Politik und die AOK 22
Gesundheitspolitik 2022 – eine Kurzbilanz aus Sicht der AOK Niedersachsen
Auch 2022 stand die Bewältigung der Coronapandemie im Aufgabenheft des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) bzw. auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestags. Es war aus unserer Sicht richtig, dass mit dem COVID-19-Schutzgesetz bekannte Schutzvorschriften ein letztes Mal – abgewogen und anforderungsgerecht – verlängert wurden, um weitere tragische Episoden, die wir in den Hochphasen der Pandemie erlebt haben, zu vermeiden. Trotz einer bedrückend hohen Zahl an Coronatoten und einer nachweislichen Übersterblichkeit ist unser Land vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. Großer Dank gebührt allen Ärztinnen und Ärzten, den Pflegekräften im Krankenhaus und in der Altenpflege sowie den vielen weiteren Verantwortlichen in der Gesundheitsversorgung, die mit ihrem Einsatz die Krise bewältigt haben.
Neben der Pandemie hat uns der Ukrainekrieg vor große Herausforderungen gestellt. Dies betrifft zum einen die starken Fluchtbewegungen nach Deutschland und zum anderen die hohen Energiepreise, die nicht nur die Wirtschaft unseres Landes, sondern auch jeden Einzelnen belasten. Seit der Reform der Krankenversicherungsregeln zum 1. Juni 2022 gewähren wir 56.000 Geflüchteten aus der Ukraine Krankenversicherungsschutz in unserem Land. Zudem engagiert sich die AOK Niedersachsen im Management der Energiepreiskrise. So sind wir dem Wunsch der Niedersächsischen Landesregierung gern nachgekommen, die vom Bund zur Verfügung gestellten Energiekostenhilfen mit den Krankenhäusern in Niedersachsen abzurechnen und auszuzahlen. Auch wenn durch die Ergänzung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) nicht alle Mehrkosten gedeckt werden können, so kann es die Belastungen in den Kliniken zumindest abfedern.
Energiepreisbremse für Krankenhäuser
Krankenhäuser können auf Basis des neuen § 26f KHG eine Erstattung der Mehrkosten für leitungsgebundenen Strom, leitungsgebundene Fernwärme und leitungsgebundenes Erdgas erhalten. Hierzu hat der Bund über die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds einen Betrag von bundesweit 4,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die 176 niedersächsischen Krankenhäuser erhalten ihre nachgewiesenen Mehrkosten auf Antrag. Daneben sind die Krankenhäuser verpflichtet, bis Januar 2024 eine Energieberatung nachzuweisen.
Mit der Umsetzung des Antragsverfahrens und der auftragsweisen Auszahlung der Mehrkosten hat das Land Niedersachsen die AOK Niedersachsen beauftragt. Ein Team aus dem Gesundheitsmanagement stationär kümmert sich um den gesamten Abwicklungsprozess und ist zentraler Ansprechpartner für die niedersächsischen Krankenhäuser. Hierzu zählt neben der Prüfung der Antragsunterlagen, der Anforderung der Erstattungsansprüche beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und der Auszahlung an die niedersächsischen Krankenhäuser auch die Beantwortung der zahlreichen Fragen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben.
Die Antragstellung ist für die Monate Oktober bis Dezember 2022, das ganze Jahr 2023 sowie für die Monate Januar bis April 2024 möglich. Für 2022 hat die AOK Niedersachsen insgesamt ca. 2,42 Millionen Euro als Erstattung für nachgewiesene Energie-Mehrkosten an 27 niedersächsische Krankenhäuser ausgezahlt. Für 2023 ist mit einer erheblich größeren Zahl an erstattungsberechtigten Krankenhäusern und damit einhergehend auch einem wesentlich höheren Erstattungsanspruch zu rechnen.
Politische Eingriffe in die Finanzautonomie der Krankenkassen
Die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist nach wie vor angespannt. Mit dem im November 2022 beschlossenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat sich der Gesetzgeber vorgenommen, die für 2023 erwartete Finanzierungslücke in der GKV von 17 Milliarden Euro zu schließen. Bedauerlicherweise wird dieses Gesetz bestenfalls für ein einziges Jahr Wirkung zeigen. Denn statt mit nachhaltigen Strukturreformen die Versorgungseffizienz im Gesundheitswesen zu verbessern, nahm der Gesetzgeber mit dem Zugriff auf die Rücklagen der Krankenkassen den einfacheren Weg. So müssen die Krankenkassen – wie schon 2021 – abermals ihre Reserven einsetzen und an den Gesundheitsfonds abführen.
Dieser ordnungspolitisch fragwürdige und zudem massiv in den Wettbewerb der Krankenkassen eingreifende Zugriff bedeutet für die AOK Niedersachsen, dass ihr Rücklagen von fast 170 Millionen Euro genommen werden, die im Zuge der Umverteilung über den Risikostrukturausgleich (RSA) in weiten Teilen an Mitbewerber ausgeschüttet werden. Es wird höchste Zeit, dass sich die Politik darüber Gedanken macht, wie sich die Gesundheitsversorgung auch dauerhaft verlässlich finanzieren lässt.
Aus unserer Sicht führt kein Weg daran vorbei, dass sich der Bund stärker als bisher an der Finanzierung beteiligt. Würde er – so wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – kostendeckende Beiträge zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung der Bürgergeldempfänger leisten und zudem den Bundeszuschuss zur Refinanzierung versicherungsfremder Leistungen regelgebunden dynamisieren, wäre schon viel gewonnen.
Zusätzlich halten wir es für dringend geboten, Effizienzpotenziale in der Versorgung zu heben. Die von Bundesminister Lauterbach ausgegebene Digitalstrategie sollte in der Versorgungspraxis ankommen, sodass ihre Vorteile genutzt werden können. Digitale Anwendungen wie z. B. die elektronische Patientenakte, elektronische Rezepte oder telemedizinische Versorgungsangebote sollten zur Routine in der Versorgung werden.
Strukturreformen im Krankenhausbereich
Die Modernisierung der Krankenhausstrukturen in Deutschland gehört wohl zu den größten gesundheitspolitischen Reformvorhaben dieser Legislatur. Da die Zuständigkeiten für die Krankenhausplanung einerseits und die Krankenhausfinanzierung andererseits in unserem föderalen System nicht in einer Hand liegen, kommt es sehr darauf an, dass Bund und Länder pragmatisch und zielorientiert zusammenarbeiten, um mit einem neuen Krankenhausgesetz die Krankenhauslandschaft zukunftsfest aufzustellen.
Wir begrüßen die im Dezember 2022 vorgelegten Vorschläge der vom BMG berufenen Regierungskommission, weil diese gute Lösungsansätze für die entscheidenden Schwachstellen unseres jetzigen Systems beinhalten. Zum einen würde die angedachte Einführung einer Vorhaltekostenfinanzierung den ökonomischen Druck der Kliniken mindern, durch hohe Fallzahlen die Infrastruktur der Kliniken finanzieren zu müssen. Dieser Anreiz führt nachweislich dazu, dass auch medizinisch nicht notwendige Behandlungen (vollstationär) erbracht werden. Wichtig dabei ist, dass die Vorhaltung von Krankenhausstrukturen als ein Instrument der Daseinsvorsorge verstanden wird und demzufolge losgelöst von der tatsächlichen Belegung der Betten finanziert wird. Daher unterstützen wir den Vorschlag der Regierungskommission, die Vorhaltekostenfinanzierung beim Bundesamt für Soziale Sicherung anzusiedeln und die Kosten nach Maßgabe der Versichertenzahlen aller Krankenkassen bzw. privater Krankenversicherer im Einzugsgebiet eines Krankenhauses umzulegen.
Zum anderen würden die Zuordnung der Krankenhäuser in definierte Versorgungsstufen – so wie es Niedersachsen schon mit dem jüngst novellierten Krankenhausgesetz plant – und nicht zuletzt die Zuweisung von Versorgungsaufträgen anhand bundesweit einheitlich definierter Leistungsgruppen dazu führen, dass wir die dringend gebotene Arbeitsteilung zwischen den Häusern erreichen. Es wäre mit Blick auf den Behandlungserfolg auch nicht sinnvoll, alle medizinischen Leistungen flächendeckend in allen Krankenhäusern erbringen zu lassen. Zudem wird es angesichts des täglich größer werdenden Fachkräftemangels bei ärztlichem und pflegerischem Personal auch gar nicht mehr leistbar sein, flächendeckend solche Strukturen vorzuhalten. Wir hoffen und erwarten, dass sich Bund und Länder zügig auf einen neuen Handlungsrahmen verständigen können, der die Grundlage für eine moderne Krankenhausinfrastruktur bietet.
Geschäftsbericht 22
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