AOK Bremen/Bremerhaven
Schmerz, lass nach
Veröffentlicht am:17.12.2024
4 Minuten Lesedauer
In der Paracelsus-Klinik Bremen können Menschen mit Dauerschmerzen lernen, mit der Krankheit zurechtzukommen und ins Leben zurückzufinden.
"Lange ignoriert und versucht zu funktionieren"
Umbetten, beim Aufstehen helfen, stützen und heben – Cengiz Kisla ist Altenpfleger, und dieser Beruf ist nicht zuletzt auch eine Herausforderung für seinen Rücken. Vor einigen Jahren ging es los mit Schmerzen an Halswirbelsäule und linker Schulter. „Ich habe diese Schmerzen lange ignoriert und versucht zu funktionieren – ohne Rücksicht auf den Körper“, sagt der 56-jährige Bremer. Doch im Sommer 2024 spitzten sich die Schmerzen immer mehr zu. „Ich war bei allen möglichen Ärzten, bei Orthopäden, einem Neurochirurgen, und habe starke Schmerzmedikamente verordnet bekommen. Aber nichts hat so richtig geholfen.“ Nachts habe er nicht gewusst, wie er liegen soll, habe wenig geschlafen, sei herumgelaufen, habe geraucht und aus Frust viel gegessen. „Und am Morgen bin ich dann wie ein Roboter aufgestanden und zur Arbeit gegangen.“
Cengiz Kisla gehört zu den etwa 30.000 Menschen, die nach Schätzungen der AOK allein im Bundesland Bremen unter chronischen Schmerzen leiden. Dazu zählen vor allem Kopf- und Rückenschmerzen, Gelenk- und Nervenschmerzen oder Beschwerden, die nach einer Operation entstanden sind. Die Betroffenen sind häufig in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, greifen auf Schmerzmedikamente zurück und können nicht selten nur begrenzt ihrer Arbeit nachgehen.
Patienten sollten offen für neue Therapieansätze sein
Neuen Mut schöpfte Kisla dann in der Bremer Paracelsus-Klinik. Als Versicherter der AOK Bremen/Bremerhaven hat er dort in der Abteilung Schmerzmedizin an einem speziellen Behandlungsprogramm teilgenommen. „Die Patienten sollen bei uns herausfinden, was für sie die passenden Therapien und Werkzeuge sind, um die Schmerzen zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern“, sagt die Chefärztin der Abteilung, Dr. Larissa Eggers. „Und weil jeder ein anderes Schmerzerleben hat, gehen wir dabei sehr individuell vor.“
Zum Behandlungsteam können unter anderem Schmerzmediziner, Orthopäden, Neurologen, Neurochirurgen, Sportmediziner und weitere Facharztdisziplinen sowie Physio- und Psychotherapeuten, Ergotherapeuten und Kunstpädagogen gehören – je nach Bedarf. Sie stimmen sich ständig untereinander ab, was Medikamente und Therapien anbelangt. Dadurch soll der Teufelskreis aus Schmerzen, Schon- und Fehlhaltung, Muskelverspannung und erneutem Schmerz durchbrochen werden. Je nach Schwere und Dauer der Schmerzen werden die Patientinnen und Patienten ambulant, teilstationär oder stationär behandelt. Wichtig für den Erfolg des Therapieprogramms ist Larissa Eggers zufolge, dass die Patienten bereit sind, sich darauf einzulassen und selbst aktiv zu werden. „Wenn man sich ständig nur schont, werden die Schmerzen oft schlimmer“, erklärt die Medizinerin. Aus diesem Teufelskreis gelte es herauszukommen.
Ängste und Gereiztheit
Cengiz Kisla entschied sich für die dreiwöchige teilstationäre Behandlungsvariante, das heißt er war nur an den Wochentagen in der Paracelsus-Klinik und konnte abends nach Hause gehen. Kisla liest die Programmpunkte seines Therapieplans vor, darunter Physiotherapie, Nordic Walking, Krafttraining und Entspannungskurse. Hinzu kamen Vorträge, Gruppengespräche und Einzelgespräche mit einer Psychotherapeutin. Dieser Therapeutin erzählte Kisla von seinen Ängsten: Dass ihm keiner helfen kann und er seine Arbeit nicht mehr schafft wegen der Schmerzen und der ständigen Müdigkeit. Und dass er seine Arbeit deswegen verlieren könnte. Außerdem erzählte er ihr, wie gereizt und angespannt er sei, dass er sich nicht mehr mit Freunden treffe und seine jüngste Tochter schließlich gesagt hätte, so geht das nicht, durch Medikamente allein wirst du nicht gesund.
Veränderung von Alltag und Einstellung
Die Gespräche sagt Kisla, hätten ihm geholfen, seine Einstellung zu verändern: „Ich habe gelernt, auch selbst Hilfe anzunehmen, statt ständig nur für andere da zu sein und im Job zu funktionieren.“ Und er horche jetzt mehr in sich hinein: Werden die Schmerzen gerade wieder stärker? Oder sind sie bereits zu stark, um weiterarbeiten zu können? Aufschlussreich seien auch der Austausch mit anderen Betroffenen und die Vorträge gewesen: „Ich weiß jetzt mehr darüber, wie Schmerzen überhaupt entstehen und wie ich damit leben kann“, berichtet der Bremer.
Um mit den Schmerzen besser zurechtzukommen, hat Kisla in seinem Alltag einiges verändert: Mehr Bewegung, weniger Couch und Fernbedienung, so lautet seine Devise. Morgens nach dem Aufstehen macht er erst einmal Gymnastik auf dem Balkon, statt zum Kühlschrank zu gehen. Er hat seine Schichten angepasst, um besser schlafen zu können, und geht öfter mal in die Sauna – denn die Wärme tut seinem Rücken gut. Zusammen mit den Medikamenten haben diese Veränderungen aus seiner Sicht eine Menge bewirkt: „Meine Schmerzen sind etwa um 75 Prozent weniger geworden“, sagt Cengiz Kisla. „Und meine Tochter ist zufrieden, weil sie sieht, dass der Papa wieder lacht.“
Autorin: Astrid Funck
Besondere Schmerztherapie
Für Versicherte mit chronischen Schmerzen bietet die AOK Bremen/Bremerhaven in Kooperation mit der Paracelsus-Klinik Bremen und deren Netzwerkpartnern eine spezielle Schmerztherapie an – und zwar im Rahmen des Programms „Der kurze Weg“. Das Besondere an dieser Form der Therapie ist, dass dabei Fachleute aus vielen verschiedenen Berufsgruppen zusammenarbeiten, um den Patienten zu helfen. Weitere Informationen sind auf Anfrage per E-Mail an painnurse@bremen.pkd.de, unter Telefon 0421 4683-6355 und online erhältlich:
Café für Menschen mit chronischen Schmerzen
Die Paracelsus-Klinik lädt an jedem ersten Mittwoch im Monat zu einem Schmerz-Café ein. Menschen mit chronischen Schmerzen aller Art können sich dort mit anderen Betroffenen austauschen und sich einen Vortrag anhören. Die kostenlose Veranstaltung findet jedes Mal ab 15 Uhr in der Cafeteria der Paracelsus-Klinik Bremen statt. Die Klinik bittet darum, sich vorab unter dialog@bremen.pkd.de für das Schmerz-Café anzumelden.
Weitere Informationen und Folgetermine finden sich hier.