Familiencoach Depression: Onlinehilfe für Angehörige
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Inhalte im Überblick
Mit Depression in der Familie richtig umgehen
Außenstehenden fällt es oft schwer, eine psychische Erkrankung nachzuvollziehen. Symptome wie gedrückte oder reizbare Stimmung, Freudlosigkeit, fehlender Antrieb oder sogar Suizidgedanken bei depressiven Menschen belasten auch die Angehörigen stark. An dieser Stelle setzt der Familiencoach Depression an: Mit dem Onlineprogramm eignen Sie sich fundiertes Wissen an und lernen, wie Sie den Alltag mit einem erkrankten Angehörigen gemeinsam bewältigen und den Betroffenen gut unterstützen können. Zudem erfahren Sie, wie Sie sich zugleich selbst vor einer chronischen Überlastung und möglichen negativen gesundheitlichen Folgen schützen können.
Der Familiencoach richtet sich an Personen, die
- … einen an einer Depression erkrankten Menschen in der Familie oder im Freundeskreis haben.
- … vermuten, dass ein Angehöriger, Freund oder der Partner unter einer Depression leiden könnte.
Training für Angehörige: So hilft Ihnen der Familiencoach Depression
Der Familiencoach Depression besteht aus fünf leicht verständlichen Trainingsmodulen, die Sie ganz nach Ihren eigenen Bedürfnissen unabhängig voneinander nutzen können:
Depression und Alltag
Sie erfahren, worauf Sie im Zusammenleben mit Ihrem depressiv erkrankten Angehörigen achten sollten. Neben allgemeinen Tipps geht das Modul näher auf den Umgang mit häufigen Krankheitssymptomen wie Antriebslosigkeit, Pessimismus, Interessensverlust und Reizbarkeit ein. Mehrere Kurzfilme und praktische Hinweise stärken Sie im Umgang mit dem Erkrankten.
Selbstfürsorge
Für Angehörige von Depressionskranken ist es schwer, das Leid des Betroffenen mit anzusehen. Zudem kann es sehr belastend sein, wenn Gespräche mit dem Erkrankten einseitig verlaufen oder seine Aufgaben vermehrt übernommen werden müssen. In diesem Modul stehen deshalb Sie im Mittelpunkt. Hier lernen Sie die Balance herzustellen zwischen der Fürsorge für den Erkrankten und der Fürsorge für sich selbst. Dazu gehören Entlastungen im Alltag, das bewusste und regelmäßige Pflegen angenehmer Aktivitäten sowie Übungen zur Entspannung und Achtsamkeit.
Beziehung stärken
Eine starke Partnerschaft macht vieles leichter. Dieser Trainingsbereich vermittelt Ihnen, wie Sie gut miteinander auskommen und Ihre Beziehung trotz Depression schätzen und vertiefen können. Dabei stärken Sie Ihren Zusammenhalt, lernen Vorwürfe zu vermeiden und stattdessen gemeinsame Lösungen zu finden.
Was muss ich wissen?
Wissen hilft und gibt Ihnen Sicherheit – das gilt auch für Angehörige eines depressiv erkrankten Menschen. Dieses Modul zeigt Ihnen, wie Depressionen erkannt und behandelt werden, und informiert Sie darüber, wie Sie sich in Krisensituationen, zum Beispiel wenn der Erkrankte Suizidgedanken hat, verhalten können.
Depression im Alter
Depressionen sind im höheren Lebensalter die häufigste psychische Störung. In diesem Modul erfahren Sie, was auf eine Altersdepression bei einem älteren Angehörigen hindeutet, welche Risikofaktoren die Erkrankung begünstigen und wie Depressionen im Alter behandelt werden. Neben Tipps zum Umgang mit dem Betroffenem, erfahren Sie auch, was dabei helfen kann, zufrieden mit sich und dem Leben zu altern und Altersdepressionen vorzubeugen.
Regelmäßiger Experten-Videochat
Zusätzliche Unterstützung zu den Modulen, die Sie allein bearbeiten, bietet der Experten-Videochat. Darinbeantwortet die Entwicklerin des Familiencoachs Depression, Prof. Elisabeth Schramm, Ihre Fragen zum Programm.Der Chat findet regelmäßig an mehreren Terminen im Jahr statt und soll Angehörige durch Informationen unterstützen, er ersetzt jedoch keine ärztliche oder psychotherapeutische Diagnostik oder Behandlung.
Familiencoach Depression: von Betroffenen getestet
Wissenschaftler der Freiburger Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie haben den Familiencoach Depression in Zusammenarbeit mit betroffenen Angehörigen und Erkrankten entwickelt. Studien zeigen, dass durch die Vermittlung von Wissen über depressive Erkrankungen die Belastung der Angehörigen sinkt und auch die Gefahr für Rückfälle bei den depressiv Erkrankten reduziert werden kann.
Projektleiterin Prof. Schramm ist Expertin für die Versorgung depressiv erkrankterer Menschen und deren Angehörigen. Zum Familiencoach Depression sagt sie: „Angehörige sind oft die wichtigste Unterstützung für depressiv erkrankte Menschen. Gleichzeitig sind sie aber durch die Dauerbelastung gefährdet, sich zu überfordern und sogar selbst krank zu werden. Daher ist es ganz wichtig zu verstehen: Am besten helfen kann nur, wer auch gut auf sich selbst achtet."
Lesen Sie nachfolgend ein Interview mit Frau Professor Schramm.
Bei Depressionen unkompliziert Hilfe erhalten
Frau Prof. Schramm, warum haben Sie gemeinsam mit der AOK den Familiencoach Depression entwickelt?
„Weil es ein solches Programm vorher einfach nicht gab. Unseres Wissens ist es das einzige Onlineangebot für Angehörige von depressiven Menschen. Und – egal, ob online oder nicht – der Bedarf ist riesig. Zwar gibt es einige Kliniken, die Hilfe für Angehörige vorsehen. Diese Angebote sind natürlich auf die Familienmitglieder von stationär aufgenommenen Patienten begrenzt. Aber selbst die haben es schwer, wenn sie weit entfernt wohnen.“
Und an dieser Stelle kommt der Familiencoach Depression ins Spiel.
„Richtig. Das Angebot ist für jeden kostenlos zugänglich. Es spielt keine Rolle, wo der Angehörige wohnt und wann er Zeit hat. Er entscheidet selbst, ob er das Programm lieber morgens oder zum Beispiel am Abend nach der Arbeit nutzen möchte. Und ganz wichtig, er kann es ganz für sich nutzen – ohne Angst vor Stigmatisierung.“
Ist Depression denn immer noch ein Tabuthema?
„Es ist besser geworden, unter anderem durch die Arbeit der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und prominente Schirmherren wie Harald Schmidt. Aber trotzdem: Das Stigma existiert noch immer. Aus diesem Grund hat sich auch die Bezeichnung Burn-out so stark verbreitet. Auch heute legen viele Menschen eine Depression als Schwäche oder als ‚Verrücktsein‘ aus, lieber begründen sie ihre Probleme mit zu viel Arbeit. Dabei zeigen Untersuchungen, dass hinter 50 Prozent der vermeintlichen Burn-out-Fälle tatsächlich eine Depression steckt. Angesichts dieses noch immer belasteten Umgangs mit dem Thema Depression ist ein anonymes Onlineangebot wie der Familiencoach umso wichtiger. Die Hürde für die Patienten und die Angehörigen wird dadurch viel kleiner.“
An wen genau richtet sich der Familiencoach Depression?
„Vor allem an Angehörige von Erkrankten. Tatsächlich sind es aber nicht nur Familienmitglieder, die Informationen zum Thema Depression suchen. Häufig sind es Freunde oder auch Arbeitskollegen und Vorgesetzte, die bei jemandem eine Depression vermuten.“
Das heißt, mithilfe des Programms kann ich auch herausfinden, ob eine Person depressiv ist?
„Ein Baustein des Programms erklärt, wie ich als Angehöriger eine solche Vermutung überprüfen kann. Damit bietet der Familiencoach Depression eine wissenschaftlich fundierte Orientierung. Jedoch muss den Angehörigen klar sein: Das Programm ersetzt keinen medizinischen Befund. Die Diagnose liegt weiterhin in den Händen der Ärzte und Psychotherapeuten. Der Familiencoach enthält deshalb mehrere Hinweise, wann unbedingt ein Arzt hinzugezogen werden sollte.“
Der Familiencoach Depression steht seit Herbst 2018 zur Verfügung. Wie ist das Feedback darauf?
„Äußerst positiv. Sowohl von Fachleuten als auch von Angehörigen. Gerade Selbsthilfegruppen sagen uns, dass der Coach eine sehr gute Unterstützung in alltäglichen Situationen sei. Der Bundesverband Angehörige lobt vor allem das Familiencoach-Modul Selbstfürsorge. In diesem Bereich werde ansonsten viel zu wenig für Angehörige angeboten und wenn doch, dann gehe es immer in die Richtung: Wie kann ich unterstützen? Und nicht: Wie passe ich auf mich selbst auf? Das aber liegt uns am Herzen.“
Und was sagen die Experten?
„In Kongressen und Qualitätszirkeln ist das Interesse sehr groß. Aber ganz besonders stationäre Einrichtungen freuen sich über das Angebot. Diese Kliniken haben viel Kontakt zu den Familien der Patienten. Oft fehlen ihnen aber die Zeit und die Ressourcen, um intensiv mit den Angehörigen zu arbeiten. Deshalb werden dort gerne Flyer verteilt, die auf den Familiencoach verweisen. Denn das Programm eignet sich ganz ausgezeichnet als Ergänzung zur psychotherapeutischen Behandlung der depressiv Erkrankten.“
Depressionen: zwei typische Fälle – und wie der Familiencoach funktioniert
Zwei beispielhafte Fälle aus der Arbeit von Prof. Elisabeth Schramm zeigen, wie Angehörige den Familiencoach Depression einsetzen können:
Fall 1: Lustlos, erschöpft, gereizt – wenn der Partner depressiv ist
Wer kümmert sich?
„Häufig sind es Frauen, die sich wegen ihres Partners informieren möchten – und das obwohl Frauen selbst deutlich öfter unter einer Depression leiden als Männer. Die Frauen vermuten in vielen Fällen, dass ihr Partner ein Burn-out habe oder sogar depressiv sei.“
Was sind die Probleme?
„Typisch sind in diesen Fällen körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Erschöpfung und Kreislaufbeschwerden. Daneben ist der Erkrankte oft sehr inaktiv und wenig ansprechbar. Speziell bei Männern äußert sich eine Depression in starker Reizbarkeit. Je mehr die Partnerin dem Betroffenen Aufgaben abnehmen möchte oder versucht, ihn zu professioneller Hilfe zu überreden, desto größer wird die Ablehnung. Beziehungskonflikte sind dadurch fast unausweichlich.“
Wie hilft der Familiencoach?
- Der Informationsteil „Was muss ich wissen?“ bietet erste Unterstützung. Angehörige lernen, wie sie das Thema Depression gegenüber dem Betroffenen ansprechen. Ein interaktiver Fragebogen bereitet sie darauf vor.
- Angehörige von depressiven Menschen sollten sich unbedingt mit dem Modul „Selbstfürsorge“ auseinandersetzen. Denn: Nur weil der Partner erkrankt ist, bedeutet das nicht, dass man selbst permanent zurückstecken sollte. Auch dann bleibt es wichtig, eigene Hobbys und Interessen zu pflegen.
- Für die Beziehung ist das Trainingsmodul „Depression und Alltag“ wichtig: Wie lässt sich trotz Krankheit die Partnerschaft pflegen und stärken? Wie lassen sich dauerhafte Konflikte vermeiden? Tipps und Videos beantworten diese Fragen. Und häufig zeigt sich: Paare, die das verinnerlicht haben, gehen gestärkt aus einer Krise hervor.
Fall 2: „Ich bin nun mal alt!“ – Depression im Alter
Wer kümmert sich?
„Altersdepression ist die häufigste psychische Erkrankung bei Menschen über 65 Jahren. Entsprechend oft werden die Angehörigen älterer Menschen, besonders deren Kinder, mit dem Thema Depression konfrontiert. Die Familienmitglieder berichten dann, dass die Mutter oder der Vater sich weigere, Hilfe anzunehmen und ,nur noch sterben‘ wolle.“
Was sind die Probleme?
„Älteren Menschen und gerade der Generation der Nachkriegskinder fällt es sehr schwer, über psychische Probleme zu sprechen. Unterstützung und speziell professionelle Hilfe durch eine Psychotherapie lehnen sie kategorisch ab. ,Ich bin nun mal alt‘ ist eine typische Ausrede. Dabei weiß die Wissenschaft, dass Menschen bis ins hohe Alter lernfähig bleiben.“
Wie hilft der Familiencoach?
- Die Kinder der Erkrankten fragen sich: Wie bringe ich meine Mutter oder meinen Vater dazu, Hilfe anzunehmen? Ältere Personen begegnen psychischen Krankheiten eher mit Skepsis („Ich bin doch nicht verrückt!“). Umso wichtiger sind Informationen. Der Baustein „Depression erkennen“ mit einfachen Orientierungstests kann in solchen Fällen ein sensibler Start sein.
- Familienmitglieder empfinden ihre erkrankten Angehörigen oft als stur. Umgekehrt lassen sich manche älteren Menschen ungern etwas von ihren Kindern sagen. Daraus ergibt sich ein großes Konfliktpotenzial. Mit dem Beziehungsmodul des Coaches können Angehörige gezielt Streitigkeiten vorbeugen.
- Wenn Angehörige nicht weiterkommen oder spezielle Fragen haben, können sie als AOK-Versicherte zudem am Experten-Videochat des Familiencoaches Depression teilnehmen. Dort bietet ihnen Prof. Elisabeth Schramm zusätzliche Beratung für Angehörige depressiv erkrankter Menschen.
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