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„Endlich bestimmt die Angst nicht mehr mein Leben“
Veröffentlicht am:01.03.2023
6 Minuten Lesedauer
Aktualisiert am: 10.03.2023
Angststörungen sind eine Volkskrankheit: Mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden derzeit darunter. Die Invirto-App kann helfen. Ein Erfahrungsbericht.
Es ist ein warmer Tag im Juli, an dem Tanja O. zum zweiten Mal einen Herzstillstand erleidet. Sie gerät in Panik, aber sie überlebt. Was bleibt, ist die Angst. Doch sie nimmt den Kampf dagegen auf – und siegt. Dank der Invirto-App und einer Virtual Reality-Brille.
Wenn die Angst das Leben bestimmt
Nach der Arbeit noch schnell beim Supermarkt halten und ein paar Dinge für das Abendessen besorgen – für die meisten von uns ist das vollkommen normal. Auch für Tanja O. (Name von der Redaktion geändert) war das jahrelang eine alltägliche Situation. Sie erinnert sich: „Obwohl die Behandlung erfolgreich war und ich am Herzen keine Folgeschäden hatte, fing ich an diesem Tag an, mich abzuschotten. Ich hatte einfach Angst, wieder umzufallen und hilflos zu sein. Vor allem Staus oder Supermarktkassen waren für mich extrem schwierige Situationen, denen ich mich nicht aussetzen konnte.“
Denn was wäre, wenn sie in der Schlange im Supermarkt plötzlich umfiele oder gar im Auto einen Herzanfall bekäme? „Ich habe mir sämtliche Horrorszenarien ausgemalt. Bis mich schließlich alle Situationen, die außerhalb meines Zuhauses stattfanden, in Panik versetzten“, so Tanja.
Und dann war da auch noch die Sache mit dem Wetter. „Beide Male war der Herzstillstand bei sonnigem, warmen Wetter aufgetreten“, erzählt sie. „In meinem Kopf war das dann so verknüpft, dass, sobald die Sonne schien, es wieder passieren könnte. Vollkommen egal, ob es dabei nur zehn oder 25 Grad warm war.“
„Ich hatte einfach Angst, wieder umzufallen und hilflos zu sein.“
Tanja O.
(Name von der Redaktion geändert)
Rückzug aus dem Alltag
„Erst habe ich es einfach vermieden, in den Supermarkt zu gehen oder bin weniger Auto gefahren“, erzählt Tanja. Irgendwann wollte ich dann aber nur noch zu Hause bleiben. Und zwar am liebsten nicht alleine.“ Die 48-Jährige findet immer häufiger Ausreden, um nicht mehr hinausgehen zu müssen. „Manchmal habe ich bei bestimmten Terminen kurz vorher gesagt, dass es mir nicht gutgeht“, erinnert sie sich.
„Doch irgendwann hatte ich die Ausreden satt und habe mein altes Leben vermisst. Ich war immer viel unterwegs, habe gern gearbeitet und mich um meine Kühe gekümmert. Und das konnte ich dann auf einmal nicht mehr. Selbst Freunde auf einen Kaffee zu treffen, war nicht mehr möglich.“
Auf der Suche nach professioneller Hilfe
Unter diesem hohen Leidensdruck begibt sich die Friseurin schließlich auf die Suche nach einem Psychotherapeuten. „Ich habe allerdings schnell feststellen müssen, dass die Wartezeiten sehr lang sind“, erinnert sie sich. „Ich hatte aber keine Zeit mehr zu verlieren, denn auch die Arbeit litt langsam unter meinen Angstzuständen.“
Bei ihrer Recherche im Netz stößt sie schließlich auf Invirto, eine Smartphone-Therapie für Angstpatienten. „Was mich sofort überzeugte, war, dass diese Therapie genau das Gleiche beinhaltete, was mich auch bei einem Psychologen oder einer Psychologin vor Ort erwartet hätte“, so Tanja. „Denn auch bei Invirto musste ich über meinen Schatten springen und Übungen machen, in denen ich mit meiner Angst konfrontiert wurde.“
Als Berufstätige gefällt ihr zudem die zeitliche Flexibilität der Onlinetherapie per Smartphone. „So hatte ich die Möglichkeit, mich abends in der Woche daran zu setzen oder mich auch mal in Ruhe am Wochenende damit zu beschäftigen.“
„Was mich sofort überzeugte, war, dass diese Therapie genau das Gleiche beinhaltete, was mich auch bei einem Psychologen oder einer Psychologin vor Ort erwartet hätte.“
Tanja O.
(Name von der Redaktion geändert)
Zwei Tage nach der Anmeldung ging die Online-Angsttherapie los
Statt einige Wochen oder länger zu warten, kann Tanja quasi sofort loslegen. „Ich habe mich einfach über die Internetseite angemeldet und meine E-Mail-Adresse und Telefonnummer angegeben“, erzählt sie. „Zwei Tage später habe ich einen Anruf von Invirto bekommen und schon war ich dabei. Das ging ruck, zuck.“ Die Online-Angsttherapie besteht aus mindestens drei langen Telefonterminen mit einem festen Psychotherapeuten oder -therapeutin, verschiedenen, auf Betroffene abgestimmte Übungen, Atemtechniken und umfangreichen Informationsinhalten.
Nach der Anmeldung bekommt jeder Patient/jede Patientin von Invirto eine Virtual Reality-Brille und Kopfhörer nach Hause geschickt – beides ist für die Durchführung der Therapie notwendig. Außerdem erhält man Zugang zu einem für die jeweilige Angststörung maßgeschneiderten App-Kurs, um die Einheiten und Übungen zu Hause absolvieren zu können.
„Vor dem Teil, mich den für mich angstauslösenden Situationen in einer virtuellen Realität zu stellen, hatte ich anfangs am meisten Respekt“, erzählt Tanja. „Auch wenn man nur diese Brille auf hat und zu Hause auf dem Sofa sitzt, war das die größte Herausforderung. Weil Situationen eingeblendet wurden, die ich vorher immer zum Großteil verhindern konnte und denen ich mich dann aber stellen musste.“
Stolz erinnert sie sich an die ersten Schritte in der virtuellen – und in der realen Welt. „Ich habe mich draußen in den Garten in die Sonne gesetzt, also das, was ich eigentlich überhaupt nicht mehr konnte. Und dort habe ich dann über eine Stunde lang in der virtuellen Realität in einer Supermarktschlange gestanden, um zu gucken, was mit mir passiert“, erinnert sich Tanja. „Und es ist nichts passiert, denn irgendwann kam ein Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass es leichter wird. Und ich habe weiter ausgehalten, bis keine Angst mehr da war. Da war ich sehr stolz.“
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Von der virtuellen Welt in die Realität
Insgesamt befindet sich Tanja O. acht Wochen in der Invirto-Therapie. „Als ich das erste Mal wieder alleine in den Supermarkt gegangen bin, war das ähnlich wie eine Einschulung“, erinnert sie sich. Ich war super nervös und habe alles genau beobachtet. Als kleines Hilfsmittel habe ich mir vorher einen Einkaufszettel vorbereitet, den ich dann Punkt für Punkt im Supermarkt durchgegangen bin. Ich habe alles eingepackt und bin zur Kasse gegangen. Die Struktur hat mir sehr beim Einkaufen geholfen.“
Heute kann die Invirto-Teilnehmerin auch ohne Einkaufszettel oder andere Vorbereitungen einkaufen gehen. „Ich gehe zwar nicht gerne in den Supermarkt, aber wenn ich merke, dass ich keine Milch mehr habe, kann ich einfach hinfahren und welche kaufen. Ich bin also in meinem Alltag nicht mehr eingeschränkt.“ Für Tanja hat sich die Online-Therapie also gelohnt und sie würde sie auch weiterempfehlen.
„Die Invirto-Therapie ist einfach eine super Sache, denn man hat keinen Termindruck und kann alles im eigenen Tempo absolvieren“, so Tanja. „Und man hat auch einen Ansprechpartner, denn man schaut ja nicht nur in der App Videos an oder liest Texte durch, sondern hat im Notfall seinen Psychotherapeuten, den man immer anrufen kann, wenn etwas ist.“
Heute geht es Tanja gut: „Ich sitze wieder in der Sonne, treffe mich mit Freunden, gehe einkaufen und führe ein Leben wie vorher. Es gibt immer noch Phasen, in denen die Angst versucht, zu dominieren und mich einzuschränken. Dann gebe ich dem auch etwas nach und nehme mir da den Druck. Das habe ich nämlich auch gelernt, dass Angst immer mal wiederkommen kann und nicht nach dem Abschluss der Therapie alles weg ist. Das muss man einfach im Hinterkopf behalten.“
Sie leiden an Agoraphobie (Platzangst), sozialer Phobie oder einer Panikstörung?
Dann kann die Invirto-Therapie das Richtige für Sie sein. Sie wurde vom Anbieter für digitale Psychotherapie „Sympatient“ in einer Kooperation mit Behandlungsexperten des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein entwickelt, die die Therapie auch aktiv durchführen.
Eine Anmeldung ist möglich unter invirto.de oder telefonisch bei der „Invirto“-Terminkoordination unter 040 30924713. Die Therapie-Kosten übernimmt Ihre AOK NordWest.