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AOK Baden-Württemberg

Sucht und Co-Abhängigkeit: Wo Betroffene Hilfe bekommen

Veröffentlicht am:31.07.2024

4 Minuten Lesedauer

Rund acht Millionen Menschen in Deutschland trinken so viel Alkohol, dass es ihre Gesundheit gefährdet. Viele davon entwickeln eine Sucht, die massive Auswirkungen auch auf die Angehörigen haben kann. Im Landkreis Biberach arbeiten zahlreiche Beratungsstellen Hand in Hand, um Betroffenen zu helfen.

Eine Frau sitzt zusammengekauert auf einem Sofa. Vor ihr stehen ein gefülltes Weinglas und eine leere Flasche.

© iStock / Prostock-Studio

Ist Sucht eine Erkrankung?

Ja. Und häufig betrifft die Sucht nicht nur die erkrankte Person selbst, sondern auch das soziale Umfeld, etwa Familie, Freunde oder Arbeitskollegen und -kolleginnen. Eine der häufigsten Süchte in Deutschland ist die Alkoholabhängigkeit. Laut Bundesministerium für Gesundheit konsumieren 7,9 Millionen Menschen in Deutschland Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Aber nicht nur Alkohol, Drogen oder Medikamente gelten als Suchtmittel. Menschen können auch von Glücksspielen abhängig werden, einen problematischen Internet- und Social-Media-Konsum aufweisen oder ein gestörtes Essverhalten entwickeln.

Alkoholsucht: Wie funktioniert ein Entzug?

Jürgen Frech aus dem Landkreis Biberach war alkoholabhängig. Vor einigen Jahren litt er an einer Depression, die auch körperliche Beschwerden mit sich brachte. Er ließ sich in einer psychosomatischen Klinik behandeln, doch sein Alkoholkonsum nahm immer mehr zu: Er trank immer früher, immer mehr. Anfangs hauptsächlich Bier, später auch Schnaps. Zu dieser Zeit habe ihm das Trinken geholfen, seinen Alltag zu meistern, sagt er. Frech versuchte einige Male, auf Alkohol zu verzichten, es gelang ihm aber nicht. Auf Drängen seiner Frau machte er schließlich eine dreiwöchige Entgiftung im Zentrum für Psychiatrie Bad Schussenried. Er nahm dort außerdem an einer Motivationsgruppe teil. Im Anschluss absolvierte Frech eine ambulante Therapie bei der Suchtberatungsstelle der Caritas in Biberach. Hier gaben ihm Einzel- und Gruppengespräche Halt.

Während dieser Zeit kommt Frech auch in Kontakt mit dem Kreuzbund, der zum Deutschen Caritas-Verband gehört und Hilfe für alle Arten von Suchterkrankungen und deren Angehörige anbietet. Im weiteren Verlauf der Therapie normalisierte sich sein Leben. Denn Frech erkannte die Ursachen für seine Abhängigkeit, übernahm Eigenverantwortung und entwickelte neue Perspektiven und Verhaltensweisen. Heute trinkt er nur noch Wasser und Kaffee. Im Alltag muss er dennoch auf sich achten: „Wenn ich merke, dass ich in die Alkoholfalle tappen könnte, kann es auch sein, dass ich zum Beispiel eine Feier verlasse“, sagt er.

Ein älterer Herr sitzt in einem Besprechungsraum auf einem Stuhl, hat die Hände im Schoß gefaltet und blickt in die Kamera.
Selbsthilfe mit Leidenschaft: Während seiner Therapie nahm Jürgen Frech Kontakt zur Kreuzband-Gruppe in Biberach auf. Heute ist er ihr Sprecher

Was ist Co-Abhängigkeit?

Für viele andere Angehörige von Suchterkrankten ist das Risiko groß, selbst eine Sucht zu entwickeln. Dies wird als Co-Abhängigkeit bezeichnet. In Deutschland sind etwa acht Millionen Menschen co-abhängig. Sie versuchen, ihre Notlage zu kompensieren, indem sie selbst zu Alkohol, Medikamenten oder anderen Suchtmitteln greifen. Etwa 90 Prozent der Co-Abhängigen in Deutschland sind Frauen. Die Co-Abhängigkeit umfasst nicht nur den Missbrauch von Suchtmitteln. Auch Verhaltensweisen, mit denen Angehörige der abhängigen Person helfen, sie schützen oder ihr Verhalten rechtfertigen wollen, sind Anzeichen für eine Co-Abhängigkeit. Dies führt dazu, dass Co-Abhängige oft unbewusst die Sucht der erkrankten Person unterstützen. Wichtig: Co-abhängige Angehörige sind nicht für die Sucht der erkrankten Person verantwortlich.

Wo finden Co-Abhängige Hilfe?

Wie zerstörerisch die Alkoholsucht eines Familienmitglieds sein kann, erfuhr Irmgard Ruf aus dem Landkreis Biberach vor vielen Jahren: Ihr Sohn fing mit 13 Jahren an, Alkohol zu trinken, zwei Jahre später hatte er eine Sucht entwickelt. „Damals wusste ich nicht, an wen ich mich wenden konnte und wer uns als Familie helfen könnte“, sagt Ruf. Sie leitet inzwischen die Begegnungsstätte des Blauen Kreuzes in Biberach. Zu der Einrichtung gehört auch das Zentrum für Psychiatrie, in dem Jürgen Frech seine Therapie begann.

„Besonders Familienmitglieder leiden unter dem Verhalten eines alkoholkranken Menschen“, weiß Ruf. Sie nutzt ihre eigenen Erfahrungen, um anderen Betroffenen zu helfen. „Im Kern geht es darum, Ängste und Schuldgefühle abzubauen und wieder mehr Selbstständigkeit im Alltag zu erlangen“, sagt sie. Gemeinsam mit der Begegnungsgruppe des Blauen Kreuzes schafft sie Raum für Gespräche und fürs Zuhören. Der Bedarf an solchen Hilfsangeboten ist groß. Eine Anlaufstelle ist auch der Soziale Dienst der AOK Baden-Württemberg. In der AOK-Bezirksdirektion Ulm-Biberach beispielsweise sind 14 Mitarbeiterinnen zum Thema Sucht geschult. Gemeinsam mit der Kontakt- und Informationsstelle für gesundheitliche Selbsthilfegruppen (KIGS) unterstützen sie Menschen mit Suchterkrankungen und deren Angehörige.

Ein einzigartiges Angebot: Der Soziale Dienst und die KIGS

Die KIGS in Biberach vermittelt unter anderem Suchterkrankte und deren Angehörige an Selbsthilfegruppen wie das Blaue Kreuz. „Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass es die KIGS gibt und welche Unterstützung sie bietet. Es ist immer wieder erfreulich, wenn wir helfen können“, sagt Lisa Fey, AOK-Sozialarbeiterin. Menschen, die nicht bei der AOK versichert sind, können das Angebot ebenfalls nutzen. Fey leitet bei der AOK-Bezirksdirektion Ulm-Biberach den Bereich Gesundheitsbegleitung, zu dem auch die Mitarbeiterinnen des Sozialen Dienstes gehören. Sie stehen auch Hilfesuchenden zur Verfügung, die Unterstützung bei sozialen, beruflichen und familiären Belastungen benötigen. Diese können zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Krankheit oder einem Pflegefall in der Familie entstehen. Mit dem Angebot des Soziale Dienstes setzt die AOK Baden-Württemberg ein wichtiges Signal und übernimmt soziale Verantwortung – insbesondere für Menschen, die zum Beispiel aufgrund einer Krankheit auf eine bedarfsgerechte Beratung angewiesen sind.

Jürgen Frech, heute Sprecher der Kreuzbund-Gruppen, und Blaues-Kreuz-Leiterin Irmgard Ruf bekamen einst die Hilfe, die sie benötigten. Heute helfen sie anderen. Gemeinsam mit vielen anderen Beteiligten leisten sie einen wichtigen Beitrag, damit suchterkrankte Menschen und deren Angehörige in Baden-Württemberg Unterstützung bekommen. Frech haben auf seinem Weg aus der Abhängigkeit vor allem die Gesprächsrunden geholfen. Er nimmt bis heute noch selbst an den Gruppentreffen der Kreuzbund-Gruppen teil: „Diese Treffen sind sehr wichtig, denn sie senken die Rückfallquote nach einer Therapie enorm“, so Frech.

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