestellter Ladungen nicht stattfinden. Einem entsprechenden Antrag der Verteidigung folgend, setzte die Strafkammer das Verfahren aus. Die Vorsitzende bestimmte den neuen ersten Hauptverhandlungstermin auf den 3. Mai 2024, der zuvor als zweiter Fortsetzungstermin vorgesehen gewesen war. Dabei setzte sie zunächst sechs Hauptverhandlungstermine im Zeitraum vom 3. Mai bis 24. Juni 2024 an. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung wurden sukzessive weitere 15 Termine bis zum 17. Dezember 2024, mithin insgesamt 21 Termine bestimmt.
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3. Am 16. beziehungsweise 17. Oktober 2024 beantragten die Verteidiger der Beschwerdeführer im Wege der Haftprüfung die Aufhebung des Haftbefehls und rügten einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz aufgrund zu geringer Terminsdichte. Es hätten bislang lediglich 14 Hauptverhandlungstage stattgefunden, von denen nur einer länger als fünf Stunden gedauert habe. An den übrigen Terminen sei deutlich kürzer verhandelt worden, darunter an drei Terminen sogar weniger als eine Stunde.
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4. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2024 hielt das Landgericht den Haftbefehl aufrecht und ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dem in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebot sei bisher entsprochen worden. Vermeidbare, den Strafverfolgungsorganen anzulastende Verzögerungen lägen nicht vor. Bei dem Verfahren handele es sich um ein komplexes Verfahren. Insbesondere seien während der laufenden Hauptverhandlung Nachermittlungen erforderlich gewesen. Denn am 2. Juli 2024, somit nach dem sechsten Hauptverhandlungstag in dieser Sache, habe die Verteidigung des Beschwerdeführers zu I. der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, ihm sei zugetragen worden, dass die Zeugin R. im Besitz eines "Bekennervideos" von der verfahrensgegenständlichen Tat sei. Aufgrund dieser Mitteilung seien in der Folge seitens der Staatsanwaltschaft mehrere Durchsuchungsbeschlüsse zum Auffinden und zur Beschlagnahme der Mobilfunkgeräte sowie ein Beschluss zur Telekommunikationsüberwachung beantragt und durch die Strafkammer im August und Anfang September 2024 erlassen worden.
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Über diese bis dahin verdeckt erfolgten Ermittlungshandlungen habe die Strafkammer die Verfahrensbeteiligten im Hauptverhandlungstermin am 5. September 2024 informiert und den Verteidigern Kopien der entsprechenden Aktenbestandteile übergeben. Zudem habe die Kammer bekannt gegeben, dass unter anderem die Zeugin R. und der Geschädigte S. im Hinblick auf die nunmehr gewonnenen Erkenntnisse vernommen werden sollten. Von einem zügigen Fortgang und alsbaldigen Abschluss des Verfahrens könne daher ausgegangen werden. Angesichts der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe sei die Untersuchungshaft weiterhin verhältnismäßig.
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5. Den hiergegen seitens der Beschwerdeführer erhobenen Beschwerden half das Landgericht nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht Dresden vor. Dieses bat das Landgericht mit Schreiben vom 29. November 2024 um Erläuterung der geringen Dichte der nach dem 5. September 2024 bestimmten Termine und insbesondere der jeweils nur geringen Verhandlungsdauer. Die Vorsitzende der Strafkammer erklärte daraufhin die geringe Verhandlungsdichte im Wesentlichen mit - nicht näher erläuterten - Ortsabwesenheiten von Schöffen und Kammermitgliedern in den Kalenderwochen 40 bis 43 sowie Verhandlungsterminen in anderer Sache in den Kalenderwochen 44 und 48. In den Kalenderwochen 45 bis 47 sowie 49 und 50 hätten angebotene Termine von den Verteidigern nicht wahrgenommen werden können. Die Vorsitzende wies zudem darauf hin, dass nach Ansicht eines der Verteidiger im Hinblick auf die Nachvernehmung der Zeugin R. und des Geschädigten S. "eine Unterbrechung des Verfahrens erforderlich" sein könnte. Daher habe die Vorsitzende angekündigt, "zur Abwendung eines Aussetzungserfordernisses" am 5. September 2024 nicht weiter zu verhandeln und mit den Nachvernehmungen des Geschädigten S. nicht vor dem 1. November 2024 und der Zeugin R. nicht vor dem 22. November 2024 zu beginnen. Die Vorsitzende teilte dem Oberlandesgericht zudem mit, dass weitere Fortsetzungstermine auf den 7., 8. und 28. Januar 2025 sowie 7., 10. und 14. Februar 2025 bestimmt worden seien.
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6. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2024 verwarf das Oberlandesgericht die Beschwerden als unbegründet. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:
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Ein zur Aufhebung des Haftbefehls führender Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen liege entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht vor. Verhandlungsdichte und -intensität der seit dem 3. Mai 2024 andauernden Hauptverhandlung entsprächen zwar nicht den Vorgaben, die grundsätzlich bei längeren Hauptverhandlungen in Haftsachen zur Wahrung des besonderen Beschleunigungsgebots zu beachten seien. Gleichwohl beschränke sich die Frage, ob das Beschleunigungsgebot verletzt sei, nicht auf die mathematische Auswertung der entsprechenden Statistik. Vielmehr seien auch die Gründe für die konkrete Verfahrensausgestaltung in den Blick zu nehmen.
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Die rein statistische Auswertung des dem Senat mit den Verfahrensakten vorgelegten und bis einschließlich 1. November 2024 reichenden Protokollentwurfs, der damit fast exakt sechs Monate Hauptverhandlung umfasse, ergebe Folgendes:
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Durchgeführte Verhandlungstage:
16
Effektive Verhandlungsdauer:
34 Stunden
Durchschnitt Verhandlungstage je Monat:
2,67
Durchschnitt Verhandlungsdauer je Termin:
2,125 Stunden
Durchschnitt Verhandlungsdauer je Monat:
5,67 Stunden
Wochendurchschnitt Verhandlungstage:
0,615
Wochendurchschnitt Verhandlungsdauer:
1,3 Stunden
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Differenziert nach Monaten stellten sich Verhandlungsdichte und -intensität wie folgt dar:
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Mai 2024
4 Tage
13 Stunden 47 Minuten
Juni 2024
2 Tage
10 Stunden 35 Minuten
Juli 2024
2 Tage
1 Stunde 45 Minuten
August 2024
2 Tage
1 Stunde 20 Minuten
September 2024
3 Tage
7 Stunden 35 Minuten
Oktober 2024
2 Tage
1 Stunde 52 Minuten
November 2024
1 Tag
1 Stunde 5 Minuten
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Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 3. Mai 2024 sei nicht gegeben. Die Hauptverhandlung sei - abgesehen von einzelnen Zeugenverhinderungen - bis zum fünften Verhandlungstag am 20. Juni 2024 weitgehend programmgemäß verlaufen, insbesondere seien 21 Zeugen vernommen worden. Der Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes stehe nicht entgegen, dass die Verhandlungstage zeitlich nicht in vollem Umfang ausgenutzt worden seien. Die Dauer von Zeugenvernehmungen sei meist schwer zu prognostizieren. Anhaltspunkte für eine ersichtlich zu geringe Ladungsdichte bestünden nicht. Eine vorsorgliche "Überbuchung" der Verhandlungstage mit Zeugen verlange auch das Beschleunigungsgebot nicht. Die fehlende volle Nutzung der zur Verfügung stehenden Verhandlungszeit bei zugleich erfolgter Erledigung des vorgesehenen Beweisprogramms sei daher lediglich Ausfluss der auch bei sorgfältiger Terminplanung verbleibenden Unwägbarkeiten. Am 20. Juni 2024 habe die Verhandlung indes während der Vernehmung des fünften und letzten Zeugen des Tages aufgrund einer Erkrankung des Mitangeklagten A. vorzeitig abgebrochen werden müssen.
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Im Zusammenhang mit weiteren Ereignissen habe die vorübergehende Erkrankung des Mitangeklagten A. dazu geführt, dass der bis dahin weitgehend verwirklichte Verhandlungsfahrplan obsolet geworden sei. Die nach dem 24. Juni 2024 und bis vor dem 5. September 2024 durchgeführten insgesamt vier Verhandlungstermine seien überwiegend von der Verlesung von Urkunden und Schriftstücken geprägt und mit effektiven Verhandlungszeiten zwischen 20 Minuten und einer Stunde jeweils nur kurz gewesen. Der Termin am 5. September 2024 habe neben der Offenlegung der verdeckten Nachermittlungen, der Erörterung der neuen Situation und der Abstimmung weiterer Termine der Verlesung eines Dokuments gedient und zwei Stunden und 50 Minuten in Anspruch genommen. Diese mit den üblicherweise bezüglich Verhandlungsdichte und -intensität in Haftsachen bestehenden Vorgaben nicht vereinbare Verfahrensgestaltung sei hier vor dem Hintergrund erfolgt, dass einerseits das ursprünglich vorgesehene Beweisprogramm bereits weitgehend abgearbeitet gewesen, andererseits jedoch Zeit für erforderliche und zunächst notwendigerweise verdeckt geführte Nachermittlungen benötigt worden sei. Da es sich zudem nicht um ursprünglich versäumte, sondern um erst aufgrund nachträglicher Informationen erforderlich gewordene Nachermittlungen gehandelt habe, liege in dieser Vorgehensweise kein Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen.
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Bis zum 29. Oktober 2024 hätten dann insgesamt vier weitere Verhandlungstermine stattgefunden, die eine effektive Verhandlungsdauer zwischen 55 Minuten und zwei Stunden und 50 Minuten aufgewiesen und neben dem Abschluss einer bereits zuvor begonnenen Zeugenvernehmung in Erledigung von Beweisanträgen der Verteidigung eine weitere Zeugenvernehmung sowie die Verlesung weiterer Dokumente zum Inhalt gehabt hätten. Die geringe Verhandlungsdichte und -intensität in dem Zeitraum nach dem 5. September 2024 sei dabei Ergebnis des Zusammenspiels mehrerer Faktoren. Das ursprüngliche Beweisprogramm sei bereits weitgehend abgearbeitet gewesen, die Verteidigung habe Vorbereitungszeit insbesondere für die nach dem Ergebnis der Nachermittlungen erforderlichen Vernehmungen der Zeugin R. und (erneut) des Geschädigten S. benötigt, von dem sich herausgestellt habe, dass er in Wirklichkeit M. heiße. Die Bestimmung weiterer Verhandlungstermine sei dadurch erschwert gewesen, dass in unterschiedlichem Ausmaß bei allen Verfahrensbeteiligten einschließlich der Schöffen bereits terminliche Verhinderungen bestanden hätten. Letzteres sei ein Faktor, dem bei eher kurzfristig notwendig werdenden Fortsetzungsterminen größeres Gewicht zukomme als bei langfristigen Terminplanungen, weil auch die Zahl zugunsten einer Haftsache zumutbar zurückstellbarer anderer Terminverpflichtungen abnehme. Die als Ergebnis der Abwägung der verschiedenen Faktoren und berechtigten Interessen getroffene Entscheidung, die Vernehmungen der beiden mutmaßlich zentralen Zeugen R. und M. erst am 1. und 22. November 2024, dem 16. und 17. Hauptverhandlungstag, vorzunehmen, lasse deshalb einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nicht erkennen. Da bis zum 1. November 2024 mit Ausnahme der vom Handy der Zeugin R. stammenden Chatnachrichten, die nachfolgend noch verzögerungsfrei zum Gegenstand eines Selbstleseverfahrens gemacht worden seien, alle anderen aus Sicht der Kammer vorzunehmenden Beweiserhebungen bereits durchgeführt gewesen seien, verstoße die geringe Verhandlungsintensität in diesem Zeitraum ebenfalls nicht gegen das Beschleunigungsgebot.
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Schließlich lasse auch der nach dem angegriffenen Beschluss vom 29. Oktober 2024 liegende Verfahrensablauf keinen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot erkennen. Die am 1. November 2024 begonnene Vernehmung des Zeugen M. habe aufgrund einer Kombination aus wegen terminlicher Beschränkungen der Verteidigung ohnehin nur bis 12 Uhr angesetzter Verhandlungsdauer und einem den Verhandlungsbeginn verzögernden medizinischen Notfall bei einem der Verteidiger bereits nach einer Stunde und fünf Minuten abgebrochen werden müssen. Die Zeugenvernehmungen hätten jedoch am 22. November 2024 abschließend durchgeführt werden können, wonach die Strafkammer eine beabsichtigte Schließung der Beweisaufnahme für den 29. November 2024 angekündigt habe. Bis einschließlich 29. November 2024 seien vor dem Hintergrund auch der aus den letzten Vernehmungen gewonnenen Erkenntnisse seitens der Verteidigung weitere Beweisanträge gestellt, seitens des Gerichts rechtliche Hinweise erteilt und seitens des Mitangeklagten A. eine seine und der Beschwerdeführer Tatbeiträge beschreibende Einlassung abgegeben worden, worauf auch der Beschwerdeführer zu II. eine - jedoch frühestens am 5. Dezember 2024 erfolgende - Einlassung angekündigt habe. Dass aufgrund dieser Entwicklung vorsorglich weitere Fortsetzungstermine bestimmt worden seien, sei sachlich gerechtfertigt. Anlass zu der Annahme, dem Landgericht sei nicht bewusst gewesen, dass die Anforderungen des besonderen Beschleunigungsgebots mit zunehmender, hier dann bereits 18 Monate überschreitender Dauer der Untersuchungshaft stiegen und bei allen Verfahrensbeteiligten erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung angenommener Verhinderungen durch anderweitige Verpflichtungen begründeten, bestünden nicht.
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II.
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Die Beschwerdeführer sehen sich in ihrem Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG) und ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt und haben die Aufhebung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Dezember 2024 beantragt. Wegen der Eilbedürftigkeit der Sache und zur Abwehr schwerer Nachteile für die Beschwerdeführer haben sie darüber hinaus den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend beantragt, den im ursprünglichen Haftbeschwerdeverfahren angefochtenen Haftbefehl des Landgerichts Chemnitz vom 23. April 2024 bis zu einer erneuten Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden über dessen Aufhebung außer Vollzug zu setzen. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ausgeführt:
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1. Die Verhandlungsdichte erfülle die verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine hinreichend dichte Terminierung nicht. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zu I. sei im Zeitraum vom 3. Mai 2024 bis zum 17. Dezember 2024 an nur 21 Tagen verhandelt worden, folglich durchschnittlich an nur 2,6 Tagen pro Monat, was einem Wochenschnitt von 0,65 Tagen entspreche. Nach den Berechnungen des Beschwerdeführers zu II., der zusätzlich die weiteren Hauptverhandlungstage vom 7. und 8. Januar 2025 in seine Berechnung einbezogen hat, sei durchschnittlich lediglich an 2,7 Tagen pro Monat verhandelt worden, was einem Wochenschnitt von 0,66 Tagen entspreche. Darüber hinaus sei lediglich am 20. Juni 2024 netto länger als fünf Stunden verhandelt worden, während an drei Tagen weniger als eine Stunde verhandelt und an 13 Tagen netto unter drei Stunden verhandelt worden sei. Lediglich an fünf Tagen sei mehr als drei Stunden verhandelt worden. Des Weiteren sei auf den geringen Verhandlungsumfang an den einzelnen Hauptverhandlungsterminen hinzuweisen. Besonders auffällig sei die kurze Verhandlungsdauer zur Verlesung der Urkunden, die ursprünglich im Rahmen des Selbstleseverfahrens hätten eingeführt werden sollen.
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Der Beschluss des Oberlandesgerichts zeige keine besonderen Umstände auf, die ausnahmsweise - trotz der ungenügenden Verhandlungsdichte - die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen könnten. Vielmehr stelle das Oberlandesgericht selbst klar, dass die Verhandlungsdichte und -intensität der seit dem 3. Mai 2024 andauernden Hauptverhandlung nicht dem Beschleunigungsgebot entspreche. Soweit die Vorsitzende der Strafkammer mitgeteilt habe, dass Kammermitglieder in den Kalenderwochen 40 bis 43 "ortsabwesend" gewesen seien und die Kammer deshalb nur kurz oder überhaupt nicht habe verhandeln können, seien nähere Umstände nicht mitgeteilt worden. Auch soweit für die 45. bis 50. Kalenderwoche auf Terminschwierigkeiten der Verteidiger verwiesen werde, fehlten Ausführungen dazu, welche und wie viele Termine die Kammer angeboten habe. Zudem habe die Verteidigung der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt Termine abgelehnt. Soweit nach dem 17. Dezember 2024 nunmehr weitere Termine vereinbart worden seien, habe die Verteidigung der Beschwerdeführer ausdrücklich angeboten, zwischen den Jahren zu verhandeln.
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2. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat davon aber keinen Gebrauch gemacht.
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3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Landgerichts Chemnitz - 2 KLs 253 Js 24259/23 jug - (Stand: 30. Januar 2025) vorgelegen.
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B.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig und - in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eröffnenden Weise - auch offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
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I.
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Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Dezember 2024 verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG.
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1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann die Freiheit der Person und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 190>; 109, 133 157>; 128, 326 372>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 52).
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Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts. Eingriffe in die persönliche Freiheit auf diesem Gebiet dienen vor allem dem Schutz der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 219>; 45, 187 223>; 58, 208 224 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 53); zugleich haben die gesetzlichen Eingriffstatbestände freiheitsgewährleistende Funktion, da sie die Grenzen zulässiger Einschränkung der Freiheit der Person bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juni 2018 - 2 BvR 631/18 -, Rn. 31; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 53).
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a) Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist daher stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten. Grundsätzlich darf nur einem rechtskräftig Verurteilten die Freiheit entzogen werden. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 347>; 74, 358 370 f.>), nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 19, 342 347>; 20, 45 49 f.>; 36, 264 270>; 53, 152 158 f.>; BVerfGK 15, 474 479>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 54).
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b) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig von der Straferwartung Grenzen (vgl. BVerfGE 20, 45 49 f.>). Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft (vgl. BVerfGE 36, 264 270>; 53, 152 158 f.>). Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu (vgl. BVerfGK 7, 140 161>; 15, 474 480>; 17, 517 522>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 -, Rn. 40).
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Im Rahmen der von den Fachgerichten vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des Betroffenen und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit ist die Angemessenheit der Haftfortdauer anhand objektiver Kriterien des jeweiligen Einzelfalles zu prüfen; insofern sind in erster Linie die Komplexität der einzelnen Rechtssache, die Vielzahl der beteiligten Personen und das Verhalten der Verteidigung von Bedeutung. Der Vollzug der Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Beginn der Hauptverhandlung oder dem Erlass des Urteils wird dabei auch unter Berücksichtigung der genannten Aspekte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 56 m.w.N.).
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c) Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (vgl. BVerfGE 20, 45 50>; 36, 264 273>). An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig (vgl. BVerfGK 7, 21 46 f.>; 7, 140 157>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, Rn. 49 ff.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 57).
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d) Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und zur Sicherstellung der Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft dann nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch Verfahrensverzögerungen verursacht ist, die ihre Ursache nicht in dem konkreten Strafverfahren haben. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen (vgl. BVerfGK 15, 474 480>; 17, 517 523>). Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermögen bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang andauernden Untersuchungshaft zu dienen (vgl. BVerfGK 7, 140 156>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 58).
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e) Da der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 65>; 63, 131 143>), unterliegen Haftfortdauerentscheidungen einer erhöhten Begründungstiefe (vgl. BVerfGE 103, 21 35 f.>; BVerfGK 7, 140 161>; 10, 294 301>; 15, 474 481>; 19, 428 433>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 60). In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrem Gewicht verschieben können (vgl. BVerfGK 7, 140 161>; 10, 294 301>; 15, 474 481>; 19, 428 433>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 60). Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 429 f.>; 8, 1 5>; 15, 474 481 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2019 - 2 BvR 2429/18 -, Rn. 60). Eine Überprüfung der fachgerichtlichen Entscheidung auf die zutreffende Anwendung einfachen Rechts nimmt das Bundesverfassungsgericht hingegen ausschließlich im Rahmen des Willkürverbots vor (vgl. BVerfGE 18, 85 92 f.>; 65, 317 322>; stRspr).
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2. Diesen Vorgaben genügt der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts nicht. Er zeigt keine besonderen Umstände auf, die die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft im Streitfall verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen lassen könnten, und wird damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Haftfortdauerentscheidungen nicht gerecht.
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a) Das Oberlandesgericht selbst weist zunächst zutreffend darauf hin, dass Verhandlungsdichte und -intensität der Strafkammer den - auch aus verfassungsrechtlichen Gründen - grundsätzlich an die Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes zu stellenden Anforderungen nicht entsprechen. Das Landgericht hat in jedem der vom Oberlandesgericht in den Blick genommenen Betrachtungszeiträume weit weniger als an durchschnittlich einem Tag pro Woche verhandelt, bis zum avisierten Ende der Hauptverhandlung am 14. Februar 2025 an nur 27 Tagen innerhalb von 41 Wochen und damit an 0,66 Tagen pro Woche. Die Verhandlungsdichte sinkt noch weiter, wenn man - wie die Beschwerdeführer in ihren Aufstellungen darlegen - die fünf Sitzungstage vom 31. Juli, 9. August, 4. Oktober, 23. Oktober 2024 und 7. Januar 2025 nicht einbezieht, an denen zwar Urkunden verlesen beziehungsweise Zeugen vernommen wurden, jedoch weniger als eine Stunde verhandelt und das Verfahren dadurch nicht entscheidend gefördert wurde (vgl. BVerfGK 7, 21 46 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 -, Rn. 52). Angesichts der gegebenen Terminsfrequenz hätte für das Oberlandesgericht Anlass dazu bestanden zu prüfen, ob die Strafkammer ihrer Aufgabe einer vorausschauenden straffen Hauptverhandlungsplanung bei einem - wie hier - umfangreichen Verfahren hinreichend nachgekommen ist (vgl. BVerfGK 7, 21 46>; 7, 140 158>).
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b) Eine tragfähige Begründung, die die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft trotz der geringen Verhandlungsdichte und -intensität - ausnahmsweise - rechtfertigen könnte, enthält der angegriffene Beschluss indes nicht. Dabei kann dahinstehen, ob sich die mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben bezüglich Verhandlungsdichte und -intensität in Haftsachen grundsätzlich nicht zu vereinbarende Verfahrensgestaltung vom 24. Juni 2024 bis zum 5. September 2024 im Streitfall noch damit rechtfertigen ließe, dass aufgrund nachträglicher Informationen in erheblichem Umfang Nachermittlungen erforderlich wurden, deren Ergebnisse erst abgewartet werden mussten. Denn jedenfalls verletzen die seit dem 5. September 2024 durchgehend unterbliebenen Bemühungen um eine Kompensation der eingetretenen Verfahrensverzögerung das Beschleunigungsgebot in Haftsachen (vgl. BVerfGK 12, 166 168>; dazu Gericke, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, § 121 Rn. 22a; Böhm, in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 2023, § 121 Rn. 52).
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aa) Dem angegriffenen Beschluss lässt sich nicht nachvollziehbar entnehmen, warum im Zeitraum vom 5. September bis zum 1. November 2024 ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nicht vorliegen soll, obwohl doch - wie das Oberlandesgericht selbst ausführt - mit Ausnahme der vom Handy der Zeugin R. stammenden Chatnachrichten, die in der Folge noch verzögerungsfrei zum Gegenstand eines Selbstleseverfahrens gemacht worden seien, alle anderen aus Sicht der Strafkammer vorzunehmenden Beweiserhebungen bereits durchgeführt gewesen waren. Der vage Hinweis auf die von der Verteidigung benötigte - für sich allein als Rechtfertigung offenbar auch aus Sicht des Oberlandesgerichts nicht ausreichende - Vorbereitungszeit insbesondere bezüglich der nach dem Ergebnis der Nachermittlungen erforderlichen Vernehmungen der Zeugin R. und (erneut) des Geschädigten S. genügt hier nicht. Die vom Oberlandesgericht insoweit weiter in den Blick genommenen terminlichen Verhinderungen "bei allen Verfahrensbeteiligten einschließlich der Schöffen" führen zu keinem anderen Ergebnis. Ersichtlich stellt das Oberlandesgericht insoweit auf die Mitteilung der Vorsitzenden der Strafkammer vom 29. November 2024 ab, nach der aufgrund mehrerer Ortsabwesenheiten von Schöffen oder Kammermitgliedern im Oktober 2024 entweder überhaupt nicht oder nur in deutlich eingeschränktem Umfang habe verhandelt werden können. Dabei hat sich das Oberlandesgericht nicht mit der Frage befasst, ob diese Ortsabwesenheiten und die damit verbundenen, bei nur zwei Terminen mit einer Länge von jeweils weniger als einer Stunde und nur einer Zeugenvernehmung sowie Urkundenverlesung beträchtlichen Unterbrechungszeiten über einen Zeitraum von mehr als einem Monat durch zwingende und nicht der Justiz anzulastende Gründe (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, Rn. 53) veranlasst waren, was sich der Mitteilung der Vorsitzenden der Strafkammer im Übrigen auch nicht entnehmen lässt.
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bb) Soweit einer Terminierung im November und Dezember 2024 nach der Mitteilung der Vorsitzenden der Strafkammer vom 29. November 2024 Verhinderungen eines oder mehrerer Verteidiger entgegenstanden, vermag im Übrigen auch dies eine unzureichende Terminsdichte im Grundsatz nicht zu rechtfertigen. Kollidiert wegen Terminschwierigkeiten des Verteidigers das Recht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung von dem Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu werden, mit seinem Recht auf zeitliche Begrenzung der Untersuchungshaft, so kann die Terminslage der Verteidigung nur insoweit berücksichtigt werden, wie dies nicht zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führt. Das Hinausschieben der Hauptverhandlung wegen Terminschwierigkeiten der Verteidiger ist - auch wenn das Recht, sich vom Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, Verfassungsrang hat (vgl. BVerfGE 39, 156 163>) - kein Umstand, der eine erhebliche Verzögerung rechtfertigen könnte (vgl. BVerfGK 10, 294 306>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 2020 - 2 BvR 225/20 -, Rn. 74). Zwar zog die Strafkammer jedenfalls in Bezug auf zwei Termine in der 45. und 46. Kalenderwoche die Vertretung der betroffenen Angeklagten durch sogenannte "Terminsverteidiger" oder "einen (bisher nicht am Verfahren näher beteiligten) dritten Verteidiger" im Ausgangspunkt zutreffend in Erwägung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 2020 - 2 BvR 225/20 -, Rn. 74). Zu den weiteren Terminen in der 47. bis 50. Kalenderwoche, in denen überwiegend keine Beweisaufnahme stattfand, verhalten sich aber weder die Vorsitzende der Strafkammer noch das Oberlandesgericht. Soweit in den Monaten November und Dezember 2024 jeweils an drei Tagen mit nennenswerter Dauer und Inhalt verhandelt wurde, mag darin zwar eine Erhöhung der Verhandlungsdichte und -intensität erblickt werden können. Diese ist allerdings nicht im Ansatz geeignet, die erhebliche, bereits eingetretene Verfahrensverzögerung auszugleichen.
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cc) Das Oberlandesgericht hat es schließlich versäumt, die ihm bekannte und damit absehbare weitere Planung der Hauptverhandlung in den Monaten Januar und Februar 2025 einer am Maßstab des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebots orientierten Betrachtung zu unterziehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. September 2007 - 2 BvR 1850/07 -, Rn. 5 m.w.N.; Böhm, in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl. 2023, § 121 Rn. 52a). Hierzu bestand besonderer Anlass, denn auch die laut Mitteilung der Vorsitzenden der Strafkammer vorgesehenen weiteren Hauptverhandlungstage erreichen mit sechs Terminen in sieben Wochen und einer weiteren Verhandlungspause von knapp drei Wochen nicht das verfassungsrechtlich geforderte Mindestmaß von mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche (vgl. BVerfGK 7, 21 46 f.>; 7, 140 157>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2008 - 2 BvR 2652/07 -, Rn. 52). Zudem lagen - auch nach Maßgabe der eingesehenen Akte - keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verhandlungstermine im Januar und Februar 2025 - jedenfalls teilweise - wegen des bevorstehenden Erlasses eines Urteils möglicherweise entbehrlich werden könnten. Im Ergebnis ist damit dem Oberlandesgericht aus dem Blick geraten, dass auch in den Monaten Januar und Februar 2025 mit jeweils drei Verhandlungstagen weder die von Verfassungs wegen erforderliche Terminsdichte erreicht, geschweige denn die bereits eingetretene Verfahrensverzögerung ansatzweise ausgeglichen wird.
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II.
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Es ist daher gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Dezember 2024 die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG verletzt. Der Beschluss ist unter Zurückverweisung der Sache aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Das Oberlandesgericht wird unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut über die Haftfortdauer zu entscheiden haben.
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III.
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Soweit die Beschwerdeführer begehren, den Haftbefehl im Wege der einstweiligen Anordnung über den Zeitpunkt der verfassungsgerichtlichen Entscheidung hinaus bis zu einer neuen Entscheidung des Oberlandesgerichts außer Vollzug zu setzen, ist ihr Antrag unzulässig. Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 32 BVerfGG können grundsätzlich keine Rechtsfolgen festgesetzt werden, die über das in der verfassungsgerichtlichen Hauptsache Erreichbare hinausgehen (vgl. BVerfGE 7, 99 105>; BVerfGK 1, 32 37>). Im Übrigen erledigen sich mit der Entscheidung in der Hauptsache die Anträge der Beschwerdeführer auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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C.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit stützt sich auf § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsrechtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 368 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Januar 2011 - 1 BvR 1671/10 -, Rn. 8). Im Hinblick auf die objektive Bedeutung der Sache ist ein Gegenstandswert von 10.000 Euro angemessen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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