BVerfG 29.05.2013 - 1 BvR 1522/12 - Nichtannahmebeschluss: Anforderungen des Art 103 Abs 1 GG an die Form der Anhörung eines gerichtlichen Sachverständigen sowie an die Beantragung einer mündlichen Sachverständigenbefragung
Normen
Artikel 103, § 62, § 117, § 118, §§ 402ff ZPO, § 397, § 402
Vorinstanz
vorgehend BSG, 22. Mai 2012, Az: B 13 R 120/12 B, Beschluss
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 15. Februar 2012, Az: L 19 R 774/06, Urteil
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG
nicht vorliegen. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist.
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Zwar umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich auch die ergänzende Anhörung von gerichtlichen
Sachverständigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Januar 2012 - 1 BvR 2728/10 -, juris, Rn.
13). Art. 103 Abs. 1 GG verlangt jedoch nicht, einem Antrag auf mündliche Anhörung der Sachverständigen ausnahmslos Folge
zu leisten, selbst wenn der Antrag rechtzeitig und nicht missbräuchlich gestellt ist (BVerfG, a.a.O., Rn. 15). Da Art. 103
Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung enthält (vgl. BVerfGE 60, 175 210 f.>; 89, 381 391>;
112, 185 206> m.w.N.), besteht auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch, das einfachrechtlich geregelte Fragerecht gegenüber
Sachverständigen und Zeugen in jedem Fall mündlich auszuüben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17.
Januar 2012 - 1 BvR 2728/10 -, juris, Rn. 15 m.w.N.). Es ist verfassungsrechtlich daher jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn
die Fachgerichte die Beteiligten vorrangig darauf verweisen, Fragen und Einwendungen schriftlich vorzutragen, um Sachverständige
oder sachverständige Zeugen damit zu konfrontieren. Die gegebenenfalls anschließende mündliche Befragung kann möglicherweise
aber dann geboten sein, wenn sie sich nicht in der Wiederholung schriftlicher Äußerungen erschöpft, sondern darüber hinaus
einen Mehrwert hat. Auch in diesem Fall ist es verfassungsrechtlich jedoch unbedenklich, wenn die Fachgerichte an die Beantragung
mündlicher Sachverständigenbefragungen nicht weniger Anforderungen stellen als an eine schriftliche Befragung, die die Benennung
konkreter Fragen und Einwendungen voraussetzt. Gegen die Einschätzung des Landessozialgerichts, dass es hieran im vorliegenden
Fall gefehlt habe, ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.