Expertenforum - A1 Bescheinigung für Entsendung bei Ablösung eines bereits entsendeten Arbeitnehmers

Expertenforum

Fachleute antworten auf Ihre Fragen zur Sozialversicherung

Fragen Sie Fachleute zu allen Aspekten der Sozialversicherung – im Expertenforum der AOK. An Arbeitstagen bekommen Sie innerhalb von 24 Stunden eine Antwort.

Darüber hinaus können Sie sich im Expertenforum mit anderen Nutzern zu persönlichen Erfahrungen im Umgang mit der Sozialversicherung austauschen.

Profitieren Sie rund um den Jahreswechsel von einem besonderen Angebot. Stellen Sie auch Fragen zum Steuer- und Arbeitsrecht, die Bezug zum Sozialversicherungsrecht haben. Ihre Frage wird dann direkt von unseren externen Steuer- und Arbeitsrechtsfachleuten beantwortet.

Zur Übersicht
  • 01
    A1 Bescheinigung für Entsendung bei Ablösung eines bereits entsendeten Arbeitnehmers

    Sehr geehrtes Expertenteam, folgender Sachverhalt ist zu klären:

    Ein Mandant entsendet einige seiner Arbeitnehmer in die Schweiz. Zwei Arbeitnehmer sind dort leider erkrankt und mussten ihre Tätigkeit abbrechen. Für diese beiden wurden ersatzweise zwei andere Arbeitnehmer entsandt, damit der Auftrag fristgerecht fertiggestellt werden kann.

    Nun haben wir gelesen, dass in dem Fall von diesen beiden neu entsendeten Arbeitnehmern nicht die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates (also Deutschland) gelten sondern u. U. die des Tätigkeitsstaates.

    Ist das tatsächlich so? Worin besteht hier der Unterschied zwischen geplant entsandten Arbeitnehmern und denen, die für erkrankte Kollegen einspringen?

    Vielen Dank!

  • 02
    RE: A1 Bescheinigung für Entsendung bei Ablösung eines bereits entsendeten Arbeitnehmers

    Guten Tag,
     
    im Sozialversicherungsrecht gilt das Territorialprinzip. Dies bedeutet, dass das Recht des Beschäftigungsstaates gilt. Somit folgt, dass, wenn die Beschäftigung der Schweiz ausgeübt wird, das Schweizer Recht gilt. Dies ist unabhängig von Wohnstaat oder auch dem Staat im dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat,
     
    Beim grenzüberschreitenden Arbeitnehmer-Einsatz stellt sich die Frage, welches Sozialversicherungssystem Anwendung findet. Innerhalb der EU gilt das Prinzip, dass Arbeitnehmer nur den Regelungen eines Mitgliedsstaates unterliegen sollen. Dies sind in der Regel die Vorschriften des Landes, in welchem die Tätigkeit ausgeübt wird. Bei grenzüberschreitenden Arbeitnehmer-Einsätzen kann dies zu einem (vorübergehenden) Wechsel zwischen den jeweiligen Sozialversicherungssystemen führen. Dies ist aber nicht im Interesse des im Ausland eingesetzten Arbeitnehmers und widerspricht den Gedanken der Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit.
     
    Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist die Entsendung im Sinne des Art. 12 der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung (EG) 883/04). Bei einer solchen Entsendung unterliegt der entsandte Arbeitnehmer weiterhin den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen seines Heimatlandes, solange die Entsendung einen Zeitraum von 24 Monaten nicht überschreitet und durch die Entsendung nicht die Ablösung eines anderen zuvor entsandten Arbeitnehmers bezweckt wird (sogenanntes Ablöseverbot). Bisher beschränkte sich dieses Ablöseverbot auf die Ablösung eines Arbeitnehmers, der vom selben Arbeitgeber entsandt wurde. Diese Regelung hat der EuGH (Europäischer Gerichtshof) nunmehr ausgeweitet und damit die Spielregeln für den grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern verschärft.
     
    Der EuGH (EuGH, Urteil v. 06.09.2018 – C-527/16) stellte zunächst klar, dass eine A1-Bescheinigung bis zum Zeitpunkt des Widerrufs oder der Ungültigkeitserklärung durch den ausstellenden Sozialversicherungsträger Bindungswirkung (gegenüber jedermann) entfaltet. Die im vorliegenden Fall ausgestellten A1-Bescheinigungen würden somit auch gegenüber dem österreichischen Sozialversicherungsträger gelten. Der EuGH entschied aber auch, dass ein entsandter Arbeitnehmer, wenn er einen anderen entsandten Arbeitnehmer ablöst, unter das System der sozialen Sicherheit am Arbeitsort (in der vorliegenden Entscheidung also Österreich) fällt, auch wenn die beiden Arbeitnehmer nicht von demselben Arbeitgeber entsandt wurden. Damit kommt es jetzt nur noch darauf an, ob der entsandte Arbeitnehmer an demselben Arbeitsplatz einen anderen entsandten Arbeitnehmer ablöst, unabhängig davon, von welchem Unternehmen der „abgelöste“ Arbeitnehmer entsandt wurde. Er unterliegt damit den Vorschriften des Sozialsystems am Tätigkeitsort. Auf eine konzernrechtliche Verbindung oder sonstige Verflechtung der entsendenden Unternehmen kommt es dabei nicht an.
     
    Die Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatzes werden weiter eingeschränkt. Für Arbeitnehmer wird eine Entsendung unattraktiv, wenn diese dadurch den sozialversicherungsrechtlichen Status im Heimatland verlieren. Anders als im vorliegenden Fall dienen aber solche Entsendungen häufig auch der Karriereförderung und sind – jedenfalls in international agierenden Unternehmen – ein wichtiger Bestandteil der Personalentwicklung.
     
    Entsendende Unternehmen müssen jetzt darauf achten, dass an dem geplanten Tätigkeitsort zuvor kein anderer entsandter Arbeitnehmer tätig war, egal von welchem Unternehmen dieser entsandt wurde. Dies ist für das neue entsendende Unternehmen nun – wo das Ablöseverbot unabhängig vom vorher entsendenden Arbeitgeber besteht – in der Praxis häufig schwer überprüfbar. Hier muss sich das entsendende Unternehmen in der Regel auf die Angaben vom Unternehmen am Einsatzort verlassen.
     
    Sie sehen, dass die Voraussetzungen durch das EUGH-Urteil noch verschärft wurde.
    Der GKV-Spitzenverband hat auf seiner Homepage den Komplex Entsendung sehr gut dargestellt und unter dem Link
    Unter welchen Voraussetzungen gelten für mich während der Entsendung die deutschen Rechtsvorschriften? - GKV-Spitzenverband, DVKA
    Finden Sie die eindeutigen Hinweise, die bei einer Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften erfüllt sein müssen.
     
    Bei Ihrem konkreten Fall der Krankheitsvertretung empfehlen wir Ihnen, Kontakt zur DVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland) aufzunehmen, damit dieser mit dem Schweizer Sozialversicherungsträger in Kontakt treten kann.
     
    Mit freundlichen Grüßen
     
    Ihr Expertenteam

Zur Übersicht

Kontakt zur AOK

Grafik Ansprechpartner

Persönlicher Ansprechpartner

Ihr Ansprechpartner steht Ihnen gerne für Ihre Fragen zur Verfügung.
Grafik e-mail

E-Mail-Service

Melden Sie uns Ihr Anliegen, wir antworten umgehend oder rufen Sie zurück.