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Gesundheitsmagazin

AOK Baden-Württemberg

Mit Märchen gegen Demenzsymptome

Veröffentlicht am:24.06.2024

3 Minuten Lesedauer

Allein in Deutschland leben etwa 1,6 Millionen Demenzkranke. Ein von der AOK Baden-Württemberg finanziertes Märchen-Projekt lässt die Betroffenen aufblühen.

Eine junge Frau liest einem Paar Senioren aus einem Buch vor.

© iStock / KatarzynaBialasiewicz

Demenz – wenn die Gedächtnisleistung schwindet

Demenz gehört zu den häufigsten Erkrankungen des höheren Lebensalters. Eine der bekanntesten Formen ist die Alzheimer-Krankheit. Den Erkrankten fällt es zunehmend schwer, sich zu erinnern oder zu lernen. Auch das Urteilsvermögen lässt immer mehr nach. Während länger zurückliegende Erinnerungen oft noch glasklar sind, verschwinden kurz zurückliegende Ereignisse meist schnell aus dem Gedächtnis. Auch Verhaltensänderungen, wie plötzliche Stimmungsschwankungen, Aggressivität oder Unruhe gehören zu den Symptomen. Zwar gelten die meisten Demenzformen bis heute als unheilbar, doch kann bei frühzeitigem Erkennen der Krankheitsverlauf deutlich verzögert werden.

Eine Seniorin sitzt an einem Tisch und löst ein Puzzle.

© iStock / LightFieldStudios

Märchen erzählen als vielversprechende Therapieform

Therapien bei Demenz gibt es viele, aber die Märchentherapie ist sicherlich etwas Besonderes. Eine Studie der Berliner Alice-Salomon-Hochschule wies nach, dass Menschen mit Demenz vielfach profitieren, wenn sie regelmäßig Märchen vorgelesen bekommen. „Selbst stark Betroffene erkennen die Geschichten wieder, erfahren ein Gefühl der Geborgenheit und werden gleichzeitig kognitiv stimuliert“, erklärt Sandra Kunzmann, Gesundheitsexpertin der AOK Ludwigsburg-Rems-Murr. „Langfristig können sie ihre Gefühle und ihr Verhalten dadurch besser steuern, sie werden ausgeglichener und erfahren eine höhere Lebensqualität."

Damit in Zukunft möglichst viele Betroffene von dieser außergewöhnlichen Therapie profitieren können, hat die AOK Baden-Württemberg bereits in einigen regionalen Pflegeheimen Märchen-Projekte finanziert.

Mit Demenzpatient/-innen ins Märchenland

Eine dieser Einrichtungen ist das Wilhelmine-Canz-Zentrum der Großheppacher Schwesternschaft. Mehrmals im Monat kommt Märchenerzähler Florian Ludwig vom Berliner „Märchenland - Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung“ vorbei, um mit seinen Geschichten Kindheitserinnerungen bei den Zuhörenden zu wecken.

Welche Wirkung die Märchen bei den Demenzkranken haben, erlebt Ludwig immer dann, wenn er den Raum mit den bereits wartenden Heimbewohner/-innen betritt und zu erzählen beginnt. „Eine Witwe hatte zwei Töchter, die eine war schön und fleißig, die andere hässlich und faul...“ – so beginnt das Grimmsche Märchen von Frau Holle. Gestenreich und mit wechselnden charakteristischen Stimmen erzählt Ludwig, wie Goldmarie in einen Brunnen fällt und so in ein unterirdisches Reich gelangt.

Eine Frau in einem Kostüm schüttelt einem Senioren, der auf einem Sessel sitzt, die Hand.

© iStock / Photodjo

Lebendig vorgetragene Märchen ziehen Demenzkranke in ihren Bann. Deren Begeisterung zeigt sich in vielfach positiven Reaktionen.

Der erfahrene Schauspieler versteht es geschickt, die Zuhörerschaft in seinen Bann zu ziehen. Immer wieder kommentieren die betagten Damen und Herren einzelne Szenen oder sprechen vertraute Sätze mit. Irina Strömel, Bereichsleiterin im Wilhelmine-Canz-Zentrum, ist begeistert: „Es ist wunderbar mitzuerleben, wie demente Menschen regelrecht aufblühen, wenn sie Geschichten erzählt bekommen, die sie aus Kindheitstagen kennen.“

Auch im „Haus Panorama“, einem Seniorenheim in Dornstetten, ist das Märchen-Projekt ein voller Erfolg. Hier erweckt Anja Franze die Geschichten mit passenden Gegenständen und verschiedenen Stimmen zum Leben – genau wie Florian Ludwig. Schlüsselsätze spricht sie bewusst nur halb aus. Auf „Spieglein, Spieglein an der Wand" antwortet das Publikum: „Wer ist die Schönste im ganzen Land?“. So regt Franze das Gedächtnis ihres Publikums an und lädt zum Mitmachen ein.

Einrichtungsleiterin Vanessa Hahn bemerkt die positive Wirkung der regelmäßigen Märchenstunden: „Bei Seniorinnen und Senioren, die vorher wenig Anteil an ihrer Umgebung nahmen, merken wir, dass sie während der Märchenstunde aufmerksam sind. Manche werden sogar aktiv, indem sie sich beispielsweise am Applaus beteiligen.“

Märchenhafte Weiterbildung für Pflege- und Betreuungskräfte

Auch Pflege- und Betreuungskräfte von Seniorenheimen können sich zu Märchenvorleser/-innen fortbilden lassen. Zum Beispiel von Florian Ludwig. Im Wilhelmine-Canz-Zentrum bietet er interessierten Mitgliedern des Heimbetreuungsteams an, sie in die Kunst des Märchenerzählens einzuführen. In einer zweitägigen Schulung vor Ort vermittelt er, wie zum Beispiel durch bewusste Lautbildung und Körpersprache Märchen zu Erinnerungsankern werden. Auf diese Weise kann die Senioreneinrichtung das Projekt künftig in Eigenregie fortführen.

„Das Märchenland-Projekt ist für Betroffene und Einrichtungen gleichermaßen überaus wertvoll. Wir sind sehr dankbar, dass die AOK Baden-Württemberg die Kosten dafür in vollem Umfang übernimmt.“

Irina Strömel ist Bereichsleiterin im Wilhelmine-Canz-Zentrum der Großheppacher Schwesternschaft

Irina Strömel
Bereichsleiterin im Wilhelmine-Canz-Zentrum der Großheppacher Schwesternschaft

© privat

Auch Anja Franze wurde gemeinsam mit drei anderen Betreuungskräften des Dornstetter Seniorenheims professionell geschult. Auf dem Lehrplan standen unter anderem Schauspiel- und Erzählungsqualifikationen.

„Wir freuen uns, dass dieses Projekt in Pflegeheimen so viel Freude schenkt. Zudem ist es eine weitere Aktivierungsmöglichkeit für Heimbewohnerinnen und -bewohner und bietet Beschäftigten eine zusätzliche Qualifikationsmöglichkeit“, sagt Simone Mühling, Präventionsfachkraft der AOK Nordschwarzwald und Ansprechpartnerin für Betreuungskräfte, die sich ebenfalls zu Märchenerzähler/-innen weiterbilden lassen möchten. 

Die AOK Baden-Württemberg möchte das Märchen-Projekt im Ländle nun weiter ausbauen – damit immer mehr Menschen mit Demenz von der wunderbaren Märchentherapie profitieren können.

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