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BVerfG 11.12.2024 - 1 BvR 1426/24
BVerfG 11.12.2024 - 1 BvR 1426/24 - Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes bzgl einer unzureichenden Gewährung diplomatischen Schutzes zugunsten eines im Ausland inhaftierten Journalisten - offensichtliche Verletzung der Rechtsschutzgarantie durch zu enge Auslegung des Kriteriums der Wiederholungsgefahr
Normen
Art 2 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2 GG, Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 1 Ss 2 KonsG, § 7 KonsG, § 124 Abs 2 VwGO
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 2. Mai 2024, Az: OVG 9 N 70/23, Beschluss
vorgehend VG Berlin, 16. Mai 2023, Az: VG 34 K 183/20, Urteil
Tenor
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1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Mai 2023 - VG 34 K 183/20 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Mai 2024 - OVG 9 N 70/23 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes, soweit das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen und das Oberverwaltungsgericht den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt hat. In diesem Umfang werden die Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht Berlin zurückverwiesen.
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2. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu zwei Dritteln zu erstatten.
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsangehöriger, begehrt verschiedene gerichtliche Feststellungen, die im Kern zum Inhalt haben, die Bundesrepublik Deutschland habe ihm während einer viermonatigen Haft in Venezuela weder hinreichenden diplomatischen Schutz noch ausreichende konsularische Betreuung gewährt.
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1. Er ist freier Journalist und als solcher in erster Linie in Krisen- und Kriegsgebieten im Ausland tätig. Seine Berichte und Reportagen veröffentlicht er vor allem in sozialen Netzwerken, Videoportalen im Internet sowie in der Wochenzeitung "Junge Freiheit" und dem "Deutschland magazin".
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Bereits während des syrischen Bürgerkrieges in den Jahren 2012/2013 wurde er für mehrere Monate durch das syrische Regime inhaftiert, bevor er aufgrund von Bemühungen seitens der Bundesrepublik und Russlands freigelassen wurde. Weitere im Zusammenhang mit seiner journalistischen Tätigkeit stehende Festnahmen und kurzzeitige Inhaftierungen erfolgten etwa im Libanon (2013), Ägypten (2014) und der Türkei (2021).
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Im Rahmen eines Aufenthalts in Venezuela wurde er am 17. November 2018 von den venezolanischen Sicherheitskräften festgenommen. Es folgte eine Anklageerhebung vor einem Militärgericht sowie eine Untersuchung unter den Vorwürfen "Spionage", "Rebellion" und "Verletzung von Sicherheitszonen". Am 19. November 2018 wurde er in eine Haftanstalt des venezolanischen Geheimdienstes nach Caracas überstellt. Noch am selben Tag erhielt die deutsche Botschaft in Caracas durch Dritte Kenntnis von der Inhaftierung. Der erste Haftbesuch durch die deutsche Botschaft fand am 9. Januar 2019 statt. Am 15. März 2019 wurde der Beschwerdeführer schließlich aus der Haft entlassen und verließ zwei Tage später das Land.
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2. Der Beschwerdeführer erhob am 2. Mai 2020 Klage bei dem Verwaltungsgericht Berlin und beantragte,
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"1. festzustellen, dass die Beklagte das aus seinem Staatsbürgerschaftsrecht wie aus den Grundrechten fließende Recht auf angemessenen diplomatischen Schutz im Ausland verletzt hat, indem sie es während seiner gesamten Gefangenschaft in der Bolivarischen Republik Venezuela zwischen dem 17. November 2018 und dem 15. März 2019 unterlassen hat,
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a) öffentlich gegen seine Inhaftierung zu protestieren sowie
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b) jemals von der Bolivarischen Republik Venezuela seine Freilassung zu verlangen.
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2. festzustellen, dass die Beklagte sein Recht auf hinreichende, angemessene und pflichtgemäße konsularische Betreuung in ausländischer Haft sowie insbesondere auf hinreichenden Rechtsschutz (§ 1 2. Spiegelstrich, § 7 Konsulargesetz) dadurch verletzt hat, dass sie
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a) nach Kenntnisnahme von seiner Gefangennahme noch insgesamt 11 Tage lang seinen Angehörigen den Eindruck vermittelt hat, sie habe bislang noch keine Kenntnis von dem Fall,
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b) es unterlassen hat, die seinerseits dringend benötigten Medikamente gegen das Dengue-Fieber, sei es in Venezuela, sei es in Deutschland, zu beschaffen, und es weiter unterlassen hat, wenigstens zu versuchen, ihm diese Medikamente auf geeignetem Wege in der Haft zukommen zu lassen,
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c) den ersten Konsularbesuch bei ihm in der Haft nicht unverzüglich, sondern erst 52 Tagen nach Kenntniserlangung von seiner Gefangennahme durchgeführt hat,
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d) es unterlassen hat, seine Zeitungsartikel, die er in seinem offenbar bevorstehenden Strafverfahren dringend benötigt hätte, um seine Journalisteneigenschaft zu beweisen und um sich gegen den Vorwurf der Spionage zu verteidigen, ihm in der Haft zur Verfügung zu stellen, indem sie es unterließ, der Wochenzeitung 'Junge Freiheit', die diese Artikel bereits zusammengestellt hatte und für ihn bereithielt, entgegen deren wiederholten Ansinnen in geeigneter Weise bei der Versendung dieser Zeitungsartikel nach Venezuela Hilfe zu leisten, und es insbesondere abgelehnt unterlassen [sic] hat, diese Artikel mit Hilfe eines Kuriers des Auswärtigen Amtes zuverlässig von Deutschland nach Venezuela transportieren zu lassen,
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e) ihm gegenüber durch die Chefin der Abteilung Rechts- und Konsularwesen der deutschen Botschaft in Venezuela während der gesamten, 119-tägigen Haftzeit daran festgehalten hat, man habe bei der deutschen Botschaft keinerlei Kenntnisse vom venezolanischen Recht und könne ihm daher keinerlei Auskünfte darüber geben, wie der Rechtsbegriff 'Spionage' im venezolanischen Recht definiert werde oder unter welchen Umständen ein Zivilist vor einem Militärtribunal angeklagt werden dürfe, und ihm dadurch jegliche Möglichkeit vorenthielt, sich in geeigneter Weise rechtlich auf das anstehende Verfahren vorzubereiten,
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f) es in genauer Kenntnis des Umstandes, dass der für ihn seitens der Beklagten zwecks seiner Ausreise aus Venezuela ausgestellte Notpass keinen Einreisestempel enthielt, ablehnte, ihn anlässlich seiner Ausreise aus Venezuela nicht nur bis zum Flughafen, sondern dort auch durch die Migrationskontrolle und bis ins Flugzeug weiter zu begleiten, und ihn dadurch der Gefahr aussetzte, erneut festgenommen zu werden."
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3. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich der Anträge zu 1 a) und b) sowie 2 d) und e) bereits unzulässig. Sofern - wie hier - ein bereits erledigtes Rechtsverhältnis streitgegenständlich sei, bedürfe es eines qualifizierten Feststellungsinteresses. Hieran mangele es vorliegend jedoch. Insbesondere sei eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben. Es sei weder dargelegt noch ersichtlich, dass ein vergleichbarer Sachverhalt unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen Umständen eintreten könne. Zudem beträfen die in Rede stehenden Feststellungsanträge auch keine Maßnahmen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigt hätten, dass kein Rechtsschutz in der Hauptsache zu erlangen gewesen wäre. Bei einer Rechtsverfolgung im Wege der Leistungsklage vor dem Verwaltungsgericht hätte sich keines der betreffenden Begehren nach dem typischen Geschehensablauf erledigt, bevor hierüber in der Hauptsache entschieden worden wäre. Es lasse sich schon keine dahingehende Typik feststellen, dass ausländische Regime inhaftierte Deutsche innerhalb eines Zeitraums von wenigen Monaten freiließen oder sich entsprechende Klagebegehren aus sonstigen Gründen innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums erledigten. Hinsichtlich der Feststellungsanträge zu 2 a) bis c) und f) sei ein Feststellungsinteresse zwar gegeben und die Klage auch im Übrigen zulässig. Sie sei jedoch nicht begründet. Die Bundesrepublik habe ihre entsprechenden Pflichten zur konsularischen Betreuung nicht verletzt.
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4. Mit dem angegriffenen Beschluss lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Das Vorbringen wecke nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Richtigkeitszweifel. Dies gelte zunächst insoweit, als das Verwaltungsgericht einen Teil der Klage mangels Feststellungsinteresses bereits als unzulässig abgewiesen habe. Für die Annahme einer Wiederholungsgefahr genüge es nicht, dass sich der Beschwerdeführer darauf berufe, sich auch in Zukunft als Journalist im Ausland in Situationen zu begeben, die die Gefahr einer erneuten Verhaftung mit sich brächten. Ein im Wesentlichen gleicher Sachverhalt sei indes nicht absehbar. Soweit der Beschwerdeführer ein Feststellungsinteresses auch hinsichtlich eines Geschehens geltend mache, das sich typischerweise so kurzfristig erledige, dass verwaltungsgerichtlicher Hauptsacherechtsschutz nicht zu erlangen sei, greife auch dies nicht durch. Für das Unterlassen eines öffentlichen Protests gegen die Verhaftung eines Deutschen im Ausland sowie der Forderung seiner Freilassung sei eine entsprechende Typik nicht festzustellen. Soweit sich der Beschwerdeführer schließlich gegen den die Klage als unbegründet abweisenden Teil des Urteils wende, setze sich der Zulassungsantrag mit den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils nicht substantiiert auseinander.
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II.
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Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch die im Rubrum aufgeführten Entscheidungen.
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1. Seine Grundrechte auf Würde, Leben, körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, Freiheit und Pressefreiheit seien durch den Staat Venezuela und die Deutsche Bundesregierung verletzt worden. Die deutschen Behörden hätten nicht alle Möglichkeiten unternommen, seine Freilassung zu erreichen. Insbesondere sei weder gegen seine Inhaftierung protestiert noch seine Freilassung gefordert worden. In zahlreichen vergleichbaren Fällen von im Ausland inhaftierten Journalisten sei das Auswärtige Amt ganz anders verfahren. Besonders hervorzuheben sei zudem der Fall eines 2018 wegen eines Bombenanschlags angeklagten und mittlerweile verurteilten venezolanischen Oppositionspolitikers, der zeitgleich mit ihm in derselben Haftanstalt inhaftiert gewesen sei. Für dessen Freilassung und Unversehrtheit habe sich die Bundesregierung sowohl öffentlich als auch nicht öffentlich eingesetzt. Dass dies in seinem Fall nicht geschehen sei, verstoße gegen das Willkürverbot und den allgemeinen Gleichheitssatz.
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2. Zudem hätten ihm sowohl das Verwaltungs- als auch das Oberverwaltungsgericht unter Berufung auf fernliegende Formalien eine Entscheidung in der Sache verwehrt. Es sei argumentiert worden, dass er seine Klage bereits während seiner Haft in Venezuela hätte erheben können und sich sein Anliegen mit der Haftentlassung erledigt habe. Dass ihm eine Klagerhebung aus der Haft unmöglich gewesen sei, sei hingegen unberücksichtigt geblieben. Zudem hätten die Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Caracas bis zuletzt den Eindruck vermittelt, alles für seine Freilassung getan zu haben. Deshalb habe er zunächst keinen Grund gehabt, die Konfrontation zu suchen. Das gesamte Ausmaß der Untätigkeit habe er erst nach seiner Freilassung erkannt, weshalb er auch erst dann Klage erhoben habe. Ferner sei eine Wiederholungsgefahr verneint worden, obwohl er hinreichend belegt habe, in der Vergangenheit wiederholt im Ausland inhaftiert worden zu sein und auch beabsichtige, künftig als Journalist in Krisengebieten im Ausland tätig zu sein. Die Vorhersage einer Wiederholung sei immer hypothetisch. Weshalb die Bundesregierung in seinem Fall grundlegend anders als in vergleichbaren Fällen gehandelt habe, sei bis heute nicht begründet worden. Da eine politische Motivation der Untätigkeit naheliege, sei es unerheblich, ob das Problem beim nächsten Mal in Venezuela oder in einem anderen Land auftrete. Das Bundesverfassungsgericht möge nunmehr dafür sorgen, dass seine Klage inhaltlich entschieden und nicht länger mittels formaler Vorwände abgewiesen werde.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung durch die Kammer anzunehmen, soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht seine Klage teilweise als unzulässig abgewiesen und das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung insoweit abgelehnt hat. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt (vgl. § 93b Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde ist in diesem Umfang auch stattzugeben, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden wurden und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig und daher nicht zur Entscheidung anzunehmen.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.
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Zwar ist sie gemäß § 93 Abs. 1 BVerfGG fristgerecht eingelegt worden, und auch der fachgerichtliche Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist erschöpft. Sie genügt jedoch in Teilen nicht den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Begründung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG zu stellen sind.
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a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll. Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. BVerfGE 140, 229 232>).
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b) An diesen Maßstäben gemessen wird die Verfassungsbeschwerde den Begründungsanforderungen insoweit nicht gerecht, als sie sich dagegen richtet, dass das Verwaltungsgericht die Klage teilweise als unbegründet abgewiesen und das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung in diesem Umfang abgelehnt hat.
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aa) Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang im Kern geltend, als deutscher Staatsangehöriger stehe ihm ein Anspruch auf Schutz seitens der Bundesrepublik gegenüber dem Ausland, besonders auf diplomatischen Schutz und konsularische Betreuung durch die deutschen Auslandsvertretungen zu. Diesen Anspruch habe die Bundesrepublik während seiner Haft in Venezuela dadurch verletzt, dass man seine Angehörigen nicht rechtzeitig über seine Inhaftierung informiert, ihm nicht die nötigen Medikamente gegen Dengue-Fieber besorgt, ihn erst nach 52 Tagen in der Haft besucht und im Rahmen seiner Ausreise nicht bis zum Flugzeug begleitet habe. Hierdurch seien zugleich seine Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 GG verletzt worden. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht hätten dies bei ihren Entscheidungen verkannt.
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bb) Er hat damit die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
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In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zwar anerkannt, dass auch hoheitliches Unterlassen Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein kann. Namentlich können sich aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte verfassungsrechtliche Schutzpflichten ergeben, die den Staat verpflichten, sich dort schützend und fördernd vor die betroffenen Rechtsgüter des Einzelnen zu stellen, wo dieser nicht selbst für ihre Integrität sorgen kann. Adressaten der Schutzpflichten sind gemäß Art. 1 Abs. 3 GG alle Träger öffentlicher Gewalt (vgl. BVerfGE 125, 39 78>; 157, 30 91 ff.>; BVerfGK 20, 320 324>). Weiterhin ist anerkannt, dass den Organen der Bundesrepublik, insbesondere der Bundesregierung, von Verfassungs wegen die Pflicht zum Schutz deutscher Staatsangehöriger und ihrer Interessen gegenüber fremden Staaten obliegt. Insbesondere besteht eine Pflicht zu diplomatischem Schutz und konsularischen Betreuung (vgl. BVerfGE 37, 217 241>; 55, 349 364> m.w.N.). Hinsichtlich der Frage, ob und in welcher Weise die Bundesregierung Auslandsschutz gewährt, steht ihr allerdings ein weites Ermessen zu. Aus der Pflicht zur Gewährung von Auslandsschutz erwächst dem Einzelnen vor diesem Hintergrund grundsätzlich allein ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Auch die Verwaltungsgerichte sind folglich darauf beschränkt, die Handlungen und Unterlassungen der Bundesregierung auf Ermessensfehler hin zu überprüfen. Eine fehlerhafte Ermessensausübung ist hierbei dann anzunehmen, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen wurden oder die getroffenen Maßnahmen offensichtlich gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das Schutzziel zu erreichen, oder das Handeln der Bundesregierung auf einem offensichtlichen Rechtsirrtum oder einer willkürlichen Einschätzung beruht (vgl. BVerfGE 55, 349 364 ff.>; BVerfGK 14, 192 200 f.>; 20, 320 324 f.> m.w.N.).
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Der Beschwerdeführer hat indes weder diese Maßstäbe aufgezeigt, noch substantiiert dargelegt, inwieweit das Auswärtige Amt das ihm eingeräumte Ermessen verletzt hat. Auch hat er sich in diesem Zusammenhang nicht in der gebotenen Weise mit den tragenden Erwägungen der angegriffenen Entscheidungen auseinandergesetzt.
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c) Die Verfassungsbeschwerde ist hingegen zulässig, soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht die Klage teilweise bereits als unzulässig abgewiesen und das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung auch in diesem Umfang abgelehnt hat. Insbesondere stehen insoweit die Anforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG der Zulässigkeit nicht entgegen. Denn ungeachtet dessen, dass eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen bereits auf der Hand liegen dürfte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Dezember 2007 - 1 BvR 2697/07 -, Rn. 13; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 2023 - 1 BvR 1555/23 -, Rn. 6), hat der Beschwerdeführer eine solche auch hinreichend substantiiert dargelegt. Er setzt sich in diesem Kontext eingehend mit den tragenden Erwägungen der beiden angegriffenen Entscheidungen auseinander und legt nachvollziehbar dar, weshalb aus seiner Sicht ein Feststellungsinteresse sowohl unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr als auch eines gewichtigen Grundrechtseingriffs gegeben ist.
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2. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch offensichtlich begründet. Die teilweise Abweisung der Klage als unzulässig durch das Verwaltungsgericht sowie die in diesem Umfang erfolgte Nichtzulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
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a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Dabei beschränkt er sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen; sie gibt dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potenziell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einer richterlichen Prüfung unterstellt werden kann; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 274>; 40, 272 275>; 67, 43 58>; 84, 34 49>; 96, 27 39>; stRspr).
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Art. 19 Abs.4 Satz 1 GG garantiert den Rechtsweg nicht nur bei aktuell anhaltenden, sondern grundsätzlich auch bei Rechtsverletzungen, die in der Vergangenheit erfolgt sind, allerdings unter dem Vorbehalt eines darauf bezogenen Rechtsschutzbedürfnisses. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es grundsätzlich vereinbar, wenn die Fachgerichte ein Rechtsschutzinteresse nur so lange als gegeben ansehen, wie ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen (vgl. BVerfGE 96, 27 39 f.>;104, 220 232 f.>; 110, 77 85>).
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Zudem gebietet das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 96, 27 40>;104, 220 233>; 110, 77 86>).
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Schließlich gewährleistet das Gebot effektiven Rechtsschutzes zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzugs. Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten. Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst. Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 134, 106 117 f. Rn. 34>).
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b) An diesen Maßstäben gemessen verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer offensichtlich in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.
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aa) Das trifft zunächst auf das Urteil des Verwaltungsgerichts zu.
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(1) Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr in einer mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht mehr zu vereinbarenden Weise verneint.
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(a) Es hat ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt und es sei auch nicht ersichtlich, dass ein vergleichbarer Sachverhalt unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen Umständen eintreten könnte. Eine künftige Tätigkeit in Venezuela habe er nicht behauptet. Es sei auch ungewiss, ob er in Venezuela erneut verhaftet würde. Eine hypothetische, zukünftige Inhaftierung durch einen anderen Staat stelle eine wesentliche Veränderung der Umstände dar. Zwar werde nicht in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer auch in Zukunft in Krisen- und Kriegsgebiete reisen und dort einer journalistischen Tätigkeit nachgehen werde. Es sei jedoch nicht absehbar, ob er überhaupt noch einmal durch einen Drittstaat inhaftiert werde. Die nur abstrakte Möglichkeit einer Festnahme durch einen nicht bestimmbaren Drittstaat in völlig ungewisser Zukunft unter ebenso wenig bestimmbaren sonstigen Umständen in Bezug auf die Gründe, Bedingungen und Auswirkungen einer Inhaftierung reichten für die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht aus. Hiervon ausgehend sei auch nicht hinreichend bestimmbar, dass sich das Auswärtige Amt bei einer erneuten Inhaftierung im Ausland in gleicher Weise verhalten würde.
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(b) Mit dieser engen Interpretation des Begriffs der Wiederholungsgefahr lässt das Verwaltungsgericht den nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Rechtsschutz trotz womöglich drohender schwerer Grundrechtsgefährdungen der Sache nach leerlaufen.
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(aa) In Fällen wie dem vorliegenden genügt für die Annahme einer Wiederholungsgefahr jedenfalls, dass der Beschwerdeführer vorgetragen hat, in der Vergangenheit mehrfach im Rahmen seiner Tätigkeit als investigativer Journalist in Krisen- und Kriegsgebieten inhaftiert worden zu sein und auch künftig an dieser Tätigkeit festhalten zu wollen. Denn damit ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben, dass er in Zukunft erneut in einem Land, das erhebliche rechtsstaatliche Defizite aufweist, inhaftiert werden und damit auf die Hilfe des Auswärtigen Amts angewiesen sein wird (vgl. BVerfGE 110, 77 90 f.>). Gerade angesichts der großen Bedeutung der in diesen Fällen in Rede stehenden Rechtsgüter - Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - dürfen die an die Annahme einer Wiederholungsgefahr zu stellenden Anforderungen nicht überspannt werden. Insbesondere kann nicht die Gefahr einer erneuten Inhaftierung durch denselben Staat verlangt werden. Denn in Anbetracht des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist nicht die Prognose erforderlich, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 1 B 37.99 -, juris, Rn. 5; Urteil vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 6 C 47.06 -, Rn. 13; Beschluss vom 23. November 2022 - BVerwG 6 B 22.22 -, Rn. 13; stRspr). Verfehlt ist deshalb die Annahme des Verwaltungsgerichts, an einer Wiederholungsgefahr fehle es bereits deshalb, weil der Beschwerdeführer eine künftige Tätigkeit in Venezuela nicht behauptet habe und die hypothetische Inhaftierung durch einen anderen Staat eine wesentliche Veränderung der Umstände darstelle. Dies gilt umso mehr, als damit dem Beschwerdeführer mit der Rückkehr nach Venezuela ein für die Annahme einer Wiederholungsgefahr unzumutbares Verhalten zur Erlangung von Rechtsschutz abverlangt würde. Denn wie das Auswärtige Amt im Rahmen des fachgerichtlichen Verfahrens selbst vorgetragen hat, hat die deutsche Botschaft in Caracas dem Beschwerdeführer nach dessen Freilassung zu einer schnellstmöglichen Ausreise aus Venezuela geraten, da die Gefahr einer erneuten Inhaftierung mit zunehmender Aufenthaltsdauer gestiegen wäre.
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(bb) Weiterhin hat das Verwaltungsgericht nicht ausreichend geprüft, ob auf Seiten des Auswärtigen Amts hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte gegeben sind, die die Annahme rechtfertigen, es werde auch bei einer erneuten Inhaftierung des Beschwerdeführers im Ausland in der gleichen Weise verfahren. An einer solchen Prüfung fehlt es schon deshalb, weil sich das Verwaltungsgericht an keiner Stelle seines Urteils dazu verhält, aus welchen Gründen das Auswärtige Amt im Fall des Beschwerdeführers - anders als in anderen Fällen - auf einen öffentlichen Protest gegen dessen Inhaftierung sowie eine öffentliche Forderung seiner Freilassung verzichtet hat. Ohne Berücksichtigung dieser Gründe lässt sich indes nicht beurteilen, welche tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse für das Unterlassen des Auswärtigen Amts maßgebend waren, sodass in der Folge auch keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob diese Umstände auch künftig im Wesentlichen unverändert vorliegen werden. Auch insoweit lässt das Verwaltungsgericht den nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Rechtsschutz vor etwaigen künftigen schwerwiegenden Grundrechtsgefährdungen der Sache nach leerlaufen.
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(2) Das Verwaltungsgericht hat Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zudem dadurch verletzt, dass es ein Feststellungsinteresse auch bezogen auf die Fälle verneint hat, in denen Grundrechtseingriffe tatsächlich typischerweise vor einer gerichtlichen Klärung in der Hauptsache überholt sind (vgl. BVerfGE 104, 220 233 f.>; 110, 77 86>).
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(a) Mit der Behauptung, das Auswärtige Amt habe sich nicht ausreichend für seine Freilassung aus der Haft in einem venezolanischen Geheimdienstgefängnis eingesetzt und dadurch die aus Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG gegenüber ihm als deutschem Staatsangehörigen resultierende Pflicht zur Gewährung von Auslandsschutz verletzt, macht der Beschwerdeführer einen für die Annahme eines Feststellungsinteresses hinreichend gewichtigen Grundrechtseingriff geltend (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Mai 2017 - 2 BvR 249/17 -, Rn. 5). Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass in Fällen, in denen sich ein staatlicher Eingriff aufgrund seiner Eigenart typischerweise erledigt, bevor Rechtsschutz in der Hauptsache erlangt werden kann, es für die Annahme eines Feststellungsinteresses auf die Schwere des Eingriffs nicht ankommt. Ist aus Sicht des entscheidenden Gerichts der Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung aber grundsätzlich eröffnet, so darf es diesen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren.
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(b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist im Fall der Inhaftierung eines deutschen Staatsangehörigen durch ein ausländisches Regime die direkte Belastung, die von einer mangelnden Unterstützung durch das Auswärtige Amt ausgeht, auch regelmäßig auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Inhaftierte eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache typischerweise kaum zu erlangen vermag.
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Zwar mag die Annahme des Verwaltungsgerichts zutreffend sein, es lasse sich keine dahingehende Typik feststellen, wonach ausländische Regime inhaftierte Deutsche innerhalb eines so kurzen Zeitraums wieder freilassen, dass aufgrund der zu erwartenden Länge des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens effektiver Rechtsschutz während der Dauer der Haft nicht erlangt werden kann. Diese Sichtweise fokussiert jedoch ausschließlich auf das zeitliche Moment und lässt außer Acht, dass sich in einem solchen Fall die direkte Belastung, die von einer mangelnden Unterstützung seitens des Auswärtigen Amts ausgeht, regelmäßig aufgrund sonstiger Umstände - das heißt ungeachtet der typischen Länge der Inhaftierung - auf einen Zeitraum beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nicht in den Blick genommen, dass es der typischen Situation eines solchen Inhaftierten entspricht, dass er während seiner Haftzeit - selbst im Fall einer tatsächlichen Untätigkeit des Auswärtigen Amts - regelmäßig nicht die Notwendigkeit dazu sieht, Klage gegen die Bundesrepublik mit dem Ziel zu erheben, das Auswärtige Amt zu einer stärkeren Unterstützung zu bewegen. Denn aufgrund der typischerweise unzureichenden Möglichkeiten der Information wird er während seiner Haft in der Regel gar nicht erkennen können, welche konkreten Maßnahmen das Auswärtige Amt zur Wahrung seiner Interessen ergreift und ob diese so unzureichend sind, dass die Erhebung einer Klage angezeigt ist. Zudem wird der Informationsfluss - wenn überhaupt - in erster Linie über die deutsche Botschaft vor Ort erfolgen. Dass diese aber die von dem Auswärtigen Amt zum Schutze des Inhaftierten ergriffenen Maßnahmen diesem gegenüber als unzureichend darstellen wird, dürfte - selbst für den Fall einer tatsächlichen Untätigkeit - kaum zu erwarten sein. Darüber hinaus würden der Erhebung einer Klage selbst für den Fall, dass der Inhaftierte die Notwendigkeit hierzu bereits während seiner Haft erkennt, typischerweise nicht unerhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen. Denn nicht nur stellte sich die Frage, ob der Inhaftierte angesichts des regelmäßig nur sporadischen Kontakts nach außen überhaupt in der Lage ist, Klage in Deutschland zu erheben und seine Interessen im Rahmen des dortigen Gerichtsverfahrens angemessen wahrzunehmen. Vielmehr sähe er sich in der Regel auch dem Dilemma ausgesetzt, die Botschaft vor Ort - und damit das Auswärtige Amt - um Unterstützung bei der Erhebung einer Klage bitten zu müssen, mit der er eben dieses zu einer größeren Unterstützung in seiner Sache anzuhalten versucht. Im Übrigen zeitigte die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts - ein typischer Geschehensablauf sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht feststellbar, was zu Lasten der Betroffenen gehe - die mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbarende Konsequenz, dass in diesen Fällen gerichtlicher Rechtsschutz für den Bürger praktisch nicht zu erlangen und damit das Handeln des Auswärtigen Amts einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen wäre.
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(3) Eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist danach insgesamt gegeben, soweit die Klage als unzulässig abgewiesen wurde. Da das Verwaltungsgericht im Rahmen der Ablehnung eines Feststellungsinteresses unter den Gesichtspunkten der Wiederholungsgefahr und einer typischen Überholung des Grundrechtseingriffs vor einer gerichtlichen Klärung in der Hauptsache selbst nicht zwischen den Klageanträgen zu 1 a) und b) einerseits und den Klageanträgen zu 2 d) und e) differenziert hat, erscheint eine diesbezügliche Unterscheidung auch vorliegend nicht angezeigt.
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bb) Das Oberverwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss die Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin dadurch vertieft, dass es § 124 Abs. 2 VwGO in sachlich nicht gerechtfertigter Weise angewandt und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert hat, indem es trotz der genannten Unrichtigkeiten des verwaltungsgerichtlichen Urteils die Berufung gegen dieses nicht zugelassen, sondern ein Feststellungsinteresse ebenfalls inhaltlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr als auch des gewichtigen Grundrechtseingriffs verneint hat.
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Dabei geht auch das Oberverwaltungsgericht von einem zu engen Verständnis der Wiederholungsgefahr aus, wenn es hierzu wie folgt ausführt:
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"Ausweislich der nicht angegriffenen Sachverhaltsschilderung des Verwaltungsgerichts wurde der Kläger am Nachmittag des 17. November 2018 verhaftet, wurde die deutsche Botschaft am 19. November 2018 durch Dritte über die Verhaftung informiert, telefonierte der Botschafter am 20. November 2018 mit dem venezolanischen Vizeaußenminister und versandte die deutsche Botschaft bis zum ersten Haftbesuch am 9. Januar 2019 acht Verbalnoten, demarchierte im venezolanischen Außenministerium, forderte Informationen und konsularischen Zugang und wurde der venezolanische Botschafter in das Auswärtige Amt einbestellt. Die Frage, ob die Beklagte zu Recht oder zu Unrecht davon abgesehen hat, öffentlich gegen die Verhaftung zu protestieren oder öffentlich oder nichtöffentlich eine Freilassung zu fordern, kann nur vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts angemessen bewertet werden. Insoweit ist ein im Wesentlichen gleicher Sachverhalt aber nicht absehbar."
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Nicht nur fordert damit letztlich auch das Oberverwaltungsgericht für die Annahme einer Wiederholungsgefahr einen in allen Einzelheiten gleichen Sachverhalt. Vielmehr kann gar nicht beurteilt werden, ob "die Frage, ob die Beklagte zu Recht oder zu Unrecht davon abgesehen hat, öffentlich gegen die Verhaftung zu protestieren oder öffentlich oder nichtöffentlich eine Freilassung zu fordern, […] nur vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts angemessen bewertet werden" kann. Denn wie schon das Verwaltungsgericht verhält sich auch das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung an keiner Stelle zu den Gründen des Auswärtigen Amts für dessen Unterlassen eines öffentlichen Protests sowie einer öffentlichen Freilassungsforderung. Ohne Berücksichtigung dieser Gründe lässt sich aber nicht beurteilen, welche tatsächlichen und rechtlichen Umstände für dieses Unterlassen maßgebend waren.
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c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auch auf der Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die beiden Gerichte bei hinreichender Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gekommen wären. Jedenfalls hätte die Klage nicht bereits als unzulässig abgewiesen werden dürfen.
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3. Soweit die Verfassungsbeschwerde wie hier zulässig und offensichtlich begründet ist, ist sie auch zur Entscheidung durch die Kammer anzunehmen (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b, § 93b Satz 1 BVerfGG). Da die angegriffenen Entscheidungen auf einen leichtfertigen Umgang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes hinweisen und der Beschwerdeführer zudem in existenzieller Weise betroffen ist, erscheint die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung seiner Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 25>). Ein besonders schwerer Nachteil im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil deutlich abzusehen wäre, dass der Beschwerdeführer auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben wird (vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>). Denn vor dem Hintergrund, dass insoweit eine Befassung in der Sache bislang noch nicht stattgefunden hat, ist derzeit auch nicht sicher absehbar, dass die Klage aller Voraussicht nach als unbegründet abgewiesen werden wird.
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4. Ist damit der Verfassungsbeschwerde teilweise stattzugeben, so ist nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer insoweit in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzen. In diesem Umfang hebt das Bundesverfassungsgericht nach § 95 Abs. 2 BVerfGG die Entscheidungen auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht Berlin als zuständiges Gericht zurück.
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5. Da der Beschwerdeführer teilweise mit dem für ihn erkennbar zentralen Anliegen obsiegt hat, ist es sachgerecht, dass ihm das Land Berlin - als Rechtsträger des Verwaltungs- sowie des Oberverwaltungsgerichts - gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu zwei Dritteln erstattet.
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