(aa) Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich aus der grundrechtlich geschützten Regelungsbefugnis folgend auch dazu berechtigt, vereinbarte Tarifnormen mit Wirkung für die Vergangenheit zu ändern (vgl. zuletzt BAGE 169, 163 179 Rn. 35>; Hartmann, C., Gleichbehandlung und Tarifautonomie, 1994, S. 223-236 m.w.N.; Meyer, RdA 1998, S. 142-155; Beckers, ZTR 1999, S. 145-151 mit Verweis auf BAGE 78, 309-333; Houben, Die Rückwirkung von Tarifverträgen, 2006, S. 50, 175 ff.; Deinert/Wenckebach, in: Däubler, TVG, 5. Aufl. 2022, § 4 Rn. 11-21; Treber, in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 20. Aufl. 2023, § 202 Rn. 27 ff.). Sie dürfen als private Normgeber den Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Tarifwerks in die Vergangenheit legen oder bestehenden Tarifbestimmungen einen anderen Inhalt verleihen (vgl. Houben, Die Rückwirkung von Tarifverträgen, 2006, S. 50, 175; Deinert/Wenckebach, in: Däubler, TVG, 5. Aufl. 2022, § 4 Rn. 11-21; Treber, in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 20. Aufl. 2023, § 202 Rn. 27 ff.). Der Geltungsgrund des Tarifvertrages, der im privatautonomen Verbandsbeitritt der Koalitionsmitglieder liegt, schließt eine rückwirkende Änderung von Tarifnormen nicht aus. Ein solcher Ausschluss beschränkte die den Tarifpartnern durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Gestaltungsbefugnis und die Chance, ein für die Koalitionsmitglieder insgesamt vorteilhaftes Ergebnis zu erarbeiten, erheblich. Sie wären in ihren Möglichkeiten, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu fördern und zu bewahren, behindert. Dass die Freiheitsausübung der Koalitionen regelmäßig mit einer Erhaltung und Verbesserung der wirtschaftlichen Stellung der tarifgebundenen Beschäftigten als Koalitionsmitglieder einhergeht, schließt nicht aus, dass diese etwa im Interesse einer Arbeitsplatzsicherung beziehungsweise einer Standortsicherung durch eine Beschränkung bereits entstandener Ansprüche auch verkürzt werden kann (vgl. BAGE 78, 309-333). Dass die durch Tarifnormen begründeten Ansprüche nicht nur entstanden sind, sondern bereits abgewickelt wurden, steht einem rückwirkenden Eingriff ebenfalls nicht von vornherein entgegen (vgl. BAG, Urteil vom 5. Juli 2006 - 4 AZR 381/05 -, Rn. 76; offengelassen noch bei BAGE 78, 309 332>; Houben, Die Rückwirkung von Tarifverträgen, 2006, S. 293 f.). Grundsätzlich eröffnet die Befugnis zu einer rückwirkenden tarifvertraglichen Regelung bei gleichheitswidrigen Entgeltregelungen daher auch die Möglichkeit, neben einer "Anpassung nach oben" eine Vereinheitlichung der Zuschläge (möglicherweise kombiniert mit einer tariflichen Rückgewährpflicht; krit. insoweit Hartmann, C., Gleichbehandlung und Tarifautonomie, 1994, S. 231 f.) oder eine nach Dauer oder Lage gestufte Regelung vorzunehmen (vgl. Höpfner, Die Rechtmäßigkeit der tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für geleistete Nachtarbeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG, März 2020, S. 60-64; Jacobs/Malorny, in: Festschrift für Martin Henssler, 2023, S. 279 288 f.>) oder im Falle umstrittener Zwecke der Ungleichbehandlung im Wege einer Nachtragsvereinbarung zum Tarifvertrag deklaratorisch die verfolgten Zwecke klarzustellen. Mit der Verankerung dieser bereits bei Tarifabschluss verfolgten Zwecksetzung würde dem unterstellten Gleichheitsverstoß die Grundlage entzogen. Da hiermit nicht zwingend eine inhaltliche Neuregelung einherginge (vgl. hierzu BAG, Urteile vom 27. Februar 2018 - 9 AZR 430/17 -, Rn. 19 und vom 15. November 2016 - 9 AZR 81/16 -, Rn. 25), stellte sich eine Rückwirkungsproblematik regelmäßig nicht (vgl. Houben, Die Rückwirkung von Tarifverträgen, 2006, S. 50 f.; Löwisch/Rieble, TVG, 4. Aufl. 2017, § 1 Rn. 1002; Deinert/Wenckebach, in: Däubler, TVG, 5. Aufl. 2022, § 4 Rn. 27).